Das gewollte Schmelzen der Pölsterchen
Das Budget sorgt im Stadtrat alljährlich für heisse und spannende Diskussionen. So auch in der Parlamentssitzung von gestern Abend (Berichterstattung im «UE» folgt am Freitag). Eher nüchterner war dagegen die Art und Weise, wie das Budget 2025 sowie der Finanz- und Investitionsplan 2025–2029 letzte Woche vom Gemeinderat präsentiert wurden. Angesichts sehr hoher Investitionen in den kommenden Jahren ist man einmal mehr versucht zu fragen, wo in Langenthal die Grenzen des Zumutbaren liegen beim Abbau des Bilanzüberschusses und beim jährlichen Defizit.
Die für die Aussagekraft des steuerfinanzierten Allgemeinen Haushalts relevanteste Eigenkapitalkategorie ist der sogenannte Bilanzüberschuss. Der Bestand per Ende 2025 wird mit rund 64,16 Millionen Franken budgetiert. Ein kurzer Blick auf die Zahlen im städtischen Finanz- und Investitionsplan zeigt, dass dieser Bilanzüberschuss bis Ende 2029 auf rund 41,68 Millionen Franken sinken wird. Langenthal sieht sich in den kommenden Jahren also mit einer weiterhin rückläufigen Eigenkapitalbasis konfrontiert. Dieser Rückgang beim Bilanzüberschuss sei jedoch politisch gewollt, heisst es in den aktuellen Stadtratsunterlagen. «Aufgrund der zukünftig anstehenden Investitionsprojekte – vor allem ESP Bahnhof /öffentlicher Raum – und den daraus resultierenden (steigenden) Abschreibungsaufwendungen wird sich der Rückgang der Bilanzposition Bilanzüberschuss weiter fortsetzen», wird darin ausgeführt.
2025: 3,9 Millionen im Minus
Angesichts dieser Zahlen – und auch angesichts der prognostizierten Defizite in den Erfolgsrechnungen der kommenden Jahre – fragt man sich, wie stark der Rückgang beim Bilanzüberschuss noch voranschreiten darf. Was man zu den Defiziten sagen kann: Gemäss nächstjährigem Budget weist die Stadt für 2025 ein Defizit von rund 3,9 Millionen Franken aus. In den Jahren 2026, 2027 und 2029 sollen gemäss dem derzeitigen Planungsstand unter dem Strich dann jeweils Defizite von deutlich über 5 Millionen Franken resultieren – 2028 soll es sogar ein Minus von über 6 Millionen sein. Dies bei geplanten Investitionen, die in den kommenden Jahren nicht unbedingt weniger werden. Konkret: In den Jahren 2025 bis 2029 rechnet man mit kumulierten Netto-Investitionen von total rund 90,56 Millionen Franken (davon rund 62 Millionen steuerfinanziert). Eine Investitions-Spitze ist 2025 vorgesehen – konkret sollen nächstes Jahr knapp 34 Millionen Franken netto investiert werden. Alle geplanten Investitionen scheinen zwingend nötig zu sein – Langenthal hat diesbezüglich immer noch einen grossen Nachholbedarf (im Tiefbau beispielsweise).
Defizitlücke mittelfristig schliessen
Mit Blick in die Zukunft muss die Frage also erlaubt sein: Was mag es beim Bilanzüberschussrückgang noch leiden, was bei den Defiziten? In den Stadtratsunterlagen heisst es in diesem Zusammenhang: «Massnahmen zur Stabilisierung des Bilanzüberschusses wurden vom Gemeinderat im Januar 2021 beschlossen, indem einerseits Zielgrössen für die Ergebnisse definiert wurden und andererseits die vom Stadtrat erheblich erklärten Motionen in der Budgetierung und Planung berücksichtigt wurden und werden. Gleichzeitig wurden Massnahmen zur Aufwandsenkung und Ertragssteigerung eingeleitet. Der Abbau des Bilanzüberschusses wird damit koordiniert vorgenommen werden und es wird das klare Ziel verfolgt, die Defizitlücke mittelfristig zu schliessen.» Gerade zum Bilanzüberschuss meinte SVP-Gemeinderat Roberto Di Nino (Ressort Finanz- und Steuerwesen) letzte Woche während der Budget-Pressekonferenz ergänzend: «Die Frage, wie hoch der notwendige Bilanzüberschuss ist, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. So spielen beispielsweise die Zusammensetzung des Vermögens, der Verschuldungsgrad oder das künftige Steuerpotential für die Beurteilung eine Rolle.» Di Nino führte dazu weiter aus, dass sich aktuell eine Kommission aufgrund einer vom Stadtrat überwiesenen Motion unter anderem genau mit dieser Fragestellung befasst. Eine «angemessene» Grössenordnung, die derzeit im politischen Erarbeitungsprozess im Raum stehe, sei ein mittel- bis langfristiges städtisches Kerneigenkapital von 25 bis 30 Millionen Franken. «Dies liege im Bereich von ungefähr 10 Steuerzehnteln, was die politische Handlungsfähigkeit auch mittelfristig gewährleistet», resümierte Di Nino weiter. Mit rund 41 Millionen Franken Bilanzüberschuss per Ende 2029 läge man also noch immer über diesem für «gesund» befundenen Wert.
4 Millionen Minus als Obergrenze
Möglicherweise kommt es am Schluss aber sogar besser heraus. Dann nämlich, wenn man sich in Langenthal in den nächsten Jahren weiterhin an die Defizit-Zielvorgaben hält. In diesem Zusammenhang hat sich der Gemeinderat seinerzeit im Januar 2021 – zu Beginn der nun zu Ende gehenden Legislatur – selbst maximale Minuszahlen pro Jahr auferlegt. Konkret: In den Jahren 2024 bis 2029 dürfen gemäss diesem Plan eigentlich nicht mehr als 4 Millionen Franken Defizit pro Jahr resultieren (mit den aktuellen Planwerten – siehe oben – liegt man jedoch ab 2026 klar über diesen gewünschten Minusobergrenzen). «Das heisst: Im jeweiligen konkreten Budgetprozess wird die Politik gezielt gegensteuern müssen. Der politische Druck aufs Sparen und aufs massvolle Ausgeben wird also auch in Zukunft zweifellos vorhanden sein», machte Roberto Di Nino klar, der den Medien sein letztes städtisches Budget präsentierte. Wegen Amtszeitbeschränkung muss der SVP-Gemeinderat per Ende 2024 zurücktreten.
Fazit
Kurz zusammengefasst: Trotz vieler zwingend notwendiger Investitionen in bestehende und neue Infrastrukturen hat die Stadt Langenthal voraussichtlich auch nach 2029 noch genügend Eigenkapital auf der Seite. Sie tut aber weiterhin gut daran, sachte mit ihren Finanzen umzugehen und wie vorgesehen Massnahmen einzuleiten und umzusetzen, damit spätestens ab 2035 eine ausgeglichene Rechnung mit gesundem Kerneigenkapital präsentiert werden kann. Übrigens: Die Stadt rechnet auch für 2025 mit einer unveränderten Steueranlage von 1,44 Einheiten sowie einer Liegenschaftssteuer von 1,00 Promille.
Von Patrick Jordi