• Andreas Anliker (links) übergibt symbolisch den Schlüssel an seinen Nachfolger Thomas Lüthi. · Bilder: Marion Heiniger

  • Hauswart Andreas Anliker (hinten, etwas links) war bei den Schülerinnen und Schülern wie auch bei den Lehrpersonen sehr beliebt.

18.04.2023
Oberaargau

Der Hauswart, der sich selten geärgert hat

Über zwei Jahrzehnte war Andreas Anliker der gute Geist der Schule und im Gemeindehaus. In all den Jahren waren ihm Vertrauen und Respekt immer sehr wichtig. Nun geht er in den Ruhestand, zur Ruhe setzen möchte er sich deswegen aber noch lange nicht.

Gondiswil · In Gondiswil geht eine Ära zu Ende. Über 20 Jahre hat Andreas Anliker in und um Schulhaus, Turnhalle und Gemeindehaus nach dem Rechten gesehen. Fragt man die Schüler und Schülerinnen auf dem Pausenplatz, erfährt man so einiges über den Hauswart. «Der Res ist immer sehr nett, immer gut gelaunt und macht oft Spässe», erzählt ein Junge aus der Oberstufe. «Manchmal wettet er mit uns vor Fussball- oder Eishockeyspielen. Wer verliert, muss am nächsten Tag eine Tafel Schokolade mitbringen», erklärt ein anderer Schüler. «Wenn er Hilfe braucht, helfen wir gerne, manchmal auch ohne dass er fragt», ergänzt ein Mädchen der Unterstufe. Nur Gutes hat auch Schulleiter Thomas Staffelbach zur berichten: «Andreas Anliker ist ein offener, kommunikativer, hilfsbereiter, aber auch verschwiegener Mensch, der während der Pausen immer am Lehrerzimmertisch willkommen ist.» Ausserdem zeige er echtes Interesse an den Kindern, was wahrscheinlich auch der Grund sei, weshalb an der Schule in Gondiswil kein Vandalismus vorkomme.

Die Kinder wahrgenommen
Andreas Anliker war mit Leib und Seele Hauswart. Geärgert hat er sich selten, man könnte sogar behaupten, fast nie. «Es bringt nichts, sich aufzuregen, ich versuche lieber, immer das Positive zu erkennen», erklärt der gelernte Landwirt, der mit sich und seinem Leben im Reinen zu sein scheint. Die Kinder lagen ihm während seiner Tätigkeit als Hauswart immer besonders am Herzen. Von jeder Schülerin und jedem Schüler kennt er den Namen und weiss von den meisten, welche Hobbys sie haben. Das kam ihm besonders am frühen Morgen zugute, wenn er die noch müden Kinder für den Schultag zu motivieren versuchte. Dann fragte er beispielsweise nach dem vergangenen Fussball- oder Eishockeymatch oder erkundigte sich, wie es am Schwingfest lief. «Den Kindern jeden Tag das Gefühl zu geben, dass sie wahrgenommen werden, war mir sehr wichtig», erklärt Andreas Anliker. Das Klischee des gefürchteten Hauswartes hat er demnach nicht erfüllt? «Nein, das tue ich nicht», lacht Andreas Anliker und erklärt nicht ohne Stolz: «Immer wieder hörte ich von Eltern, dass ihre Kinder wegen mir gerne in die Schule kämen.» Dennoch konnte der vierfache Familienvater auch mal laut werden. «Da das selten vorkam, haben die Kinder in diesem Moment aber immer schnell begriffen, um was es ging», erzählt er mit gespieltem Ernst. Doch etwas gab es, das Andreas Anliker überhaupt nicht akzeptieren konnte: Mobbing. Hierbei griff er auf dem Pausenplatz jedes Mal sofort ein und stellte die Kinder zur Rede. Und besonders geärgert hat ihn, wenn er Brot im Abfalleimer fand. Zu einem guten Arbeitsklima in der Schule hat auch die Zusammenarbeit mit der Lehrerschaft beigetragen. Nach wie vor ist Andreas Anliker der Meinung, dass sie die Schlüsselpersonen in einem Schulhaus und für die Kinder von enormer Wichtigkeit sind. «Es war für mich immer eine wahre Freude zu sehen, wenn die Kinder wegen ihrer Lehrerin oder Lehrer gerne in die Schule kamen.»

