• Der Ursenbacher Ernst Jeremias ist immer noch ein leidenschaftlicher Hornusser – auch wenn die Streiche nicht mehr die Weiten vergangener Tage erreichen. · Bilder: Stefan Leuenberger, Marcel Bieri, zvg

05.09.2018
Sport

«Der Königsstich ist ein absolutes No-Go»

Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Ernst Jeremias, Schlägerkönig Eidgenössisches Hornusserfest 1979 in Bleienbach – Der 66-jährige Ursenbacher Ernst Jeremias wurde 1979 König der Hornusser. Das Mitglied der HG Oeschenbach-Kleindietwil blickt auf seinen grössten Erfolg zurück. Er spricht aber auch über das aktuelle Geschehen. Dabei ereifert er sich sehr darüber, wie heute die Schlägerkönige ermittelt werden.

 

Hornussen · Es herrschte traumhaftes Spätsommerwetter Ende August 1979. Erinnern Sie sich?
Natürlich. Es war ein wunderbares Fest mit wirklich idealem Wetter.

Damals am 25. Eidgenössischen Hornusserfest in Bleienbach feierten Sie im Alter von 27 Jahren Ihren grössten Triumph Ihrer Hornusserkarriere. Sie wurden mit 143 Punkten aus sechs Streichen Schlägerkönig.
Dieser Titelgewinn war in vielen Hinsichten speziell. Ich kam nicht, wie bei praktisch allen Hornussern üblich, durch das Junghornussen zu dieser Sportart. Es war ein Kollege, der mich überredete, im Training reinzuschauen. Ich tat es und es nahm mir sofort den Ärmel rein. Allerdings war ich da bereits 18 Jahre alt, ein Quereinsteiger also. Ich spielte erst bei der HG Ursenbach, die es heute nicht mehr gibt. 1980 vollzog ich einen Wechsel zur HG Oeschenbach, weil dort meine besten Kollegen spielten. 1976, an meinem zweiten «Eidgenössischen», konnte ich die zweite Stärkeklasse und damit einen Goldkranz gewinnen. Drei Jahre später schaffte ich dieses Kunststück wieder. Doch das Total reichte sogar aus, um die Besten der ersten Stärkeklasse hinter mir zu lassen. Damit war ich König.  

Mit den sechs Streichen 24, 24, 23, 24, 23 und 25 haben Sie tatsächlich alle Konkurrenten in die Knie gezwungen. Auch den Kronfavoriten Peter Aeschbacher aus Studen, der 1976 Schlägerkönig wurde und dabei mit einem 30-er-Streich (400 m) einen sagenhaften Hornusser Rekord aufstellte.
Den König von 1976 bezwungen zu haben, war ein schöner Nebeneffekt. Viel mehr freute ich mich darüber, die damals «bösesten» Hornusser Ernst Schaad und Hanspeter Schneider bezwungen zu haben.

29 Jahre sind seit Ihrem Grosserfolg vergangen. Wo ist der Goldkranz heute anzutreffen?
Der hängt bei mir daheim in der Stube. Mittlerweile schaue ich ihn viel mehr an als früher. Dies hat damit zu tun, dass es mittlerweile nicht mehr selbstverständlich ist, dass ich mit einem Kranz von einem Fest heim komme (lacht). Was mich 1979 extrem fuxte: Ich erhielt für den Titel kein graviertes Erinnerungsstück. Dies hätte mir viel bedeutet. Fritz Käser aus Oberönz wusste dies. Er meinte zu mir, dass er dafür sorgen werde, dass es am «Oberaargauischen» im Jahr darauf für den Sieger eine schöne Glocke zu gewinnen gebe. Den sportlichen Teil müsse ich aber selber beitragen. Ein Jahr später konnte ich das «Oberaargauische» in Oberönz tatsächlich gewinnen – und erhielt eine wunderbare Glocke. Eine Woche später siegte ich auch noch am «Interkantonalen» in Graben. So wie ich mich erinnern kann, gibt es genau seit diesen Festen schöne Erinnerungspreise für die Sieger …  

Sie sind jetzt 66 Jahre alt – und hornussen immer noch. Am «Eidgenössischen» 2018 – Ihre 17. Teilnahme am nur alle drei Jahre stattfindenden wichtigsten Hornusseranlass – traten Sie mit der B-Equipe von Oeschenbach-Kleindietwil in der sechsten Stärkeklasse an. Sie waren der sechstbeste Einzelschläger Ihres Teams, erzielten 91 Punkte, blieben damit ohne Auszeichnung. Schmerzt dies einen einstigen Champion?
In der Tat wäre wirklich etwas mehr dringelegen. Aber auch bei optimalem Verlauf hätte es mir nicht zu einer Auszeichung gereicht. Ich kann damit umgehen. Ich habe heute eine andere Aufgabe im Hornussen als zu meinen besten Zeiten. Zusammen mit Paul Scheidegger gebe ich meine langjährigen Erfahrungen den vielen motivierten jungen Hornussern weiter, die wir glücklicherweise bei der HG Oeschenbach-Kleindietwil haben. Etwas mehr Mühe bereitete mir das Umdenken zu jenem Zeitpunkt, als ich erstmals ohne Kranz von einem Fest heimkehrte …

Wie fanden Sie das «Eidgenössische» in Walkringen?
Die Organisatoren haben vorzügliche Arbeit geleistet. Es war ein perfektes Fest. Freude hatte ich, dass auf dem Festareal in einer Ausstellung sämtliche Schlägerkönige der Hornussergeschichte bildlich gezeigt wurden. Gleichzeitig hatte ich damit aber auch Mühe, weil die Umsetzung fragwürdig war. So wurden auch sämtliche Stärke- klassensieger als Schlägerkönige betitelt. Wie soll da ein aussenstehender Besucher noch den Überblick haben?

