Das Beste kommt zum Schluss
Nach einer nicht immer einfachen Rookie-Saison in der Superbike-Weltmeisterschaft gelingen dem 33-jährigen Rohrbacher Töffpiloten Dominique Aegerter an der letzten Rennstation der Saison im spanischen Jerez gleich zwei Podestplätze. Aegerter schaffte im Superpole-Kurzdistanzrennen hinter Weltmeister Alvaro Bautista den 2. Rang und doppelte im Schlussrennen über die Langdistanz mit einem 3. Rang nach.
Motorsport · «Was für ein unglaublich emotionales Wochenende», fasst Dominique Aegerter die drei letzten der insgesamt 36 Rennen der Superbike-Weltmeisterschaft 2023 sichtlich gerührt zusammen.
Grosses Pech im ersten Rennen
Das Wochenende in Jerez beinhaltete für die Nummer 77 eine extreme sportliche und emotionale Berg- und Talfahrt. Das erste Training war wegen dem Wetter schwierig. Im zweiten (5. Rang) und dritten Training (2. Rang) glänzte Aegerter dann ebenso wie im Qualifying (2. Rang). Dann folgte am Samstag im ersten Rennen über die lange Distanz die grosse Enttäuschung. Nach einem guten Start fiel Aegerter innerhalb von zwei Runden auf die 17. Position zurück. «Ich bemerkte Fehlzündungen. Das technische Problem mit der Elektronik hinderte mich, ein gutes Rennen zu zeigen», sagt der Rohrbacher zum Startrennen, welches er zwar noch beenden konnte. Allerdings nur auf dem bitteren 18. Rang.
Galavorstellung nach Neustart
Neuer Tag, neues Glück. Mit einer kräftigen Portion Wut im Bauch durfte Aegerter das Sprintrennen (Superpole) am Sonntagvormittag wiederum von der zweiten Startposition in Angriff nehmen. Aegerter führte das Rennen an, als nach eineinhalb Runden Schluss war. «Der Motor begann stark zu rauchen. Ein weiterer Defekt», so Aegerter. Zum Glück für den Schweizer verlor seine Maschine auf den letzten Metern viel Öl. So musste das Rennen aus Sicherheitsgründen abgebrochen und neu gestartet werden. «In einer Blitzaktion machte mein Team die Ersatzmaschine bereit», lacht Aegerter. Und mit dieser zauberte der Rohrbacher eine absolute Galavorstellung auf den heissen Asphalt. Acht Runden dauerte das Rennen noch. Aegerter schnappte sich die Spitzenposition und musste diese erst nach eineinhalb Runden an den Weltmeister Alvaro Bautista (Spanien) abgeben. Wenig später schob sich der äusserst aggressiv fahrende Alex Lowes (Grossbritannien) am Schweizer vorbei. Wenige Rennmomente später wurde die Harakiri-Fahrweise von Lowes mit einem Sturz bestraft. Weil sich hinter dem Schweizer zwei Piloten hart bekämpften, konnte sich der Schweizer lösen und hinter dem Weltmeister das erste Podest seiner erst ein Jahr alten Superbike-Karriere feiern. «Dieser Erfolg gab mir grosse Zuversicht für das zweite Hauptrennen an diesem Wochenende», so Aegerter. Es war zugleich das mit Abstand beste Saisonresultat. Die bisherigen Bestresultate datierten vom April in Assen, als Aegerter in den beiden Volldistanz-Rennen die Ränge 4 und 6 und im Superpole-Race den 7. Rang belegte.
Im Sog der beiden Superbike-Stars
Auch im zweiten Sonntagsrennen, diesmal über die Hauptdistanz von 21 Runden, wusste der Yamaha-Pilot zu glänzen. An vierter Stelle überquerte er die erste Runde. Ganz vorne hatte sich Jonathan Rea (Grossbritannien) bereits verabschiedet. Als dieser 16 Runden vor Schluss stürzte, lag Aegerter auf einmal wieder auf Podestkurs. Fortan konnte er an dritter Stelle in Lauerposition mitverfolgen, wie sich die Superbike-Stars und Saisondominatoren Toprak Razgatlioglu (Türkei) und Weltmeister Alvaro Bautista bekämpften. Dadurch kam Aegerter dicht an das Duo heran. Die absolute Gelegenheit, an den sich duellierenden Ausnahme-Piloten vorbeizuschiessen, bot sich aber nicht. «Ich habe immer auf einen Fehler gewartet. Dieser kam aber nicht», lacht Aegerter. «Domi» hatte ausserdem damit zu tun, den aufdringlichen Michael Rinaldi (Italien), der für drei Runden sogar vor dem Rohrbacher fuhr, auf Distanz zu halten. Ganz vorne entschied Razgatlioglu das packende Duell gegen den Weltmeister Bautista am Ende hauchdünn für sich. Wegen Überschreitens der Streckenbegrenzung nach der letzten Kurve musste der Türke den Sieg jedoch seinem Dauerrivalen überlassen. Dahinter holte Aegerter seinen zweiten Podestplatz innert vier Stunden.
Vor der grossen Party noch Tests
Eine sportlich nicht immer erfolgreiche Saison erhielt an der letzten Rennstation ein regelrechtes Upgrade. Mit den beiden Podestplätzen verbesserte sich der Rohrbacher im WM-Schlussklassement auf den 8. Rang. Damit konnte auf den letzten Drücker die Saisonzielsetzung (Top-Ten-Klassierung) noch erreicht werden. Ausserdem steht Aegerter nach seiner Startsaison als bester Yamaha-Privatpilot da. Zeit zum Feiern gibt es (noch) keine. Heute Dienstag und morgen Mittwoch testet Aegerter in Jerez bereits neue Teile für die WM 2024. Erst am Donnerstag reist er nach Rohrbach zurück. Dann aber kann er nach seinem finalen sportlichen Coup so richtig die «Sau rauslassen»: Am Samstag ab 18 Uhr steigt in der Eventhalle im Campus Perspektiven in Huttwil bereits zum 13. Mal die legendäre «Domi Fighter’s Party».
Resultate: 1. Rennen, Samstag (19 Klassierte): 1. Alvaro Bautista, Spanien, 33:44,752; 2. Toprak Razgatligolu, Türkei, 33:45,947; 3. Andrea Locatelli, Italien; 18. Dominique Aegerter, Schweiz/Rohrbach, 33:53,823. – 2. Rennen, Sonntag (Superpole/20): 1. Alvaro Bautista, Spanien, 13:25,903; 2. Dominique Aegerter, Schweiz/Rohrbach, 13:27,390; 3. Jonathan Rea, Grossbritannien, 13:29,027. – 3. Rennen, Sonntag (23): 1. Alvaro Bautista, Spanien, 33:42,679; 2. Toprak Razgatlioglu, Türkei, 33:42,647 (1 Position zurückversetzt); 3. Dominique Aegerter, Schweiz/Rohrbach, 33:43,000. – WM-Endstand (36/36): 1. Alvaro Bautista, Spanien, 628 Punkte; 2. Toprak Razgatlioglu, Türkei, 552; 3. Jonathan Rea, Grossbritannien, 370; 8. Dominique Aegerter, Schweiz/Rohrbach, 163.
Von Stefan Leuenberger