Der lange Weg bis zur leitenden Position
Jan Losch war während zwei Jahren als Assistenzarzt im Langenthaler Spital SRO tätig. Im Gespräch mit dem «UE» erzählt er aus seinem Beruf, erinnert sich an strenge Zeiten seiner Ausbildung und heikle Momente. Und er sagt: «Manchmal sind Fernsehserien gar nicht so weit weg vom tatsächlichen Leben als Arzt entfernt.»
Jan Losch ist mit dem Spital aufgewachsen. Seine Mutter war Putzkraft im örtlichen Krankenhaus, weshalb er nach der Schule oftmals mit dieser Einrichtung in Kontakt kam. In der Schule hat er dann auch noch ein Praktikum im Spital gemacht, später arbeitete er im Zivildienst dort. So gesehen war seine Karriere fast schon ein bisschen vorgegeben. «Ich war von Beginn weg vom Spital und dem Beruf fasziniert», sagt Jan Losch heute. Berührungsängste mit dem Spital kannte er nicht. Vorgegeben war nur nicht sofort, dass er als Deutscher in der Schweiz arbeiten würde.
Es braucht Durchhaltevermögen
Seit Kurzem ist Jan Losch Oberarzt. Der heute 32-Jährige arbeitet seit zwei Jahren in der Langenthaler SRO AG in der Inneren Medizin, hier hat er seine Zeit als Assistenzarzt verbracht. Bis hierhin hat er bereits zehn Jahre in seine Ausbildung investiert, weitere drei dürften mindestens folgen. Begonnen hat er mit dem sechsjährigen Studium, dann kamen je zwei Jahre im Paraplegiker- Zentrum in Nottwil sowie im SRO. Um sich zu spezialisieren, wird er nun ins Berner Inselspital gehen, um sich den Facharzttitel Innere Medizin mit dem Zusatz «Geriater» zu sichern. «Man muss Durchhaltevermögen zeigen. Gerade zu Beginn gibt es viele lateinische Begriffe zu lernen. Das ist streng», erklärt Jan Losch. Auch deshalb werden in den ersten zwei Studienjahren schon zahlreiche Studenten aussortiert.
Jan Losch wollte sich aber nie um einen Plan B kümmern. Für ihn war immer klar, dass er einmal Arzt werden will. Und: Er wollte im Ausland praktizieren. «Aber im deutschen Sprachraum. Von anderen Sprachen hatte ich zu grossen Respekt.» Dass er schliesslich in Nottwil sein Studienpraktikum absolviert hat, war viel mehr Zufall. Im Internet wurde er auf das Paraplegikerzentrum aufmerksam, wegen guten Bewertungen auf Studentenwebsites habe er sich dort beworben und sei schliesslich nach dem Praktikum geblieben. «Zuvor war ich nie in der Schweiz, also hatte ich keine Präferenzen. Letztlich haben mich die Schicksale vor Ort beeindruckt», verrät Jan Losch. Die Gründe, überhaupt in die Schweiz zu gehen, seien derweil privater Natur gewesen, bis heute bereut er dies nicht. «Ich bin gut integriert, fühle mich wohl und habe deshalb nicht den Wunsch, nach Deutschland zurückzukehren», sagt er. Da er in der Nähe von Köln aufwuchs, könne er seiner Heimat und den Verwandten daher problemlos einen Besuch abstatten, wenn er wolle.
Für Jan Losch hat sich auch der Wechsel nach Langenthal gelohnt. Das Klima sei sehr angenehm, von den Ärzten erhalte man auch während der Ausbildung viel Verantwortung übertragen, ohne dabei alleingelassen zu werden. «Wir haben hier praktisch eine Eins-zu-eins-Betreuung. So werden wir nie im Stich gelassen und können fragen», erklärt Jan Losch.
Angst vor dem Nachtdienst
Zugleich trage man aber beispielsweise bei Nachtdiensten viel Verantwortung, die zahlreichen Aufgaben haben zu Beginn auch ihn stark gefordert. «Am Anfang der Ausbildung hat wahrscheinlich jeder Assistenzarzt Angst vor den Nächten», gibt Jan Losch zu. Letztlich trage man eine sehr grosse Verantwortung, auch deshalb können plötzlich ganz viel Aufgaben auf einen warten. «Da muss man lernen, unterschiedliche Prioritäten zu setzen. Das kann dann auch mal hektisch werden.» Aber auch hier sei stets ein Vorgesetzter abrufbereit gewesen, wenn Hilfe nötig war.
