«Den ‹Nöwö› zu Hause zu lassen, ist schwierig»
Der 48-jährige Roland Gehrig vom Schwingklub Sumiswald ist technischer Leiter des Bernisch Kantonalen Schwingerverbandes.
Er hat entschieden, welche 32 Berner Schwinger am «Unspunnen» antreten dürfen. Neben einfachen gab es auch schwere Entscheide. So muss er beispielsweise seinen «Nöwö» und Vereinskollegen Konrad Steffen, Kranzschwinger vom letzten ESAF, zu Hause lassen.
Schwingen · Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Roland Gehrig, technischer Leiter Bernisch Kantonaler Schwingerverband
Der gebürtige Heimisbacher Roland Gehrig, der in Matten bei Interlaken im Berner Oberland lebt, hat im Januar 2020 das Amt als technischer Leiter beim Bernisch Kantonalen Schwingerverband übernommen. Der 48-Jährige gewann in seiner Schwingkarriere, die er 2004 beendete, 45 Kränze. Zu seinen grössten Erfolgen zählte unter anderem das eidgenössische Eichenlaub im Jahr 1998 in Bern. Roland Gehrig, Mitglied beim Schwingklub Sumiswald, hat die Selektion der 32 Schwinger und drei Ersatzschwinger vorgenommen, welche am Jahreshöhepunkt, dem Unspunnen-Schwinget von Ende August in Interlaken, für den Kanton Bern im Einsatz stehen.
Roland Gehrig, wie weit weg vom Unspunnen-Schwingplatz leben Sie mit Ihrer Familie?
Ich kann zu Fuss gehen. Der Platz ist nur 300 m entfernt.
Der «Unspunnen» – nur alle sechs Jahre im Schwingerprogramm – ist auch für Sie etwas ganz Besonderes.
Auf jeden Fall, wenn man so nahe dran ist. Als technischer Leiter eines Verbandes dieses spezielle Fest zu erleben, nachdem ich es als Schwinger 1993 und 1999 selber bestritten habe und später jeweils beim Aufbau mitgeholfen habe, ist wunderbar.
Der Jahreshöhepunkt der Schwinger verlangte Ihnen im Vorfeld aber auch alles ab. Sie mussten aus 86 Berner Schwingern, die diese Saison mindestens einen Kranz gewonnen haben, 32 für den «Unspunnen» auswählen. Eine unglaublich schwierige Aufgabe.
Es geht. Im Verlauf einer Saison ist ziemlich genau zu erkennen, welches die Spitzenleute sind. Schwieriger war die Vergabe der letzten Plätze.
Wie sind Sie vorgegangen?
Ich musste zwischen ziemlich ausgeglichen starken Schwingern mit ähnlichen Ergebnissen entscheiden. Schwierig war auch der Umgang mit lange verletzten, arrivierten Kräften wie Kilian von Weissenfluh, Lukas Renfer oder Lorenz Berger. Ich musste entscheiden, ob ich zuversichtlich bin und ihnen eine Chance gebe oder eben nicht. Natürlich wurde intensiv diskutiert. Die achtköpfige Kommission – der Präsident, die sechs technischen Leiter der Gauverbände und ich – waren schlussendlich aber ziemlich einer Meinung. Den Schlussentscheid hatte aber ich zu treffen.
Vier regionale Athleten, allesamt vom Schwingklub Sumiswald, haben es ins Aufgebot geschafft. Was veranlasste Sie dazu, den 24-jährigen Nando Durrer und den erst 17-jährigen Fabio Hiltbrunner aufzubieten?
Durrer zeigte eine tolle Saison mit vielen Kranzgewinnen und stand nicht infrage. Hiltbrunner ist eine Zukunftshoffnung. Und mit seinem Glanzauftritt am Brünigschwinget hat er sich die Qualifikation verdient.
17 Berner «Eidgenossen» figurieren in ihrem Aufgebot. Mit Konrad Steffen vom Schwingklub Sumiswald fehlt aber ein Schwinger, der am «Eidgenössischen» in Pratteln im vergangenen Jahr den Kranz holte. Wie schwierig war es für Sie, Ihren Vereinskollegen, der 2023 bisher einen Kranz gewann, zu Hause zu lassen?
Schwierig. «Könu», den Sohn meiner Schwester, also meinen «Nöwö», nicht berücksichtigen zu können, ist nicht einfach. In meiner Funktion muss ich aber sportlich fair bleiben und richtig entscheiden. Es müssen beispielsweise sogar Schwinger mit drei gewonnenen Kränzen daheim bleiben.
Dafür steht sein zwei Jahre jüngerer Bruder Gustav Steffen im Aufgebot.
Bei «Güschtu» gab es keine Diskussion. Er hat eine konstant starke Saison gezeigt und sich die Nomination verdient. Er ist eine Teamstütze.
Der vierte Sumiswalder Schwinger am «Unspunnen» ist zugleich ein Mitfavorit. Was trauen Sie dem 85-fachen Kranzgewinner Matthias Aeschbacher zu?
«Disu» traue ich sehr viel zu. Er weiss genau, wie es an den grossen Festen läuft. Er ist in Form. Ich bin zuversichtlich.
Welcher Schwinger gewinnt den «Unspunnen» 2023.
Ein Berner, ganz klar. Mir ist egal, welcher.
Fabian Staudenmann?
Wenn man den Saisonverlauf anschaut, wäre er der logische Sieger. Wir Berner verfügen aber noch über zahlreiche andere Siegesanwärter.
Wird der verletzt angeschlagene Schwingerkönig Joel Wicki am Jahreshöhepunkt antreten können?
Ich gehe davon aus.
Und Samuel Giger? Wo sehen Sie den Mitfavoriten der Nordostschweizer?
Giger ist immer gefährlich. Er ist für die Berner Schwinger eine hohe Hürde.
Wie sieht Ihre Schlussgangpaarung aus?
Zwei Berner.
Unspunnen-Kader BKSV: Aeschbacher Matthias (Schwingklub Sumiswald); Berger Lorenz (Schwarzenburg); Burger Mathieu (Biel); Durrer Nando (Sumiswald); Gasser Dominik (Siehen); Gäumann Stefan (Zäziwil); Gerber Christian (Siehen); Gnägi Florian (Biel); Gobeli Patrick (Lenk); Graf Simon (Thun); Hiltbrunner Fabio (Sumiswald); Kämpf Bernhard (Thun); Ledermann Michael (Schwarzenburg); Moser Michael (Zäziwil); Orlik Curdin (Frutigen); Pirkheim Elias (Worblental); Renfer Lukas (Schwarzenburg); Roschi Ruedi (Niedersimmental); Roth Philipp (Aarberg); Schär Alex (Tavannes); Schwander Severin (Schwarzenburg); Sempach Thomas (Oberdiessbach); Staudenmann Fabian (Schwarzenburg); Steffen Gustav (Sumiswald); Thöni Ivan (Meiringen); Thöni Reto (Meiringen); Tschumi Lukas (Herzogenbuchsee); von Weissenfluh Kilian (Hasliberg); Walther Adrian (Worblental); Wenger Kilian (Niedersimmental); Wittwer Jan (Aeschi); Zaugg Lars (Siehen).