Denk Ma(h)l über die Wünsche der Kinder nach
Im Rahmen des Tages der Demokratie haben Kinder aus Langenthal und Umgebung Politikerinnen und Politikern in der Alten Mühle in Langenthal ihre Wünsche und Forderungen vorgestellt. Die Vorschläge wurden den Anwesenden im Anschluss vom Kinderbüro als Postulate überreicht.
Es sind nicht die Themen, die Erwachsene in der Regel von Kindern im Alter von 8 bis 13 Jahren erwarten, welche diese beschäftigen. Zwar wurden in den vorgängigen Treffen verschiedenste Ideen gesammelt, aber nicht alle schafften es in die Auswahl, um darüber zu diskutieren. «Der Tag der Süssigkeiten zum Beispiel wurde mit der Begründung, es gebe Wichtigeres, abgewählt», hielt Scarlett Eisenhauer, Leiterin des Kinderbüros in Lan-gen-thal, fest und fügte lachend hinzu: «Obwohl ich dem zugestimmt hätte.» Das Rennen machten unter anderem Themen wie sichere Strassen, Natur, Tierwohl, Müll und sogar Ärztemangel und Gendergleichberechtigung.
Mehr Bäume und Ärzte
Die Themen wurden in Sketchen auf der Bühne im Mühlesaal von Kindern kurz skizziert. Direkt im Anschluss daran und nach einer Pause hatten die 14 anwesenden Politikerinnen und Politiker verschiedenster Couleur die Möglichkeit, Fragen zu stellen. «Wo möchtet ihr mehr Bäume?», wollte eine Langenthaler Stadträtin wissen. Und ein Stadtrat erkundigte sich, wofür mehr Geld erwünscht sei. «Um mehr Bäume zu pflanzen, vor allem in den Städten», war die Antwort auf beide Fragen. «Im Dorf fehlen Ärzte oder Ärztinnen. Bei einem Unfall oder Krankheit ist es nicht immer möglich, den öffentlichen Verkehr zu nutzen», war eine Feststellung des Roggwiler Teams. «Wir haben Arztpraxen, aber keine Ärzte. Was denkt ihr, wie wir das Problem lösen könnten», wollte die anwesende Roggwiler Gemeinderätin wissen. «Zum Beispiel mit Plakaten», so die Kinder. Dass dies gar nicht so abwegig ist, erwähnte eine Langen-tha-ler Stadträtin, die wusste, dass dies auf der Bettmeralp auf diese Weise geklappt hat.
Weniger Abfall und bessere Entsorgung
Ebenfalls ein grosses Thema ist bei den Kindern die Abfallentsorgung. Sie fordern, dass weniger Müll produziert wird, im Offenverkauf Rabatte gewährt werden, um auf Verpackungen zu verzichten, und mehr Mülleimer für die Mülltrennung aufgestellt werden. «Dafür sollen Schulklassen beim Designen der Mülleimer helfen.» Weitere Anliegen sind mehr und breitere Trottoirs sowie mehr Zebrastreifen, Tempo 30 und überhaupt mehr Rücksicht im Verkehr.
Lehrkräfte sprachlich sensibilisieren
Beeindruckend auch die Forderungen zum Thema «Nur eine Regel: Du bestimmst – Du bist Du» zur Gendergleichberechtigung. Hier kamen Ideen zur Sprache wie gendergerechte Beschilderungen zum Beispiel in WC-Anlagen und auf offiziellen Dokumenten mehr Geschlechter zum Auswählen, also Frau, Mann, Divers. Und vor allem wurde gefordert, das Thema «Gender» in den Schulen zur Sprache zu bringen und die Lehrpersonen zu schulen, wie sie die Sprache richtig nutzen. «Wir hatten einen Lehrer, der nach ‹starken Jungs› fragte, das geht gar nicht», begründete ein Mädchen aus der Gruppe dieses Anliegen. Auch den Ausspruch «du bist schwul», wollen sie nicht mehr hören.
Zwei Initiantinnen
Initiiert wurde «Denk Ma(h)l – Ideen zum Anbeissen» von Anna Bieri (13) und Sophia Gehann (14). Die beiden Langenthalerinnen wollten einige Themen mal beim Essen mit Scarlett Eisenhauer besprechen. Daher auch der doppeldeutige Name. Die Leiterin des Kinderbüros hat daraufhin sieben Gemeinden angeboten, mitzumachen. Langenthal, Roggwil, Thunstetten-Bützberg und Lotzwil haben sich -gemeldet, sodass Kinder teilnehmen konnten. «In einer ersten Runde haben wir Ideen gesammelt, in einer zweiten diese nach Wichtigkeit sortiert und an einem dritten Treffen je zwei Ideen pro Team ausgewählt», erklärt Scarlett Eisenhauer das Zustandekommen.
Die Präsentation hat dann zwar nicht am Tag der Demokratie (15. September), sondern um den Tag herum stattgefunden. «Es ging aber schon darum, den Kindern die demokratischen Prozesse näher zu bringen», sagt die Leiterin des Kinderbüros, die als Langzeitziel die Gründung eines Kinderparlaments nennt.
Anliegen finden Gehör
Und was sagen die Politikerinnen und Politiker zu den Aussagen der Kinder? «Von unserem Dorf ist zwar keines dabei. Aber es ist doch interessant zu hören, was die Kinder beschäftigt und wie sensibel sie sind», sagte Daniel Bläsi (parteilos), Gemeinderat aus Bannwil. Yolanda Büschi (SP) aus Roggwil gibt es sehr zu denken, dass schon Kinder sich mit dem Ärztemangel beschäftigen und dies offenbar Ängste auslöst. Stefanie Barben (FDP), Stadträtin aus Langenthal, findet es gut, dass Kinder sich mit solchen Fragen auseinandersetzen. Ihr Partei- und Ratskollege Diego Clavadetscher findet dies auch, weiss aber, wie schwierig das Umsetzen manchmal ist. «Aber es gibt sicher Themen, die man mit einem politischen Vorstoss angehen kann.» Dieser Überzeugung ist auch Stadtrat Sandro Baumgartner (SP), der schon während den Vorträgen eine Motion aufnotierte. Auch Kurt Bläuenstein (FDP), Gemeinde-präsident von Aarwangen, war beeindruckt und ist überzeugt: «Nur so gibt es Änderungen.» Obwohl er wie – alle anderen Gemeindevertretungen – weiss, dass nicht alles umsetzbar ist. «Ich hoffe, es hatte Ideen zum Anbeissen dabei», sagte Scarlett Eisenhauer am Schluss. «Oder zumindest solche, die zum Nachdenken anregen.» Dies ist auch die Hoffnung der beiden Initiantinnen Anna Bieri und Sophia Gehann, die den Anlass als «super» und «cool» bezeichneten. Nun liegt es an den Politikerinnen und Politikern, das Beste daraus zu machen.
Von Irmgard Bayard