• Seit über 300 Jahren ist der «Bären» markanter Fixpunkt im Stadtbild von Langenthal. Doch in Zeiten von Corona «ist das Haus eine richtige Geldvernichtungsmaschine», sagt die stellvertretende Direktorin Sandra Guyaz. · Bild: Walter Ryser

  • Sandra Guyaz führt als «Krisenmanagerin» das Hotel Bären durch die Pandemie. · Bild: Walter Ryser

28.04.2020
Langenthal

Das Hoffen auf die Bankett- und Eventsaison

Seit mehr als 250 Jahren nimmt das Hotel Bären sowohl architektonisch wie auch vom gesellschaftlichen Leben her betrachtet eine dominierende Stelle im Zentrum von Langenthal ein. Eine Rolle, die durch die anhaltende Corona-Pandemie gefährdet ist, wie ein aktueller Blick hinter die Türen des mächtigen Hauses zeigt.

Langenthal · Sie ist die «Krisenmanagerin» schlechthin. Im Spätherbst musste sie unvermittelt die Leitung des Hotels übernehmen, nachdem Direktor Bernard Raemy erkrankte und seither ausfiel. Nur wenige Wochen später folgte der coronabedingte Lockdown. Sandra Guyaz, seit 2016 stellvertretende Direktorin im «Bären», ist in dieser Zeit wahrlich nicht zu beneiden.
«Ich lasse mich nicht so schnell aus der Ruhe bringen und bleibe auch in dieser schwierigen Phase unseres Unternehmens relativ ruhig», entgegnet sie darauf. Klar, angespannt sei auch sie, eine gewisse Unruhe sei nicht zu leugnen, «vor allem die Ungewissheit, wie es weitergeht, nagt», bestätigt die 42-jährige Langenthalerin, die seit 2012 zum Bären-Team gehört, wo sie anfänglich für sämtliche administrativen Belange zuständig war.
Mittlerweile ist sie für alle Belange zuständig. Eine gewaltige Aufgabe, wie sie bestätigt. Der «Bären» beschäftigt nicht weniger als 66 Angestellte, die für einen Hotelbetrieb mit 37 Zimmern, fünf Loftwohnungen, Restaurant-, Seminar- und Veranstaltungsbereich zuständig sind.

Ausfälle in der zweiten Jahreshälfte befürchtet
Vereinzelte Hotelgäste, im Schnitt etwa acht pro Woche, beherbergt der «Bären» aktuell, der restliche Betrieb ist komplett stillgelegt. Die Situation sei sehr schwierig, sagt Sandra Guyaz mit dem Verweis auf die laufenden Kosten, die pro Monat rund 160 000 Franken betragen. Man habe alle möglichen Register gezogen, Kurzarbeit und einen Überbrückungskredit beantragt. Zudem sei man in der glücklichen Lage, über die richtige Versicherung zu verfügen, die einen gewissen Teil der pandemiebedingten Ertragsausfälle decke. Damit verschaffe man sich etwas Luft. «Aber das Haus ist eine richtige Geldvernichtungsmaschine», sagt Sandra Guyaz mit Blick auf das mächtige Gebäude. Ein Grossteil der erwirtschafteten Mittel würden deshalb jeweils direkt wieder in das Gebäude und seine Infrastruktur gesteckt und diene dem Erhalt des Traditionshauses.
Trotz den eingeleiteten Massnahmen könne man diese Situation nicht allzu lange aushalten, zumal man in der aktuellen Lage auch den verschiedenen Ladenbesitzern im Gebäude einen Grossteil der Mieten erlassen habe und in diesem Bereich ebenfalls Einnahmeausfälle verzeichne.