Im Mittelpunkt des 33. «Eidgenössischen» standen Festsieger Höchstetten A sowie der neue Schlägerkönig Lukas Wälti (HG Höchstetten). Haben Sie die Einzel-Entscheidung vor Ort mitverfolgt?
Jawohl, ich war ganz nahe am Bock dabei. Und ich habe das Geschehen aufmerksam und interessiert
verfolgt.

Lukas Wälti hat im Königsstich von einer Schwäche des Saisondominators und Vereinskollegen Stefan Studer profitiert. Dies war für die meisten Hornusserkenner ein Schock. Was halten Sie davon, dass ein Hornusser, der mit 204 Punkten – einem Total für die Ewigkeit – die höchste Stärkeklasse gewinnt und zuvor die Saison erdrückend dominierte, nicht Schlägerkönig wird?
Dies ist ein absolutes «No-Go». Dies hat mir noch tagelang extrem weh getan für Stefan Studer. Er hat im Königsstich die grösste Enttäuschung seines Lebens erfahren. Lukas Wälti trifft keine Schuld. Er hat einfach getan, was er muss – und von einer Schwäche des sonst unantastbar besten Hornussers profitiert. Wälti selbst sagte mir, er habe einfach den 2. Rang holen wollen – der Titel hätte Studer gehört.

Bis 2009 wäre Stefan Studer überlegen Schlägerkönig geworden. Erst mit der Einführung des Königsstichs benötigt es eine Zusatzschlaufe, um König der Hornusser zu werden …
Und ohne diese Zusatzschlaufe wären alle Hornusser einverstanden gewesen. Stefan Studer hätte gewonnen. Und er hätte den Sieg mit der Mannschaft sowie den Einzel-Festsieg auch ausgiebig feiern können. Dies konnte er überhaupt nicht tun. Kaum hatte Höchstetten A den Mannschaftssieg im Trockenen musste sich Studer wieder komplett auf den Königsstich fokussieren. Die Freude über den doppelten Erfolg blieb komplett auf der Strecke – zumal im Königsstich dann der brutale Nackenschlag und Stimmungskiller folgte.

Der Königsstich brach ausser bei der Premiere 2009, als Kronfavorit Marco Roos siegte, schon anderen Tophornussern das Genick. Paradebeispiel war das 37. «Eidgenössische». 2012 in Lyss gewann der Richiger Martin Stettler die höchste Stärkeklasse mit 194 Punkten. Im Königsstich versagten ihm die Nerven und mit Daniel von Känel von der HG Saurenhorn wurde ein «No-name»-Hornusser der fünften Stärkeklasse König.
So etwas hätte niemals passieren dürfen. Es war das bisher grösste Fiasko in der Geschichte des «Eidgenössischen». Ganz schlimm war die Tatsache, dass die Verantwortlichen im Königsstich anders werteten, als im Festwettkampf. Denn im Königsstich hiess es auf einmal nicht mehr «zwei Streiche mit drei Schlagrechten». Dies kostete den Kronfavoriten und besten Hornusser Martin Stettler die Königskrone.

Dann sollte der Königsstich Ihrer Meinung nach abgeschafft werden?
Die Verantwortlichen im EHV sollten es einsehen: Es gibt mit einem Königsstich mit K.o.-System einfach zu viele Verlierer. Der einzig richtige Weg wäre wieder zu den Wurzeln zurückzukehren. Der Schlägerkönig ist der Festsieger der ersten Stärkeklasse nach acht Streichen.

Aufgepasst: Bei der Königsstich-Einführung 2009 gaben Sie dem Format eine Chance, meinten, dass damit der Hornussersport besser verkauft werden kann. Eine Fehleinschätzung?
Da habe ich mich in der Tat getäuscht. Ich habe mir gedacht, dass er dem Hornussen etwas bringt. Ziehe ich jetzt eine Bilanz so ist komplett das Gegenteil der Fall. Das Format mag für Aussenstehende interessant sein. Es dauert aber viel zu lange. Ausserdem hat es sportlich viele mehr als fragwürdige und bedauerliche Entscheide hervor gebracht.

Wenn wir gleich beim Thema Fehler sind. Mit einer Mär, die selbst der «UE» verkündete, muss an dieser Stelle aufgeräumt werden: Es heisst immer, wer das Eröffnungshornussen (vormals Pressehornussen) gewinnt, wird nicht Schlägerkönig. Stimmt nicht. Sie haben dies 1979 geschafft, nicht wahr?
Dem ist so. Ich habe damals vier Streiche geschlagen. Zwei davon kamen in die Wertung. Meine zwei 21-er Streiche reichten auch am Pressehornussen aus, um alle Favoriten hinter mir zu lassen.

Tradition bedeutet Ihnen viel. Sie lieben das Hornussen, hören gerne Volksmusik. Aber auch der Schwing-sport ist Ihnen sehr nahe.
Ich besuche wann immer ich kann Schwingfeste. 2004 war ich Hauptinitiant des Oberaargauischen Schwingfests in Oeschenbach. Im OK amtete ich dann als Verantwortlicher der Festwirtschaft. Zu meiner grossen Freude siegte damals mit Christian Stucki ein Schwinger, der auch im Hornussen stark ist. Mein absoluter Lieblingsschwinger heisst allerdings Willy Graber. Nun war ich Drahtzieher, damit das Oberaargauische Schwingfest 2020 in Ursenbach stattfinden kann. Dort werde ich als OK-Vizepräsident das Schwingkomitee leiten.