Das Biber-Projekt ist auf gutem Weg
Zwischen Mussachen und Häusernmoos hat sich anfangs 2019 eine Biberfamilie angesiedelt (der «Unter-Emmentaler» berichtete). Die Dämme und die dadurch entstandene Überschwemmung sorgen seither für ein herrliches Naturschauspiel, an welchem sich auch der Fotograf Peter Eggimann erfreut. Ihm gelangen einmalig schöne Bilder, die er dem «Unter-Emmentaler» zur Verfügung stellt.
Dürrenroth · Der betroffene Landwirt hatte ein Nachsehen mit den interessanten Nagern. Allerdings auch dank der Option, dass eine nachhaltige Lösung gefunden wird. Denn die Biberfamilie hat ihren Bau mitten in einem «Projektgebiet» für Biber errichtet. Dieses ist inzwischen auf gutem Wege. «Das Vorprojekt liegt vor», sagt Peter Lakerveld von Pro Natura, Projektleiter der Aktion Biber & Co. Mittelland, im Gespräch mit dem «Unter-Emmentaler». Zurzeit müsse die Finanzierung gesichert werden. Parallel dazu werde das Detailprojekt ausgearbeitet. Weitere Gespräche mit den Landbesitzern, mit Behörden und den Gemeinden würden folgen: «Wenn alles gut geht, können wir im Herbst 2020, möglicherweise auch erst im Frühjahr 2021, mit der Umsetzung beginnen.» Dies im Einklang mit der Natur, das heisst unter Berücksichtigung der Fischlaichzeit und der Brutvögel.
Für die Planung und Umsetzung grösserer Biber-Projekte rechnet Pro Natura eine Zeit von bis zu zehn Jahren. Denn nebst oft mehreren Landbesitzern werden auch die Gemeindebehörden, das Amt für Wasserbau und weitere einbezogen.
Der grosse Biberdamm im Rotbachtal, unweit der Haltestelle Mussachen, wurde anfangs 2019 durch eine Biberfamilie mit damals knapp einjährigen Jungtieren errichtet.
Schon bald dürfte im Bau nun die dritte Generation Jungtiere anstehen. Denn die Hierarchie in Biberfamilien ist klar: Die Jungen bleiben zwei Jahre im Bau der Eltern, dann werden sie ausgestossen und müssen sich ein eigenes Revier suchen. Das heisst, die inzwischen knapp zweijährigen Jungen werden in den nächsten Wochen auswandern und ihren neuen Geschwistern Platz machen.
Die Biber paaren sich ab Januar, tragen rund 100 Tage. Das Weibchen wirft einmal pro Jahr zwei bis drei Junge, von welchen eins bis zwei überleben. Eine «komplette» Biberfamilie besteht also aus dem Elternpaar und zwei Generationen Jungtieren. Biber sind partnertreu, bleiben ganzjährig zusammen. Einen Wechsel gibt es nur, wenn einer der Partner stirbt.
Ist ein «attraktives» Revier aus irgendeinem Grund verlassen, wird es schnell wieder von diesen fleissigen Nagern besiedelt. Die zweijährigen Jungen suchen sich in einer Wanderdistanz von durchschnittlich zehn Kilometern ein neues Revier. «Es wurden schon Distanzen von 100 Kilometern nachgewiesen», sagt Peter Lakerveld von der Naturschutzorganisation Pro Natura, Projektleiter der Aktion Biber & Co. Mittelland, im Gespräch mit dem «Unter-Emmentaler». Je länger die Distanz, je willkommener sei dies für die Durchmischung der Genetik der Tiere.
Dürrenroth erfreut sich einer verhältnismässig dichten Biber-Population. So sind die Nager seit längerem in der Nähe der ARA Dürrenroth an der Arbeit sowie beim nahen Fischweiher in Häusernmoos.
Laut Peter Lakerveld ist dieses Inselverhalten recht typisch. Umso mehr wird geschätzt, dass Junge manchmal weit wegwandern und so für eine Auffrischung der Genetik sorgen.
Ein reiner Pflanzenfresser
Der europäische Biber (Castor fiber) wird in Freiheit zehn- bis zwölfjährig. Die dämmerungs- und nachtaktiven Nager ernähren sich nur aus Pflanzen. Sie bevorzugen Knospen, Kräuter, Sträucher, Wasserpflanzen und Laubbäume. Von den von ihnen gefällten Bäumen verzehren sie die Zweige, die Astrinde und die Blätter.
Biber – die Männchen und Weibchen unterscheiden sich äusserlich kaum – werden durchschnittlich 18 kg schwer. Dabei kann das Gewicht eines stattlichen Burschen schon mal bis 30 kg gehen. Ihr meist braunes Fell ist sehr dicht und schützt vor Nässe und Auskühlung. Der Pelz wird regelmässig gereinigt und mit einem fetthaltigen Sekret, dem sogenannten Bibergeil, gepflegt.
Mit dem breiten, abgeplatteten, mit lederartiger Haut bedeckten und unbehaarten Schwanz (Kelle) und den Schwimmhäuten ist das Tier perfekt an das Leben im Wasser angepasst. Die Kelle dient als Steuer beim Abtauchen sowie zur Temperaturregulation und als Fettdepot. Beim Tauchen werden Nase und Ohren verschlossen. So kann Castor bis zu 20 Minuten tauchen.
Auf dem Vormarsch
Das Revier umfasst ein bis drei Kilometer eines Bach- oder Flusslaufs. Die Reviergrenzen werden mit dem Bibergeil markiert und gegen Eindringlinge vehement verteidigt.
Jahrelang war der Biber in der Schweiz gefährdet. In den letzten Jahrzehnten ist er auf dem Vormarsch. Im Kanton Bern sind bereits weite Gebiete vom Biber «vollbesetzt», insbesondere entlang der Aare. Längst hat er begonnen, sich im Emmental, im Jura und in den Voralpen auszubreiten. Die Grenzen «nach oben» sind allerdings gegeben; Gebirgsbäche sind für den Biber nicht besiedelbar. Wird der Platz knapp, reguliert sich der Bestand von allein – die Würfe werden kleiner.
«Bibergebiete» sind ökologisch enorm spannend. Wo sich der Biber niederlässt, explodiert die Artenvielfalt. Seit 2018 ist Pro Natura in Abklärung mit den Gemeinden Dürrenroth und Walterswil, mit den Anstössern und auch mit der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern, Abteilung Wasserbau/Gewässerunterhalt, um gemeinsam das geplante Projekt entlang des Rotbachs anzugehen und hoffentlich schon bald umzusetzen. Langfristig soll hier eine ökologische Aufwertung erreicht, insbesondere aber ein örtlich festgesetzter und eingegrenzter Lebensraum für Biber geschaffen werden. Dies auch im Sinne eines problemfreien Nebeneinanders des Bibers und der landwirtschaftlichen Nutzer. Weitere solche Projekte sind in der Ostschweiz, in der Innerschweiz und im Aargau im Gang.
Die Familie Castor kümmert dies wenig: Ohne Rücksicht auf die langwierigen Arbeiten zu ihren Gunsten hat sie nach und nach im Rotbachtal Einzug gehalten.
Infos: www.pronatura.ch
Von Liselotte Jost-Zürcher