Der Kommandant aus dem «Chriisviertu»
Seit 32 Jahren ist Christian Bärtschi Mitglied der Feuerwehr Huttwil, beziehungsweise nach der Fusionierung der Feuerwehr Region Huttwil, 13 Jahre davon als Kommandant. Nun übergibt er das Amt an Daniel Loosli, Wyssachen. Am kommenden Samstag, 2. November, wird Christian Bärtschi zum letzten Mal an der Front der grossen Herbstübung stehen. Im Monatsinterview mit dem «UE» blickt er auf seine Feuerwehr-, respektive Kommandantenzeit zurück.
Liselotte Jost-Zürcher im Interview mit Christian Bärtschi, Huttwil, Kommandant der Feuerwehr Region Huttwil
Können Sie uns kurz ihre wichtigsten Stationen in der Feuerwehr Huttwil, respektive in der Feuerwehr Region Huttwil, angeben?
1988 trat ich in die Feuerwehr ein. 2002 absolvierte ich den Offizierskurs und war von da an Mitglied des Kaders. 2005 wurde ich Vizekommandant, 2007 dann Kommandant der Feuerwehr Huttwil. Es sei speziell, dass ein «Auswärtiger» Kommandant werde, war damals zu vernehmen. Einige fragten sich, ob das gut gehen würde ... Angesichts dieser Bedenken habe ich mich ja nun recht lange im Amt gehalten.
Auswärtig? Nyffel liegt ja gleichwohl nicht gerade in der Prärie?
Nyffel, nicht zum Städtlikern zählend, nannte man lange das «Chriisviertu». Weshalb das so war, habe ich nie herausgefunden.
2014, nach der Fusion, übernahmen Sie auch das Kommando der Feuerwehr Region Huttwil.
Ja, und damit auch noch mehr Verantwortung – und mehr Kompetenzen. Aber diese Kompetenzen habe ich wohl nicht alle genutzt. Ich finde, in der Feuerwehr sind alle gleich wichtig – es braucht jeden. Wichtig ist das Zusammenschaffen. Einige wenige hielten an der Anrede «Kommandant» fest; für die meisten bin ich «dr Chrigu».
Entsprechend gross scheinen auch der Zusammenhalt und die Kameradschaft.
(lacht) «Das het äbe mii usgmacht.»
An welche Einsätze erinnern Sie sich besonders gut?
Ganz sicher an das Unwetter im Jahr 2007. Dies war ja mein erstes Jahr als Kommandant in der Feuerwehr Huttwil. «Das het mi bruucht!». Weitere grössere Ereignisse waren der Brand der Kaderli-Säge und natürlich der Brand des Meer-Möbel-Areals – eine solche Dimension erlebt nicht jeder Kommandant einer Miliz-Feuerwehr. Eindrücklich und gleichzeitig bedrückend war auch der Brand des Bächler-Hauses, das eben umgebaut wurde. Vom Maler Menel Rachdi wurden damals Hunderte Werke zerstört, die wir leider nicht retten konnten.
Unfälle kommen ja auch hinzu ...
Ja, etwa im Häusernmoos der Frontalzusammenstoss, bei welchem ein junger Mann ums Leben kam. Wir mussten ihn aus dem Wrack holen – «aber da mues me düre, das ghört drzue.» Das Schönste ist, dass in solchen Fällen das kameradschaftliche Verhältnis in der Feuerwehr funktioniert und viel verarbeitet werden kann.
Mit Gesprächen, Lockerheit und Aufmunterungen stellt man sich gegenseitig wieder auf.
Das war noch alles in der Huttwiler-Zeit, also in der Zeit der Feuerwehr Huttwil. Waren die letzten Jahre bezüglich der Ereignisse ruhiger?
Wir hatten zwei, drei grössere Ereignisse, etwa der Brand in einem Einfamilienhaus im Fiechtenfeld, in welchem ebenfalls eine Person umkam. Tragisch war auch der Brand des Wohnhauses in der Lochmühle. Aber trotz allem. Immer wieder stelle ich fest, dass etwas auf dramatische Weise plötzlich verschwindet und dass dann mutig wieder etwas Schönes, Neues realisiert wird.
Haben Sie Ihre Einsätze gezählt?
Als Kommandant? Ja, 668 in 13 Jahren, also etwa durchschnittlich 50 pro Jahr.
Einschliesslich entfernen von Wespennestern usw. ...?
Nein, ohne! Solche «Ereignisse» zählen wir nicht, das habe ich noch schnell einmal abschaffen können, mit möglichst vielen Einsätzen zu «plagieren», die mit «Feuerwehr» nun wirklich wenig oder nichts zu tun haben.
Die Feuerwehr Region Huttwil ist seit längerem mit einer Homepage online. Bewährt sich das?
