Das Ende der Saison – und der «Ära Bieri»?
Hockey Huttwil verliert am Sonntag in Seewen das vierte Halbfinalspiel 2:4. Die Saison ist damit zu Ende. Die bange Frage jetzt: Bleibt Trainer Daniel Bieri (44)? Findet das Drama auf dem Eis nun seine Fortsetzung neben dem Eis?
Eishockey · MyHockey League, Playoff-Halbfinal: Hockey Huttwil – EHC Seewen 4:5 (1:2, 2:0, 1:3) / EHC Seewen – Hockey Huttwil 4:2 (0:1, 1:0, 3:1)
Ein aufopfernd und leidenschaftlich kämpfendes Hockey Huttwil hat gegen ein grosses Seewen zweimal hintereinander maximal dramatisch verloren: 4:5 am Donnerstag auf eigenem Eis und nun am Sonntag 2:4 in Seewen. Im Rückblick zeigt sich: Die Huttwiler haben den Halbfinal nicht erst am Sonntag, sondern bereits am Donnerstag in dem Moment verloren, als sie den Sieg eigentlich schon in Händen hielten und am Horizont den Final sehen konnten.
5,4 Sekunden vor Schluss
Zahlen erklären den Höhepunkt der Dramatik in diesem Halbfinal. Oben auf der Resultattafel steht am Donnerstag bei der Zeitangabe 5,4. Unten bei der Resultatanzeige 4:5. Das bedeutet: 5,4 Sekunden vor Schluss kassiert Hockey Huttwil gegen Seewen das 4:5. Damit ist klar: Verlieren die Huttwiler auch am Sonntag in Seewen, dann ist die Saison zu Ende. Und genau so ist es gekommen.
Eigentlich war alles klar
Das ist umso bitterer, weil die Hockey Götter in dieser im Grunde entscheidenden Partie am letzten Donnerstag eigentlich mit den Huttwilern waren. Als schon die Geister der Resignation und der Mutlosigkeit durch die Ritzen des Stadions lugen und sich eine Verlängerung abzeichnet, trifft Michael Lüdi – der Mann der wichtigen Tore – zum 4:3. Die Vorarbeit hat – auch das kein Zufall – Timo Braus beigesteuert: Mit seiner Schnelligkeit vermag er immer wieder Unruhe in die gegnerische Abwehr zu tragen. Er wird am Sonntag die Saison mit 17 Punkten aus 9 Partien als bester Playoff-Skorer der Liga beenden. Die Uhr ist im Campus Perspektiven bei 56:15 Minuten stehen geblieben. Also sind nur noch drei Minuten und 45 Sekunden zu spielen. Nichts im Vergleich zur Ewigkeit, aber im Hockey manchmal eine Ewigkeit. Trotzdem: Das muss der Sieg sein. Ausgerechnet in einer Phase, in der Seewen die Partie im Griff hatte, fällt dieser vierte Treffer, der wie ein Stich ins Herz der Schwyzer wirken muss. Es ist der erhoffte «Lucky Punch»-Final, wir kommen bald ...
Es sollte nicht sein
Hockey Huttwil, ein Spitzenteam, Finalist von 2022, wird doch wohl dazu in der Lage sein, diese 4:3-Führung über die Zeit zu retten. Oder? Kevin Schläpfer, unzweifelhaft ein Kenner der Materie und extra für diese Partie von seinem Wohnort Sissach nach Huttwil gekommen, ist davon überzeugt und sagt zu seiner Lebenspartnerin: «Das war es. Wir können nach Hause gehen.» Die beiden stehen auf und machen sich auf den Heimweg. Sie verpassen die dramatischsten Sekunden der neueren Huttwiler Hockey-Historie.
Keine Sündenböcke
Wer ist schuld an diesem dramatischen Untergang, der direkt in die sonntägliche und finale Niederlage in Seewen münden sollte? Torhüter Kevin Liechti? Nein. Er konnte am Donnerstag keinen der fünf Gegentreffer verhindern. Die Niederlage hat Hockey Huttwil im Kollektiv erlitten. Sie hat keinen Namen und keine Sündenböcke. In einem kollektiven Versagen ist der scheinbar sichere Sieg in den letzten Minuten entglitten, als es nur noch darum ging, den Puck wegzuhauen, den Rhythmus zu brechen, ein wenig zu provozieren und keinen Spielfluss mehr aufkommen zu lassen. Was für eine so routinierte Mannschaft wie Hockey Huttwil eigentlich eine Selbstverständlichkeit, ein hockeytechnischer Kindergeburtstag sein müsste. Aber eben: Hockey ist ein unberechenbares Spiel, das auf einer rutschigen Unterlage ausgetragen wird. In Seewen stellt Daniel Bieri am Sonntag Siro Nicola Wyss ins Tor. Er zeigt eine grosse Partie. Aber er kann die Niederlage nicht verhindern. Seewen, aufgeputscht durch den donnerstäglichen Sieg und noch grösser, wuchtiger, härter, selbstsicherer, präziser und dominanter geworden, arbeitet die tapferen Huttwiler vom Eis. Der vierte Treffer fällt, als Daniel Bieri seinen Goalie durch einen sechsten Feldspieler ersetzt hat. Fehlte die Energie? War der Kräfteverschleiss im dramatischen Viertelfinal über fünf Partien gegen Franches-Montagnes vielleicht doch zu gross, um nun im Halbfinal ein robustes, taktisch brillantes Seewen mit Tempospiel aus den Angeln zu heben? Um den Gegenspielern davonzulaufen? Ja, so ist es. Die Enttäuschung mag gross sein. Aber bei Lichte besehen, war es eine grandiose Saison. Der 2. Platz in der Qualifikation kann nicht hoch genug bewertet werden. Kein Trainer hat aus seinem Team so viel herausgeholt wie Daniel Bieri. Er hat die Quadratur des Kreises geschafft: Hockey Huttwil ist einerseits ein Ausbildungsclub und andererseits eine Spitzenmannschaft. Unter dem Entlebucher sind die jungen Spieler besser geworden und die Routiniers führen als Leitwölfe ein Team, das ein begeisterndes, dynamisches Tempohockey zelebriert. Und, was oft unterschätzt wird: Es ist das Team mit dem wohl besten Zusammenhalt in der MyHockey League.