Gute Zusammenarbeit mit den Vereinen
Obwohl sich in den über zwanzig Jahren so einiges in seinem Beruf verändert hat und Eltern kritischer wurden, sei eines noch immer gleich: Kinder seien Kinder geblieben. Gleich geblieben sei auch die Zusammenarbeit mit den Vereinen. Auch hier spielt das Vertrauen, das Andreas Anliker so wichtig ist, eine grosse Rolle. «Ich musste in all den Jahren nicht einmal nach dem Training oder den Übungen der Vereine am Abend zur Turnhalle, um zu kontrollieren, ob das Licht aus und Fenster und Türen geschlossen waren. Das hat immer sehr gut funktioniert. Und das schon seit über 40 Jahren, seitdem die Turnhalle gebaut wurde», zeigt sich der bald 65-jährige Hauswart zufrieden. Ein besonderes Privileg, dass, wie er von seinen Berufskollegen erfahren hat, nicht allen Hauswarten zuteil wird.

Dem Dorf treu geblieben
Andreas Anliker ist in Gondiswil aufgewachsen und ist ausser während seinem Bauernlehrjahr dem Dorf bis heute treu geblieben. Zehn Jahre lang hat er nach seiner Ausbildung als Bauhandlanger in Melchnau gearbeitet und nach der Hochzeit mit seiner Frau Elsbeth im Jahr 1988 den elterlichen Hof bewirtschaftet, den er fünf Jahre später übernehmen konnte. Doch der Bauernbetrieb warf für die immer grösser werdende Familie nicht genug ab. So arbeitete Andreas Anliker ebenfalls im Burgerwald mit und half später bei seinem Schwager in der Dorfkäserei in Sumiswald mit einem 70 Prozent Pensum. Als 2001 in Gondiswil die Stelle als Hauswart ausgeschrieben wurde, bewarb er sich, wurde gewählt und trat am 1. Januar 2002 seine neue Vollzeitanstellung an. Seine Frau Elsbeth stand ihm mit einem Pensum von 25 Prozent tatkräftig zur Seite und mit der Zeit konnte er auf ein gut eingespieltes Team von Mitarbeiterinnen zählen. Bis heute hat Andreas Anliker es nicht bereut, sich damals auf die Stelle als Hauswart im eigenen Dorf beworben zu haben. Zum einen konnte er mit dem Velo zur Arbeit fahren, für dessen Weg er keine fünf Minuten brauchte, zum anderen war die Arbeit sehr abwechslungsreich und selbstbestimmt. «Schön ist es, dass man als Hauswart immer in Kontakt mit vielen Menschen kommt. Da kam es schon mal vor, dass ich tagsüber etwas länger mit jemandem geredet habe und dann halt meine Stunden am Samstagvormittag noch nachholen musste, das machte mir aber nie etwas aus», gibt Andreas Anliker unumwunden und mit einem strahlenden Lächeln zu.

Ehrenamtliches Engagement
Nun hat am 1. April der in Madiswil wohnhafte Thomas Lüthi die Hauswarttätigkeit übernommen. Zuvor arbeitete er als Hauswart bei der Flyer AG in Huttwil und absolviert zurzeit die Hauswartausbildung.
Bis Ende April wird ihm Andreas Anliker, abgesehen von ein paar Tagen Ferien, noch mit Rat und Tat zur Seite stehen. Danach kann der beliebte Hauswart seinen wohlverdienten Ruhestand antreten. Obwohl der Begriff Ruhestand bei Andreas Anliker wohl nicht ganz der richtige zu sein scheint. Denn trotz Pensionierung möchte er seine Hände noch lange nicht in den Schoss legen. Künftig wird er mit dem Schulbus die Kindergartenkinder von Gondiswil nach Reisiswil und wieder zurück fahren.
Zudem beabsichtigt Andreas Anliker sich im Dorf ehrenamtlich in der Altersarbeit zu engagieren, beim Vorbereitungsteam der Altersnachmittage mitzuhelfen und dieses Jahr das erste Mal die älteren Herren und Damen bei der Seniorenreise nach Sarnen zu begleiten und zu betreuen.
«Daneben gibt es bei uns zu Hause noch einiges zu renovieren», verrät der bald ehemalige leidenschaftliche Hauswart Andreas Anliker, dem es in den nächsten Jahren kaum langweilig werden wird.

Von Marion Heiniger