Dem SC Langenthal droht der Fall aus den Top-Vier
Kommentar
Eishockey · Der SC Langenthal hat in dieser Sommerpause nicht alles richtig gemacht. Während in der Swiss League die Erwartungen vielerorts gross sind – Olten und Kloten wollen aufsteigen, La Chaux-de-Fonds will endlich wieder vorne mitmischen und Ajoie ist gefährlich wie eh und je – hat auch der SCL, getreu der Vereinspolitik gesagt: Wir wollen besser sein als letztes Jahr. Besser sein als letztes Jahr ist immerhin die Finalqualifikation. Und sind wir einmal ehrlich: Wer will denn schon einen Final verlieren?
Grundsätzlich ist das richtig und gut. Nur wer sich grosse Ziele steckt, arbeitet auch daran, solche zu erreichen. Eines aber ist und bleibt ein Fakt: Ein handelsüblicher VW Polo wird einen Lamborghini bei einem Strassenrennen über unsere Schweizer Passstrassen nicht besiegen können. Vielleicht ist er in einzelnen Abschnitten schneller. Weil er klein, leicht und wendig ist. Aber selbst wenn der Lamborghini-Fahrer mehr Kaffeepausen einlegt als der VW-Fahrer wird er über eine lange Distanz – und das ist eine Eishockeysaison – das Rennen nicht gewinnen können.
Dieser Vergleich lässt sich gut auf den SC Langenthal übertragen. Ich will den Kader keineswegs schlechtreden. Er kann mit den grossen Teams in dieser Liga – ohne Verstärkungen – aber nicht über die ganze Saison mithalten. Seit dem Meistertitel 2017 haben die Oberaargauer zweimal mehr starke Spieler verloren, als sie dazutransferiert haben. Das hinterlässt Spuren. Der SCL 2018/2019 ist weniger gross, weniger kräftig, ja selbst technisch weniger gut als die meisterlichen Ausgaben von 2012 und 2017. Und Spieler die «nur» Potenzial haben gewinnen keine Titel. Es klappt einzig mit talentierten Akteuren, die dieses mit passenden Fortschritten auch beweisen.
Meine Einschätzung können wir nun auf zwei Arten deuten. Entweder war es falsch, davon zu sprechen einen weiteren Schritt nach vorne zu tätigen und den Final im kommenden Jahr zu erreichen. Eher aber lässt die Kaderzusammenstellung für die laufende Saison zu viele Wünsche übrig. Spieler, die ich gerne aus unterschiedlichen Gründen beim SC Langenthal gesehen hätte, spielen bei Kloten (Nicholas Steiner, Philippe Seydoux, Fabian Ganz), La Chaux-de-Fonds (Philipp Wetzel), Olten (Roland Gerber, Tim Grossniklaus) oder sind sogar zurückgetreten (Gian-Andrea Randegger). Vielleicht fehlte dem SC Langenthal das Geld, einen solchen Transfer zu tätigen. In diesem Fall lasse ich eine andere Frage im Raum stehen: Wieso sind heute Spieler zu teuer, die vor zwei Jahren noch ins Budget passten, obwohl die Spieler in dieser Zeit wahrscheinlich kaum markant teurer wurden?
Für die SCL-Fans gibt es aber dennoch Grund zur Hoffnung. Vorläufig werden mit Aurélien Marti (vom SC Bern) und Flurin Randegger (von den SCL Tigers) zwei Spieler das SCL-Trikot tragen, welche Masse und Klasse mitbringen. Bleibt mindestens einer auch in den Playoffs, sieht die Situation anders aus. Gelingt es den Verantwortlichen vor den Playoffs auch in der Offensive einen solchen Top-Spieler zu verpflichten, sehen die Aussichten für den Frühling deutlich sonniger aus.
Was fehlt, ist jetzt nur noch ein herausragender Marco Mathis – in den Testspielen liess der Keeper positiv aufhorchen – und ein kleines Wunder. Wenn nämlich der unerwartete Fall eintritt, dass Jeff Campbell fit wird und aufs Eis zurückkehrt, wird der SCL einen zweiten Frühling seiner Hundert-Jahre-Linie erleben. Auch sonst würde diese Rückkehr innerhalb der Mannschaft Berge versetzen. Mit den richtigen Transfers hätten wir dann nicht nur Wasserverdrängung, Tempo, starke Schweizer und einen guten Torhüter, sondern schlicht und einfach die beste NLB-Angriffslinie weit und breit.
Wenn ich heute auf das Kader blicke, fehlt mir die Zuversicht. Zu viel basiert auf der Hoffnung, dass gleich mehreren Spielern die entscheidenden Fortschritte gelingen. Zu viel basiert auf dem campbellschen Wunder. Ohne die angesprochenen Veränderungen sehe ich nur ein mögliches Resultat: Der SC Langenthal fällt aus den Top-Vier und vielleicht droht Anfang März bereits das Saisonende.
Von Leroy Ryser