• Verleger Daniel Gaberell mit der jüngsten Ausgabe des Jahrbuchs Obergaargau. · Bild: Liselotte Jost-Zürcher

16.11.2018
Huttwil

Das neuste Jahrbuch Oberaargau mit einer Sonderbeilage

Die 61. Ausgabe des Jahrbuchs Oberaargau ist getauft. Der Anlass mit fast 90 Teilnehmenden fand in Huttwil im historischen Lokomotivdepot des VHE (Verein Historische Eisenbahn Emmental) und anschliessend im Restaurant Bahnhof statt. Das Buch mit Beiträgen von 15 Autorinnen und Autoren, mit dem von Max Hari gestalteten Umschlag und einem Sonderband über den Streik der Huttwiler Eisenbahner im Vorfeld des Landesstreiks 1918, ist seit letztem Freitag im lokalen Buchhandel und auf

Bestellung erhältlich.

Nicht von ungefähr fand im Anschluss an die Vereinsversammlung der Jahrbuch-Vereinigung des Oberaargaus die überaus gut besuchte Buchtaufe im historischen Lokomotivdepot des VHE in Huttwil statt. Das Depot beim Bahnhof Huttwil stammt noch aus der Bauzeit der Langenthal-Huttwil-Bahn und konnte im Laufe des Bahnhof-Neubaus 2015 nur dank viel Engagement des VHE erhalten werden. Heute dient es als Werkstatt des VHE, wobei der hintere Teil in seinem ursprünglichen, über 100-jährigen Zustand belassen wurde. Im Rahmen seiner Sanierung von 2014 bis 2016 erhielt das Depot seine einstige Farbe zurück. Ebenso wurde das angebaute eigentliche Depot farblich aufgefrischt, das 1947 die erste Erweiterung von 1920 ersetzte. Vor den Versammelten blickte Marco Schaffer, Präsident des VHE, auf die bewegte Eisenbahngeschichte der Region Huttwil zurück.

Streik in einer bewegten Zeit
Viel intensiver und aus dem Aspekt des sich zum 100. Mal jährenden Huttwiler Eisenbahnerstreiks tut dies der Huttwiler Lokalhistoriker Jürg Rettenmund im Rahmen eines 50-seitigen Sonderbands im neuen Jahrbuch des Oberaargaus. Unzählige Stunden hat Jürg Rettenmund in Archiven recherchiert, um die Verzweiflung und gleichzeitig den starken Willen der Eisenbahner aufzuzeigen.
Es war eine bewegte Zeit. In der Schweiz stand der Landesstreik 1918 bevor, und von der grassierenden Spanischen Grippe, die weltweit Millionen Menschen dahinraffte, wurde in der zweiten Welle auch die Schweiz nicht verschont. Der Erste Weltkrieg ging dem Ende entgegen. Trotz allen diesen Widerwärtigkeiten gingen die Eisenbahner in der Region Huttwil vom 8. bis 12. September 1918 in den Streik für bessere Löhne.
Der Umfang von Jürg Rettenmunds spannenden Aufzeichnungen hätte den gewohnten Rahmen des Jahrbuchs bei weitem gesprengt.
So entschieden sich Redaktion und Verlag für einen Sonderband und damit für eine ungekürzte Fassung seiner Aufzeichnungen, «was mich sehr freut», wie der Autor im alten Lokomotivdepot meinte.Die 1957 gegründete Jahrbuch-Vereinigung bildet eine Gesellschaft von Freunden oberaargauischer Geschichte und Heimatkunde. In aufwändig erstellten Jahrbüchern stellt sie das ganze Gebiet des Verwaltungskreises Oberaargau – ehemals die Amtsbezirke Wangen und Aarwangen sowie im oberen Langetental die Region Huttwil im Amtsbezirk Trachselwald – dar und vertieft damit spannende Aspekte der regionalen Geschichte. Das erste Jahrbuch erschien 1958. In bisher vier, oder mit Jürg Rettenmunds Streik der Huttwiler Eisenbahner nun fünf Sonderbänden sind einzelne Themen vertiefter dargestellt worden. Die älteren Sonderbände sind nur noch teilweise erhältlich.
Das aktuelle 61. Jahrbuch Oberaargau berührt unter anderem den zehnten Todestag des Oberaargauer Architekten und Schriftstellers Gerhard Meier (Richard Kölliker); das 20-Jahr-Jubiläum des Kulturzugs «In 80 Tagen um den Napf» (Ueli Reinmann); Gasthof «Zum Weissen Rössli» in Hermiswil, einer Sozialgeschichte ab dem 17. Jahrhundert über acht «mittelständische» Familien von Theres Rentsch-Senn. Die Mitglieder der Familie Mühlethaler, die beinahe 100 Jahre lang im «Weissen Rössli» gewirtet haben, sind Vorfahren ihres Mannes väterlicherseits. «Triumph des Unsinns» des 1995 verstorbenen Hans Werner Hirsch (unter dem Pseudonym Peter Surava) ist ein Beispiel brisanter und unerschrockener nationalpolitischer Berichterstattung in ständigen Konflikten mit der Zensurbehörde, illustriert mit vielsagenden Bildern des 1953 verstorbenen Fotografen Paul Senn.
Der Umschlag zeigt eine Wandtafelzeichnung von Max Hari, «b.st.l» (bitte stehen lassen), zu welchem der Künstler auch die Geschichte verfasst hat.
15 umfangreiche Beiträge in der 61. Ausgabe des Jahrbuchs Oberaargau decken weitgehend unbekannte Geschichten und Aspekte auf, jüngere und ältere, die zu lesen und zu schauen es sich lohnt.

Von Liselotte Jost-Zürcher