• Das vorbildlich sanierte Glaserhaus mit Baujahr 1765 produziert jetzt neunmal mehr Energie als das Haus selber verbraucht. · Bild: zvg

24.11.2016
Emmental

Denkmalgeschütztes Emmentaler Haus gewinnt Europäischen Solarpreis

Wo seit 1765 während Generationen Fenster von Hand hergestellt wurden, pfiff 2012 noch der Wind durch das alte Gebälk. Jetzt ist das vorbildlich sanierte Plusenergie-Gebäude mit zwei gewichtigen Solarpreisen geehrt worden: Nach dem Schweizerischen konnten Bauherren und Energietechnikunternehmer nun auch noch den Europäischen Solarpreis entgegennehmen.

Affoltern · Das nördlich von Affoltern gelegene Handwerkerhaus wurde 1765 für einen Glasermeister gebaut, der im Erdgeschoss seine lichtdurchflutete Werkstatt hatte. 200 Jahre später stand das Haus kurz vor dem Verfall. Ein gezielter und sorgfältiger Rückbau wurde von Anfang an konsequent umgesetzt. «Ziel der Sanierung war jederzeit, möglichst die originalen Elemente des Gebäudes erhalten zu können, kombiniert mit neuster Gebäudetechnik und Ästhetik», so Bauherr und Architekt Christian Anliker.

Auszeichnung mit zwei Solarpreisen
Diese aufwändigen Sanierungsmassnahmen blieben nicht unentdeckt und wurden nun mit dem Schweizerischen sowie dem Europäischen Solarpreis ausgezeichnet.
Drei Institutionen, zwei Personen und 15 Gebäude sind von der Solar Agentur Schweiz in St. Gallen mit dem Solarpreis 2016 ausgezeichnet worden –  so auch das Glaserhaus in Affoltern im Emmental.  Mit grossem Stolz und voller Vorfreude reisten Bauherren, Planer und Bauunternehmer nun auch nach Barcelona, um dort den Europäischen Solarpreis, die höchste Auszeichnung der Branche in der Kategorie «Solare Architektur und Stadtentwicklung», entgegenzunehmen.
Der Europäische Solarpreis wurde Ende der letzten Woche von EUROSOLAR e.V. in Sant Pau Art Nouveau Site in Barcelona vergeben. EUROSOLAR e.V. will damit Städte, Unternehmen, Organisationen und Privatpersonen ehren, welche die Ziele der Energiewende aktiv umsetzen.

Zeitgemässe Sanierung, nachhaltige Energiegewinnung
Die energetische Sanierung des Gebäudes erfolgte unter den heutigen Gesichtspunkten einer zeitgemässen Gebäudetechnik. Als Heizungsanlage dient nun eine Wärmepumpe mit zwei Erdsondenbohrungen à 190 Meter Tiefe. Die Anlage ist gleichzeitig auch zur Gebäudekühlung ausgelegt, wobei die sogenannte Free-Cooling-Funktion der Bodenheizung Wärme entziehen und ins Erdreich ableiten kann.
Der traditionelle, denkmalgeschützte Sitzofen wurde mittels Heizregister in den Heizungskreislauf einbezogen. «Von Anfang an stand fest, dass mindestens die vor Ort verbrauchte Energie auf den Dachflächen des Gebäudes auch wieder erzeugt werden soll», erläuterte Lukas Meister, Inhaber des federführenden Energietechnikunternehmen clevergie GmbH, gegenüber der Presse.
Die Isolation des Gebäudes entspricht einem Minergie-P Standard. Einzig die Südfassade, welche als ganzes Bauelement erhalten bleiben sollte, besteht aus den originalen Holzbalken und neuer Isolierverglasung in den Abmessungen der ursprünglichen Fensterchen. Einzelne noch erhaltene Original-Teile der Fenster wurden im Innenbereich wieder verbaut und dienen als Zeitzeugen für die damalige Handwerkskunst. Die von den ortsansässigen Firmen clevergie GmbH und Habisreutinger Gebäudehülle GmbH geplante und realisierte Photovoltaikanlage bedeckt alle Dachflächen  des grossen Gebäudes. Die insgesamt 12 Dachfenster wurden aus Gründen des Denkmalschutzes und um den Charakter des Hauses zu bewahren sorgfältig in das Solarsystem integriert.
Denkmalpflege beinhaltet auch, sich mit der Entstehungsgeschichte eines Bauwerks auseinander zu setzen. So wurde in früheren Bauepochen jeweils das beste, damals verfügbare Baumaterial für neue Bauten verwendet. Dächer wandelten sich somit von Strohdächern über Schindeldächer zu Biberschwanzziegeln und Eternit.
«Als logische Abfolge kann somit auch bei denkmalgeschützten Häusern das beste heute verfügbare Baumaterial, nämlich Photovoltaikmodule, eingesetzt werden», so Solarexperte Lukas Meister. 

Infos
www.clevergie.ch; www.h-g.ch.