Das Hoffen auf einen Nachfolger
Die Käserei Rätschen ist in der hintersten Ecke der Gemeinde Huttwil zu finden. Sie ist – neben der Käserei Tschäppel – noch die einzige in der Gemeinde, welche Käse produziert. Vor 50 Jahren waren es noch sechs Käsereien, welche Laibe produzierten. Mehr und mehr verschwanden die kleinen Käsereien. Nichtsdestotrotz – Käser Georg Steffen stellt fleissig Käse her. In absehbarer Zeit jedoch wird er pensioniert, und er hofft, einen Nachfolger zu finden.
Der 59-jährige Käser, der in den letzten 40 Jahren unzählige Käselaibe produziert hat, wohnt direkt über der Käserei. «Dies ist gäbig», sagt Georg Steffen lachend, denn um 4.15 Uhr beginnt sein Arbeitstag. Gleich vorweg: Für ein Kilogramm Emmentaler AOP sind zwölf Liter Milch nötig. Die Frischmilch wird von den Bauern jeweils morgens und abends in die Käserei Rätschen gebracht. Bei der Einlieferung wird die Milch auf ihre Qualität überprüft und gewogen. Für die Herstellung von Emmentaler AOP wird noch immer das Originalrezept von 1813 verwendet. Unter ständigem Rühren wird die Milch auf 32 Grad erwärmt. Danach werden ausgewählte Bakterienkulturen und das Lab beigemischt. Die Bakterien bewirken die Gärung und Reifung des Käses. Das Lab lässt die Milch gerinnen. Nach 40 Minuten ist die Milch geronnen und sieht aus wie ein stichfestes Joghurt.
Die persönliche Käsereimarke 3274
Die Käseproduktion ist geräuschvoll – umso lauter stellt daher der Käser seinen Lieblingssender, die SRF Musikwelle. Georg Steffen schneidet nun die sogenannte Gallerte mit der Käseharfe in kleine Würfel. Die verschnittene Gallerte, der sogenannte Käsebruch, ist ein Gemisch aus Käsekörnern und wässriger Molke. Um noch mehr Flüssigkeit aus den Körnern zu ziehen, erwärmt Steffen den Käsebruch auf gut 52 Grad. Nach dem Ausrühren wird der Bruch in die Pressformen abgefüllt – alles geschieht vollautomatisch. Diese geben dem Käse die Form und Grösse. Vor dem Pressen drückt er die Käsereimarke, die 3274, als Laibetikette auf den frischen Käse. So ist die Rückverfolgbarkeit des Käses gewährleistet. Jetzt wird der Frischkäse für rund 20 Stunden gepresst. Die automatische Wendepresse wendet den Käse mehrmals. Die überschüssige Molke fliesst ab. Diese wird von der Gefu Swisskalb AG abgeholt. Daraus entsteht Mastpulver für Kälber.
Die Löcher entstehen im Keller
Am nächsten Morgen gelangt der noch junge Käselaib für zwei Tage ins Salzbad. Hier nimmt der Käse Salz auf und gibt Wasser ab, die Rinde beginnt sich zu bilden. Dann werden die Käselaibe für mindestens 120 Tage im Käsekeller gereift. Dabei entstehen die bekannten Löcher im Emmentaler. Durch die Gärung im Käse entsteht Kohlensäuregas, welches nicht entweichen kann und deswegen Löcher in den Käse drückt. Während dieser Zeit wird der Käse regelmässig gepflegt und kontrolliert. Nach frühestens drei Monaten werden die Käse abgeholt und bei «Emmi» im Käselager weiter gepflegt. Der Laib wiegt dann zwischen 75 und 120 kg. Der Emmentaler mit seiner trockenen Rinde benötigt ganz andere klimatische Bedingungen als beispielsweise der Tilsiter. Deshalb ist der Käsekeller klimatisiert. 250 Laibe lagern in den Kellern der Käserei Rätschen. Ein ganz besonderer Stolz von Georg Steffen: «Jeden Abend in den Keller zu gehen und die handwerkliche Arbeit zu bestaunen, das macht mich besonders stolz.»
14 Bauern liefern Milch
Momentan liefern 14 Landwirte die Milch in die Käserei Rätschen. An einem Tag erreicht die Käserei so über 3000 Liter Milch. Das heisst, es wird mehr Milch angeliefert, als er für die Produktion des Emmentalers benötigt wird. Durch die Aufhebung der Milchkontingentierung vor ein paar Jahren sei das Problem nicht gelöst, sondern lediglich verlagert worden, sagt Steffen. Die Käser haben nämlich ihrerseits eine Vorgabe ihrer Sortenorganisationen, wie viel Käse sie produzieren dürfen. Und damit standen viele Käser vor der Frage, wie die zu viel angelieferte Milch sinnvoll verwertet werden kann. In der Käserei Rätschen entstehen zwischen 15 und 21 Laibe die Woche. Die überschüssige, die sogenannte Einschränkungsmilch, wird von einem Chauffeur abgeholt und geht an die «Aaremilch» weiter, wo sie als A-, B- oder C-Milch segmentiert wird. Eine weitere Lösungsvariante ist die Bauern in die Käserei Tschäppel zu schicken, dort wurde eine Betriebsgemeinschaft gegründet.
Am 15. August 1851 wurde in der Käserei Rätschen mit Käsen begonnen. Im Jahr 1955 waren es noch 32 Milchlieferanten, bis heute hat sich die Zahl mit 14 Milchlieferanten mehr als halbiert. Dennoch wird mehr Milch in die Käserei gebracht als früher. Im letzten Jahr kamen 1 327 683 Kilogramm Milch an. Die Landwirte dürfen ihren Kühen kein Silo füttern. Diese Milch kann man nicht zu Hartkäse verarbeiten, wegen den Buttersäuresporen, die den Käse aufblähen würden.
Georg Steffens Vater hat bereits die Käserei in Ettiswil geführt, und auch er war vom Handwerk begeistert. Mit 15 Jahren begann er seine Lehre als Käser, damals wog der «Jüngling» 49 Kilogramm und hatte keine Chance, die schweren Laibe selbstständig zu wenden. Seit 20 Jahren nun führt und betreibt er die Käserei Rätschen als Ein-Mann-Betrieb und mit Hilfe seiner Mutter, die viele anfallende Aufgaben in und um die Käserei erledigt. Georg Steffen ist von der Käsereigenossenschaft Rätschen angestellt, welche durch 14 Landwirte gebildet wird. Er ist zugleich auch der 14. Käser seit 1851. Zwar betreibt Georg Steffen keinen offiziellen Laden, dennoch verkauft er diversen Käse, Joghurt und Milch. Er hofft, dass das traditionelle Handwerk auch in kleinen Käsereien noch lange weiter betrieben werden kann. In einigen Jahren wird Georg Steffen pensioniert, bis dann hofft er den geeigneten Nachfolger gefunden zu haben. Es werde keine leichte Aufgabe – vor allem in der heutigen Zeit nicht. Noch bleibt ihm etwas Zeit, damit sein Wunsch – die Weiterführung der Käserei Rätschen – Erfüllung findet. Und weiter müssen auch die Genossenschafter der Käserei ihre Milch weiterhin zu AOP-Emmentaler verarbeiten wollen.
Von Yanick Kurth