Das «Grütli» bleibt ein Fixpunkt im Dorf
Viel Zeit blieb Doris und Markus Zürcher vom Restaurant Grütli in Wasen nicht, um sich während der Corona-bedingten Schliessungszeit eine Alternative einfallen zu lassen. Doch sie reagierten blitzschnell und eröffneten ein inzwischen gut funktionierendes Take-away und einen Hauslieferdienst. Nicht nur das: Dem Dorf ist ein kleines Stücklein Normalität erhalten geblieben. Leute sprechen zusammen und sehen sich, wenn auch nur aus der Ferne.
Wasen · «Ich finde es wichtig, dass ihr mit Take-away weitermacht. So kann man sich doch etwa noch zuwinken, und für unsere Dorfgemeinschaft bleibt ihr auch so noch ein guter Fixpunkt. Ich wünsche euch viel Kraft und Ausdauer für diese spezielle Zeit.» Es waren, frei übersetzt aus dem Mundartdialekt, die Worte, mit welchen Gemeindepräsident Fritz Kohler die Anfrage von Doris und Markus Zürcher unterstützte. «Es tat so gut und hat uns ermutigt», blickt Doris Zürcher im Gespräch mit dem «Unter-Emmentaler» auf den 17. März zurück. Es war der Tag eins nach dem «Lockdown».
Die bundesrätliche Verordnung am Montag, 16. März, ab Mitternacht bis mindestens am 19. April alle Läden, Restaurants, Bars sowie Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe ausgenommen unter anderem Lebensmittelläden und die Gesundheitseinrichtungen zu schliessen, traf auch in der Region zahlreiche Betriebe. Mit der rasanten Ausbreitung des Coronavirus und den fortlaufend verschärften Verordnungen durch den Bundesrat haben sie es kommen sehen.
Doch die Tatsache, dass von einem Tag auf den anderen das öffentliche Leben und weitgehend auch die sozialen Kontakte lahmgelegt wurden, ist einschneidend. Vielerorts greift man seither zu Alternativen, nicht zuletzt mit Online-Angeboten.
Einstellen auf die neue Situation
Auch im «Grütli» stellte man sich von einem Tag auf den andern auf die neue Situation ein. Weniger online als viel mehr physisch, um dem Dorf ein kleines bisschen Normalität aufrecht zu erhalten. Es sei schleichend und unaufhaltsam gekommen, blickt Doris Zürcher zurück. Erst die immer besorgniserregenderen Meldungen aus dem Aus- und bald auch aus dem Inland, dann das Versammlungsverbot für mehr als 1000 Teilnehmende, dann für über 50 Teilnehmende … «Zwei grössere Events wurden in der zweiten Märzwoche bereits abgesagt, und wir mussten unsere Gäste nun zählen, damit wir die Regelung einhalten konnten. Wir wussten: ‹Jetz wird’s ärnscht›.»
«Wir spürten die Angst der Menschen»
Schon Tage vor der verordneten Schliessung brachen die Gästezahlen ein. «Wir spürten die Angst der Menschen, sahen, dass sie sich anders zu organisieren begannen und überlegten, abends nicht mehr zu öffnen.» Die Mittagsmenüs seien noch recht gut gelaufen. Am 16. März um 17 Uhr informierte der Bundesrat über den Lockdown, um 20 Uhr dann Doris und Markus Zürcher ihr Personal.
Aber schon am vorhergehenden Wochenende hatte Markus Zürcher zu seiner Frau gesagt: «Chumm, de mache mers doch de so, dass d Gescht ds Ässe chöi cho hole.»
Nun begann das Abklären. Umgehend folgte der ermutigende Bescheid des Gemeindepräsidenten. Akribisch klärte Doris Zürcher zudem durch das BAG (Bundesamt für Gesundheit) ab, wie die Essensausgabe zu erfolgen hatte. Von Anfang an entschieden die Zürchers, dass niemand ausser ihnen das «Grütli» mehr betreten würde.
Die Kunden bestellen seit anfangs der letzten Woche das Mittagsmenü per Telefon oder E-Mail. Sie erhalten die «Zeit», wann sie es abholen können, denn die Auflage ist, dass sich nie mehr als vier Personen und nur mit dem nötigen Abstand auf dem Platz aufhalten. Sind die Kunden da, wird eine Gemüsekiste mit dem Essen ins offene «Lädeli» gestellt.
Die Bezahlung erfolgt durch Rechnung. Kommen die Kisten zurück, laufen diese auf direktem Weg durch die Abwaschmaschine.
Hauslieferdienst
Zum Takeaway gehört auch ein Hauslieferdienst in Wasen. Wer seine Wohnung nicht mehr verlassen sollte, wird vom «Grütli» an der Haustüre bedient. Menü hinstellen – klingeln, und der Kunde kann sein Menü gefahrlos hineinholen.
Die ersten Erfahrungen zeigen Doris und Markus Zürcher, wie stark die Bevölkerung an diesem sozialen und auch versorgungstechnischen «Strohhalm» hängt. Gingen am ersten Tag zwölf Menüs über das Fensterbrett, waren es Ende der letzten Woche schon gegen 50. Bereits ist das Ehepaar Zürcher wieder auf Hilfe angewiesen, damit der Lieferdienst pünktlich erfolgen kann und die Hygienemassnahmen gewährleistet sind.
«Man ‹möögge› sich aus der Ferne zu. Aber es ist gleichwohl schön, die Leute so zu sehen und zu hören», freut sich Doris Zürcher. Es schaffe ein ganz kleines bisschen Normalität. Das «Grütli» bleibt damit auch in der Krisenzeit ein Ort, wo Gastfreundschaft gelebt und verstanden wird – auf Distanz. Ein «Aufsteller» für die Menschen im Dorf ist es allemal.
Gut zu wissen
Mehr zum Angebot: www.gruetli.ch oder Tel. 034 437 15 80. Takeaway wird zurzeit auch im Restaurant Rössli, Wasen, jeweils von Montag bis Samstag, 9.30 bis 20.30, angeboten.
Von Liselotte Jost-Zürcher