Der letzte Langenthaler Fasnachtsmarkt?
Bereits im letzten Jahr erlitten die Organisatoren des Fasnachtsmarkts einen spürbaren Teilnehmerschwund bei den Ausstellerinnen und Ausstellern. In diesem Jahr ist die Situation offenbar noch schlimmer: Bis heute seien für die Ausgabe vom 21. Oktober erst sehr wenige Anmeldungen eingegangen, alarmiert das OK auf Social Media. Erst um die 60, um genau zu sein. Kommt es nicht zur Kehrtwende, könnte dies der letzte Langenthaler Fasnachtsmarkt sein.
Seit ungefähr Mitte August können sich interessierte Maskenbauende, Kostümverleihe, Instrumentenverkäufer und so weiter für den diesjährigen Fasnachtsmarkt anmelden. Das Interesse jedoch, am Samstag, 21. Oktober, im Langenthaler Stadtzentrum einen Verkaufsstand mieten und betreiben zu wollen, scheint aktuell recht bescheiden zu sein. So bescheiden, dass sich die Organisierenden letzte Woche dazu gezwungen sahen, via Social Media einen Aufruf mit erschreckendem Unterton zu schalten. Die Verantwortlichen schreiben: «Da wir bis heute leider sehr wenige Anmeldungen haben, könnte dies der letzte Langenthaler Fasnachtsmarkt sein! Wir rufen hiermit nochmals auf, euch für den 28. Langenthaler Fasnachtsmarkt anzumelden.» Über der Online-Anzeige prangt als Überschrift in grossen Lettern die unmissverständliche Wortkombination «SchlussPunkt?».
165 Marktstände in Spitzenjahren
Gut möglich also, dass dem Fasnachtsmarkt – es ist der grösste seiner Art in der Schweiz – nun endgültig das Aus droht. Um eine Trendwende herbeizuführen und die Angelegenheit wieder in einem erfreulicheren, zukunftsfähigeren Licht erscheinen zu lassen, müssten sich bis zum 15. Oktober – bis zum Ablauf der Anmeldefrist – jedenfalls noch ordentlich Ausstellerinnen und Aussteller für den Outdoor-Anlass anmelden. Ob dies geschieht, ist jedoch mehr als fraglich, denn geharzt hat es mit den Anmeldungen auch bereits letztes Jahr, wie dem diesjährigen Veranstaltungsheft entnommen werden kann: Mit rund 90 Marktständen habe man bereits 2022 einen rechten Teilnehmerschwund erleiden müssen, heisst es im Vorwort von OK-Chef Rolf Uhlmann. In den Spitzenjahren des Fasnachtsmarkts seien jeweils über 165 Stände vor Ort betrieben worden, sagt er auf Anfrage. Ein ziemlicher Unterschied also.
Heute herrscht ein anderer Zeitgeist
Uhlmann glaubt, dass es für das ausbleibende Interesse mehrere Gründe gibt. «Ich gehe davon aus, dass sich der Zeitgeist geändert hat. Der Fasnachtsmarkt in dieser Art ist heute, in der Zeit digitaler Medien, vielleicht nicht mehr so gefragt, da die Cliquen ihre Kleider und so weiter über andere Kanäle verkaufen können. Diese Tendenz war bereits vor Covid spürbar und die Teilnehmerzahlen waren bereits in diesen Jahren rückläufig», gibt der OK-Chef zu verstehen. Und apropos Covid: «Weiter gab die Corona-Zwangspause vielen die Möglichkeit, ihre Lager aufzuräumen. Etliche professionelle Maskenbauer mussten sich in dieser Zeit beruflich sogar neu orientieren», nennt Rolf Uhlmann weitere Gründe, die erschwerend hinzukommen. Eine Teilnahme am Fasnachtsmarkt sei zudem mit einem gewissen Aufwand verbunden. Vielleicht fehle es inzwischen generell an der Bereitschaft, diesen Mehraufwand in Kauf nehmen zu wollen, mutmasst der Langenthaler, der selbst ein leidenschaftlicher Fasnächtler ist.
Was ist mit der Guggenpower?
Der drohende «SchlussPunkt» ist nicht nur für die Organisierenden sowie für die nach wie vor vielen Marktbesuchenden ein unschönes Gedankenszenario, sondern unter anderen auch für die Guggenmusiken, die Jahr für Jahr an der sogenannten Guggenpower teilnehmen, die parallel zum Fasnachtsmarkt vor dem Langenthaler Choufhüsi abgehalten wird. Der Anlass «Guggenpower» ist zwar grundsätzlich auch ohne Fasnachtsmarkt vorstellbar, hätte aber definitiv nicht mehr den gleichen Reiz wie bisher. Und so ist fraglich, ob das bekannte und beliebte Stelldichein der Guggenmusiken überhaupt noch stattfinden würde, gäbe es den Fasnachtsmarkt plötzlich nicht mehr.
Wahrlich, es ist eine schizophrene Situation: Auf der einen Seite ein eher serbelnder Fasnachtsmarkt, auf der andern Seite ein nach wie vor florierendes Guggenkonzert, das sich über mehr als neun Stunden erstreckt und in diesem Jahr ganze 19 Guggen aus der Schweiz sowie aus dem grenznahen Ausland anlockt.
Man darf gespannt sein, welche Lösungen sich das OK und/oder die Langenthaler Fasnachtsgesellschaft aufgrund dieser Ausgangslage für die Zukunft ausdenken werden. Und noch ist in Sachen Fasnachtsmarkt ja nichts entschieden…
Übrigens: Wäre die Pandemie nicht dazwischengekommen, könnte 2023 sogar ein Jubiläum begangen werden. «Eigentlich würden wir in diesem Jahr den 30. Langenthaler Fasnachtsmarkt feiern», lässt Rolf Uhlmann in seinem Vorwort in der Infobroschüre wissen. Drei Jahrzehnte Fasnachtsmarkt – es ist nicht vermessen, in diesem Zusammenhang von einer liebgewonnenen Tradition zu sprechen. Eine, die die Herbstzeit in Langenthal bereichert und den Hauptort des Oberaargaus weit über die Kantons- und Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht hat.
Auch beim Oktoberfest harzt es
Eine ähnlich grosse Bekanntheit hat über die Jahre auch das Oktoberfest der Langenthaler Guggemusig Blächsuger erlangt. Dieses Fest, das in früheren Jahren noch eine reine Guggenparty war, findet jeweils direkt im Anschluss an den Fasnachtsmarkt in der Langenthaler Markthalle statt. Doch wie man hört, hapert es inzwischen auch beim Oktoberfest der Blächsuger mit den Anmeldungen – beziehungsweise mit den Ticketverkäufen. Früher war die sogenannte «Party danach» immer innert kürzester Zeit restlos ausverkauft. In diesem Jahr sind zum aktuellen Zeitpunkt immer noch Tickets erhältlich. Ob ein Zusammenhang besteht zwischen den Schwierigkeiten, mit denen der Fasnachtsmarkt zu kämpfen hat, und dem eher schleppenden Vorverkauf fürs Oktoberfest, lässt sich nur sehr schwer sagen.
Von Patrick Jordi