Den Ehrlichen beissen die Hunde
Gerade zur Sommerferienzeit wäre ihr Dienst besonders gefragt gewesen: Von 2011 bis im Februar dieses Jahres betreute Ursula Kocher-Bracher im eigenen Haus in Sumiswald über 250 Hunde während der Abwesenheit derer Herrchen. Doch mit dem Umzug nach Huttwil ging dieses Kapitel zu Ende.
Hunde sind ihre Leidenschaft, das wird im Gespräch mit Ursula Kocher-Bracher schnell klar. Aufgewachsen ist Kocher-Bracher auf einem Bauernhof in Dürrenroth, später gründete sie eine Familie in Sumiswald und 2011 eröffnete sie ihre eigene kleine Hundepension. Dort betreute sie während Ferien und Reisen die Hunde anderer und hielt jeweils selbst Hunde.
«Wir hatten es mit den Nachbarn immer gut, obschon wir mitten im Quartier wohnten», weiss die Tierbetreuerin zu erzählen. Mit der wachsenden Pension konnte sie sich eine Existenz aufbauen, bezahlte Steuern und AHV, besuchte Weiterbildungen und war mit dem kantonalen Veterinäramt stets in Kontakt. 2017 fand sie auf der Schonegg bei Sumiswald schliesslich ein Trainingsgelände, auf dem sie seit da Hunde-Coachings anbietet (www.wolke7.dog, der «UE» berichtete).
Unheil bahnte sich früh an
Im Februar dieses Jahres folgte ein krasser Einschnitt in ihr Leben: Nach der Trennung von ihrem Mann zog sie mit ihren eigenen drei Hunden nach Schwarzenbach und richtete sich dort häuslich ein. Kurz darauf erkundigte sie sich bei der Bauverwaltung bezüglich der notwendigen Baubewilligung, um ihre Hundebetreuung weiterzuführen: «Ich plante, den Garten einzuzäunen und wollte meiner Stammkundschaft möglichst schnell wieder meine Dienste anbieten, denn mein neuer Wohnort würde sich dazu vorzüglich anbieten.»
Vorsorglich holte sie sich von allen neuen Nachbarn eine schriftliche Einwilligung und legte diese zusammen mit Referenzen aus Sumiswald dem Baugesuch bei, in der Hoffnung, möglichst bald wieder ein bis fünf Hunde betreuen zu können. Für Kocher-Bracher kam es dann anders als erwartet.
Die Huttwiler Bauverwaltung prüfte das Baugesuch anschliessend formell und materiell.
Keine Tierbetreuung in der Wohnzone
In einer ersten Antwort stellte die Amtsstelle fest, dass die gewerbliche Hundebetreuung in der Wohnzone schwierig, wenn nicht unmöglich würde. Denn die kantonale Bauverordnung verbietet die Neueinrichtung der gewerblichen Tierhaltung in der betroffenen Zone komplett.
«Frau Kocher-Bracher kann nun den Rechtsweg begehen und eine Zwischenverfügung verlangen, das Baubewilligungsverfahren trotz schlechter Aussichten fortsetzen oder eine Hundepension an einem andern Ort in einer anderen Zone einrichten», erläutert der Leiter der Huttwiler Bauabteilung, Beat Rickenbacher, den Stand des Verfahrens.
Doch Kocher-Bracher sah, dass der Wunsch, ihre Hundepension weiterzuführen, sich wohl kaum zonenkonform an ihrem Wohnort in Schwarzenbach umsetzen lassen würde. Sie steckte viel Herzblut und Geld in ihre Selbstständigkeit. Neben der mehrwöchigen Ausbildung zur Tierbetreuerin FBA in der Ostschweiz, Seminare zur Hundetrainerin in Berlin und der Weiterbildung zum systemischen Coaching baute sie sich einen grossen und treuen Kundenstamm auf.
Schwarze Schafe
All diesen Kunden teilte sie nun mit, dass sie ihre Tierpension aufgeben würde. Für sie kommt der wohl steinige und schwierige Weg zu einer Baubewilligung nicht in Frage, zu gering sind für sie die Aussicht auf Erfolg. Und doch lässt Kocher-Bracher die Geschichte nicht los, denn sie fühlt sich mit der Situation unzufrieden. «Überall werden Hunde betreut und das von Leuten, die weder eine Ausbildung haben, noch ihre Dienste zonenkonform anbieten!», nervt sie sich. «Im Internet stösst man auf Dutzende von Anzeigen von angeblichen Hundebetreuern, die sogar gleichzeitig Babysitting anbieten, aber sicherlich nicht alle ihre Einnahmen versteuern und die AHV abrechnen.»
Tatsächlich: Eine kurze Suche im Internet zeigt, dass es alleine in Huttwil über ein Dutzend potenzielle Tierbetreuer gibt, die ihre Dienste anbieten. «Ich würde meine Hunde nicht jedem anvertrauen», erzählt Kocher-Bracher. «Und schon gar nicht, wenn deren einzige Qualifikation ist, bereits mit Hunden Kontakt gehabt zu haben.»
Jetzt an einem Tankstellenshop
Auch die Bauverwaltung Huttwil weiss, dass es unter den Tierbetreuern schwarze Schafe gibt: «Wir bemühen uns, alle mit gleichen Ellen zu messen und bringen nicht zonenkonforme Gewerbe zur Anzeige. Wir können aber nicht alles sehen und sind auch auf Beobachtungen von aussen angewiesen», erklärt der Leiter der Bauabteilung, Beat Rickenbacher. «Ich denke aber, dass wir einen Grossteil der Verstösse gegen die Bauvorschriften ahnden können. Natürlich sind wir froh um alle Bürgerinnen und Bürger wie Frau Kocher-Bracher, die ihr Vorhaben vorgängig prüfen lassen, auch auf die Gefahr hin, dass ihr Vorhaben nicht bewilligt werden kann.»
Ein fahler Beigeschmack bleibt: Kocher-Bracher hat ihre Selbstständigkeit aufgegeben und arbeitet nun an einem Tankstellenshop. «Es ist Arbeit, verglichen mit vorher aber alles andere als mein Traum.»
Ihr bleiben die eigenen Hunde und der Übungsplatz auf der Schonegg, welchen sie mit Herzblut pflegt und weiterhin Seminare für Hunde und deren Halter bietet. Alles zonenkonform, versteht sich.
Von Patrik Baumann