Gerade in Fernsehserien wie Scrubs oder Emergency Room – beide handeln von Assistenzärzten – werden solche Situationen dargestellt. Ähnlich wie auch Jan Losch sagt, ist gerade vor den Nachtdiensten grosser Respekt vorhanden. «Ganz weit weg sind die Fernsehserien vom richtigen Leben nicht», sagt daher auch Jan Losch. Auch im realen Leben eines Assistenzarztes gebe es Situationen, die einen überfordern. «An solchen Situationen wächst man. Es gab auch Situationen, in denen ich mich im Nachhinein fragte, wie ich die Nacht überstanden habe. Zwischenzeitlich wurde ich nervös, weil gleich mehrere Patienten Betreuung brauchten. Aber es ging noch immer.» Letztlich könnten auch die Pflegefachpersonen einem helfen, auch die diensthabenden Chirurgen haben eine ansprechende Ausbildung genossen, sodass sie in strengen Momenten die Internisten unterstützen können. «Natürlich wird im Fernsehen vieles aufgebauscht. Vieles müssen die Schauspieler alleine machen, wofür wir im wirklichen Leben mehrere Personen sind», sagt Jan Losch und hängt mit einem Lachen an: «Ich glaube aber, dass unser Job selbst so wie er ist, sehr spannend und für die Unterhaltung durchaus geeignet ist.»
Lieber einmal mehr fragen
Damit in einem reellen Einsatz kein Fehler passiert, kann Jan Losch nicht zuletzt auch auf seinen Betreuer, Chefarzt Innere Medizin Alexander Imhof, zurückgreifen. Für Losch ist klar: «Lieber einmal mehr fragen. Dazu wurden wir angehalten, und das gibt uns Sicherheit.» Die Ausbildung eines Assistenzarztes richte sich stark an dessen Kompetenz, erklärt derweil Alexander Imhof. «Zu Beginn wird jede Entscheidung überwacht, mit zunehmender Erfahrung wird dem Assistenten mehr Freiraum gewährt. Dies passiert aber dennoch unter ständiger Kontrolle.» In regelmässigen Gesprächen mit einem Mentor werden schliesslich Ziele festgelegt und Leistungen besprochen. So soll jeder Assistent gezielt gefördert werden.
Wichtig für einen Assistenzarzt seien indes gute Sozialkompetenzen, findet Alexander Imhof. Das hat, unter anderem, auch Jan Losch ausgezeichnet, so der Chefarzt. «Jan Losch war ein fachlich und menschlich sehr kompetenter Assistenzarzt. Er war pflichtbewusst, äusserst einsatzfreudig und interessiert.» Gerade in hektischen Situationen habe er zudem die Übersicht behalten, stets blieb er freundlich, weshalb er bei den Patienten sowie seinen Mitarbeitern und Vorgesetzten gut ankam. Entsprechend sei es schwierig, einen solchen Assistenzarzt ziehen zu lassen, letztlich sei dies aber der gewohnte Prozess.
Ständig etwas Neues
Auch Jan Losch sagt: «Die Ausbildung ist nie abgeschlossen. Gerade in unserem Beruf muss man auf dem Laufenden bleiben.» Zugleich freue er sich aber, wenn er sich – vielleicht nach der dreijährigen Ausbildung in der Berner Insel – irgendwo für längere Zeit an einem Spital niederlassen kann. «Andere finden die ständigen Wechsel interessant. Ich freue mich aber, auch ein bisschen sesshaft zu werden.» Mit anderen Worten: Genug hat er vom Arzt sein noch keineswegs. Die lange Ausbildungszeit, die er hinter sich hat und jene, die noch kommt, hat ihn nicht ermüdet, vielmehr steigt schon jetzt die Vorfreude auf die Zeit, die kommt. «Irgendwann habe ich mehr Routine und kann dadurch auch überall ein bisschen Zeit einsparen», sagt Jan Losch. Schon jetzt merke er, dass er einzelne Entscheide schneller trifft. So oder so: Die Belastung aber bleibt hoch. «Ich habe mir diesen Job ausgesucht, das habe ich schon vorher gewusst.» Das hat nicht zuletzt auch damit zu tun, dass man in seinem Beruf immer mal wieder überrascht werden kann. «Neues» gibt es immer wieder, ausgelernt hat man nie. «Auch im hohen Berufsalter kann man sich noch neu orientieren. Es gibt so viele Tätigkeitsfelder. Beispielsweise auch die Forschung. Oder vielleicht will man sich neben seiner langjährigen Erfahrung in einem anderen Gebiet weiterbilden. Alles ist möglich, auch weil Ärzte Mangelware sind.» Vorläufig ist für Jan Losch ein solcher Wechsel aber nicht geplant. Denn zuerst will er Leitender Arzt werden und sesshaft sein. Erst, wenn er die Entscheide ohne Vorgesetzte treffen muss, seine Ansprüche und Aufgaben steigen, dann weiss er, dass er das Ziel erreicht hat. Sein bereits langer Weg dahin ist noch nicht abgeschlossen, auch wenn er 32-jährig ist und die Assistenzärzte-Zeit mittlerweile hinter sich gelassen hat. Aber Ärzte haben nie ausgelernt. Auch nach zehn Ausbildungsjahren nicht.
Von Leroy Ryser