Schwacher Lichtblick
Dass die Restaurants in absehbarer Zeit wieder ihren Betrieb aufnehmen können, ist für Sandra Guyaz nur ein schwacher Lichtblick. Die Hoteldirektorin ad interim macht klar, dass das Überleben des «Bären» nicht vom Restaurantbetrieb abhängt. «Der Hotelbetrieb, der gesamte Seminar-, Event- und Veranstaltungsbereich ist unsere Lebensader. Wir sind darauf angewiesen, dass die Bankett-Saison, die angekündigten Hochzeiten sowie die zahlreichen Veranstaltungen und Anlässe in der zweiten Jahreshälfte stattfinden können», sagt die Mutter eines 16-jährigen Sohnes, wohl wissend, dass hier der Entscheid des Bundesrates nicht alleine ausschlaggebend sein wird. Sandra Guyaz befürchtet nämlich, dass man trotz Wiederaufnahme des Betriebes Ausfälle hinnehmen muss, weil sich bei vielen Firmen, Organisationen und Vereinen mittlerweile die Prioritäten verschoben haben und die finanziellen Ressourcen nicht mehr ausreichend vorhanden sind, weshalb man auf gewisse Veranstaltungen und Aktivitäten verzichten wird. Das bereitet ihr Sorgen: «Denn sollte dies der Fall sein, wird es für uns ganz schwierig», gibt sie zu verstehen.

Gewehr bei Fuss
So weit ist es aber noch lange nicht. Man unternehme alles, um den «Bären» wieder zum Laufen zu bringen, versichert sie und erwähnt, dass man bereit sei, den Betrieb wieder aufzunehmen. So habe man in den letzten Wochen einige kleinere Sanierungen, Umbauten und Installationen vorgenommen. Nichts Grosses, aber einige dringend nötige Anpassungen und Erneuerungen, betont Hoteldirektorin Sandra Guyaz. Aktuell stehe man Gewehr bei Fuss, bemerkt sie weiter und erzählt, dass man noch keine Schutzmasken für das Personal eingekauft habe. Sie sei dagegen, in Übereifer zu verfallen. «Ich warte ab, was der Bundesrat sagt und welche Vorschriften er erlässt, und danach versuchen wir, das umzusetzen.» Sie ist aber überzeugt, dass die Vorgaben nicht einfach zu «händeln» seien und dazu führen könnten, dass man zwar den Betrieb öffnen dürfe, aber nicht genügend Einnahmen generieren könne. «Die Fixkosten mit Personal, Infrastruktur und Waren werden von Anfang an in einem beträchtlichen Ausmass vorhanden sein, gleichzeitig stellt sich aber die Frage, ob man mit der beschränkten Anzahl an Gästen, die man bewirten kann, diese auch decken und allenfalls darüber hinaus noch etwas erwirtschaften kann.»

Gemerkt, dass etwas nicht stimmt
Dass sie nur wenige Wochen nach der Übernahme des Direktoren-Postens in eine solche Situation geraten könnte, hätte sie nie gedacht, sagt Sandra Guyaz. Nicht zuletzt, weil sie persönlich dem ganzen Corona-Geschrei lange Zeit nur wenig Beachtung geschenkt habe. Dabei gab es bereits zu Beginn des Jahres erste Signale, die darauf hindeuteten, dass etwas im Anmarsch ist. «Wir haben schon im Januar gemerkt, dass etwas nicht stimmt, blieben doch Zimmer-Buchungen aus und trafen zudem Stornierungen von ausländischen Hotelgästen, vorwiegend aus dem asiatischen Raum, ein, weil diverse Firmen ihre Leute nicht mehr nach Europa schickten.» Man habe jedoch vermutet, dass dies auch mit der Konkurrenz auf dem Platz Langenthal zusammenhängen könnte. «Nie hätte ich gedacht, dass die Corona-Welle so schnell und mit dieser Wucht auf unser Land überschwappen würde.»
Doch die Realität habe sie und ihr Haus innert kürzester Zeit eingeholt. Und dieser Realität will man sich im «Bären» stellen und damit das Überleben des Traditionshauses sichern, das Ende des 16. oder zu Beginn des 17. Jahrhunderts erbaut wurde und den Zinsleuten des Klosters St. Urban gehörte. Der heutige «Bären» ist 1766 durch Johannes Dennler, er war damals «Gerichtssäss «(«ein Gerichtsunterthan», Laienrichter), errichtet worden. 1929 erfolgte durch die Bären AG der grosse Umbau, der dem «Bären» sein heutiges Aussehen verliehen hat. «Der «Bären» ist heute und war es schon in den letzten Jahrhunderten ein beliebter Treffpunkt. So trafen sich hier beispielsweise 1826 Johann Heinrich Pestalozzi und Schriftsteller Jeremias Gotthelf, und sogar der berühmte amerikanische Autor J. F. Cooper wurde in diesem Hause beherbergt.

Von Walter Ryser