Bleibt der Trainer?
Die zentralen Figuren bei Hockey Huttwil sind Präsident Heinz Krähenbühl, Trainer Daniel Bieri und Sportchef Max Dreier, der mit diplomatischem Geschick dafür sorgt, dass der manchmal impulsive Vorsitzende im Pulverdampf hektischer Spieler sein Temperament dosiert. Und damit sind wir bei der heiklen Ausgangslage. Daniel Bieri ist der einzige Trainer in der MyHockey League, der während der Saison zu 100 Prozent arbeitet. In der Firma seines Präsidenten. Das mag der Grund sein, warum Heinz Krähenbühl die Situation unterschätzt: Er geht wie selbstverständlich davon aus, dass sein Erfolgstrainer – wohnhaft in Ufhusen – bleiben wird. Daniel Bieri ist am 24. Januar 2020 nach der Entlassung von Andreas Beutler vom Assistenten zum Cheftrainer befördert worden, rettete die Huttwiler im Frühjahr 2020 vor dem Abstieg, führte sie 2022 in den Final gegen Basel und nun zum zweiten Mal hintereinander in den Halbfinal. Aber es ist nicht sicher, dass er bleibt. Er sagt: «Ich weiss nicht, ob ich nächste Saison noch Trainer in Huttwil bin. Weder der Sportchef noch Heinz Krähenbühl haben bisher mit mir über meine Zukunftspläne gesprochen. Inzwischen habe ich Anfragen von anderen Teams.» Für Daniel Bieri ist die Situation nicht einfach: Er ist inzwischen einer der kompetentesten Schweizer Trainer. Im Rahmen seiner Ausbildung hat er unter anderem bei Jan Cadieux in Genf und in den Nachwuchsorganisationen von Bern, Langnau und Biel praktische Erfahrungen gesammelt. Wenn er Profitrainer werden will, dann ist jetzt die Chance da.
Profieishockey, Ja oder Nein?
Es gibt Optionen als Assistent oder Nachwuchstrainer im Profihockey. «Aber dann könnte ich nicht mehr bei Heinz Krähenbühl arbeiten. Ich muss mir Gedanken machen, ob ich zu 100 Prozent ins Trainerbusiness einsteigen soll.» Er steht vor der schwierigsten Entscheidung als Berufsmann und als Trainer. «Ich habe aber weder bei einem anderen Verein zugesagt noch unterschrieben.» Daniel Bieri spielt bei Hockey Huttwil eine so prägende Rolle wie einst Arno Del Curto in Davos. Und was er nicht sagt: Mehrere Spieler sind wegen Daniel Bieri bei Hockey Huttwil und nicht bei der Konkurrenz, die bessere Entschädigungen bezahlt. Nach dem dramatischen Scheitern auf dem Eis stehen nun dramatische Wochen neben dem Eis an. Mit Entscheidungen von grösster Tragweite für die Zukunft von Hockey Huttwil.
Matchtelegramme: 14. März. – Huttwil – Seewen 4:5. – Campus Perspektiven, Schwarzenbach/Huttwil. – 745 Zuschauende. – SR: S. Dreyfus, L. Oberson/Y. Stryffeler. – Tore: 5. 0:1. 9. M. Schwegler (S. Hess, T. Braus/Ausschluss Seewen) 1:1. 16. 1:2. 26. N. Gurtner (R. Bruni, J. Lanz/Ausschluss T. Büeler) 2:2. 39. M. Lüdi (F. Haldimann, R. Bruni) 3:2. 43. 3:3. 57. M. Lüdi (T. Braus, N. Gurtner) 4:3. 59. 4:4. 60. (59:54) 4:5. – Strafen: Huttwil 4x 2 plus 1x 10 Minuten (F. Haldimann); Seewen 3x 2 Minuten. – Huttwil: K. Liechti; M. Minder, R. Bruni; T. Braus, M. Lüdi, F. Haldimann; N. Gurtner, R. Bieri; Y. Lerch, J. Bieri, R. Nyffeler; S. Aebi, M. Schwegler; M. Ruch, S. Hess, M. Meyer; G. Felder, T. Nyffeler; J. A. Weber, J. Lanz, N. Waber. 17. März. – KEB Zingel, Seewen. – 1100 Zuschauende. – SR: J. Zbinden, S. Conrad, G. Muggli. – Tore: 14. M. Meyer (G. Felder, M. Ruch) 0:1. 23. 1:1. 48. J. Bieri (T. Braus, S. Hess/Ausschluss T. Büeler) 1:2. 51. 2:2. 57. 3:2. 59. 4:2. – Strafen: Seewen 3x 2 Minuten; Huttwil 2x 2 Minuten. – Huttwil: S. N. Wyss; M. Minder, R. Bruni; T. Braus, M. Lüdi, F. Haldimann; N. Gurtner, R. Bieri; Y. Lerch, J. Bieri, R. Nyffeler; S. Aebi, M. Schwegler; M. Ruch, S. Hess, M. Meyer; G. Felder, L. Vögeli; T. Nyffeler, J. Lanz, J. A. Weber.
Von Milena und Klaus Zaugg