Ja, wirklich, obwohl ich eigentlich nicht der «Freund der Homepages» bin. Aber plötzlich kam die Idee im Kader auf, dass eine Homepage her müsse, das gehöre sich so. Das wurde dann umgesetzt. Kurze Zeit nach dem Aufschalten geschah ein Frontalun-fall, weil sich ein Pärchen im Auto gestritten hatte. Ein Feuerwehrmann stellte Bilder davon auf die Homepa-ge. «Uuuh – die hei sech gmäudet. Di Biuder hei sofort wider drab müesse.» Aber nachher war alles gut, und es ist wirklich sehr praktisch.
Wie blicken Sie auf die Fusion zurück?
Es gab viel zu tun, alles in Gang zu geben. Aber es war eine sehr gute Zusammenarbeit, denn in der Arbeitsgruppe waren ausschliesslich Leute, welche den Zusammenschluss auch wirklich wollten und positiv vorausschauten. Ich persönlich finde es eine sehr gute Sache. Inzwischen glaube ich, es würde kaum noch anders gehen. Für die einzelnen Feuerwehrleute ist es eine bedeutende Entlastung und man kann jetzt davon ausgehen, dass immer Leute für einen Einsatz bereit sind. Früher war das oft prekär. «Arbeitszeiten» kennt man bei der Feuerwehr eben nicht. Ich bedaure einfach, dass Eriswil und Dürrenroth nicht mitmachen wollten. Insgesamt ist aber seither die Verantwortung des Kommandanten noch grösser und man muss sich vor sechs Verwaltungen anstatt vor einer Gemeindeverwaltung rechtfertigen. Doch es funk-tioniert tipptopp, ist halt ein Geben und Nehmen.
Was sind ihre liebsten Aktivitäten in der Feuerwehr – abgesehen davon, dass Sie Menschen helfen können?
Fahrzeuge einweihen! «Das isch haut scho öppis Schöns.» Solche Feste sprechen auch die Bevölkerung an. Es ist wichtig, dieser ebenfalls etwas bieten zu können. 2009 war es die neue Drehleiter, 2017 das TLF. Beides sind Topp-Fahrzeuge. Es ist herrlich, mit diesen arbeiten zu können. Es ist aber nicht selbstverständlich, dass das Volk hinter den Anschaffungen steht, insbesondere 2009, als die umliegenden Gemeinden mitfinanzieren halfen, obwohl die Fusion zwar diskutiert wurde, aber noch ziemlich weit in der Ferne lag. Anderseits: «Ohni rächts Wärchzüg chame nid schaffe.»
Wie konnten Sie sich – als Landwirt und Familienvater – über alle die Jahre hinweg einrichten, wenn Sie so oft für die Feuerwehr unterwegs waren?
Ich erhielt stets grosse Unterstützung von meiner Frau Ursina. Sie hat alles mitgetragen, kam auch ab und zu an die Übungen, wusste Bescheid. In der Feuerwehr war sie denn auch voll akzeptiert, konnte am Telefon kompetent Antwort geben und nahm mir so schon vieles ab. Ebenso wurde ich vom Vater unterstützt. Wenn ich während den Stall-Zeiten plötzlich wegmusste, übernahm er. Eine grosse Erleichterung, insbesondere im administrativen Bereich, war nach der Fusion die Festanstellung von Sandra Minder. Sie erleichtert mir die Arbeit wesentlich.
Sie hatten gesundheitliche Probleme?
Ja, ich habe ein «Herz-Kriisi» geschoben, hatte einen Herzinfarkt. Drei Monate lang konnte ich nicht oder nur reduziert arbeiten. In dieser Zeit übernahm der Vizekommandant Daniel Loosli das Feuerwehrkommando. Aber dabei habe ich auch gemerkt: «Du bisch immer ersetzbar, das chöi angeri ou.» Jetzt werde ich in der Feuerwehr ja bald «pensioniert» und habe dann weniger zu tun. Es wird mir mehr Zeit geben für meinen Bauernbetrieb – der Vater wird auch älter. Und natürlich um mehr gemeinsam mit Ursina zu unternehmen. Wir haben uns vorgenommen, zusammen etwas Spezielles zu machen und haben uns nun für das Freilichttheater «Burechrieg» gemeldet. Bei gutem Wetter werden wir uns vermehrt auf den Töff setzen. Zudem gehen wir sehr gerne wandern ... ja, das Wichtigste ist mir, mehr Zeit mit Ursina verbringen zu können.
Und was werden Sie sicher nicht tun?
Ich werde sicher nicht politisieren und auch nicht beim RFO mitwirken, wie ich schon angefragt wurde. Die Feuerwehr hat mich für die Öffentlichkeit genug gefordert.
Wer wird Ihr Nachfolger?
Neuer Kommandant wird Daniel Loosli aus Wyssachen. Überhaupt ist es für mich schön, zu wissen, dass viele gute junge Leute nachkommen.
Also kein Huttwiler Kommandant mehr, nicht einmal mehr ein «Auswärtiger». Öbs äch de guet chunnt?
(Christian Bärtschi grinst über das ganze Gesicht) Sicher scho, do bini überzügt!