Der letzte Pistolenschuss ist gefallen
Pistolenschützen Lotzwil-Gutenburg – Der Pulverdampf hat sich verflüchtigt, der letzte Schuss ist abgefeuert. Nach 87 Jahren beenden die Pistolenschützen Lotzwil-Gutenburg ihre Schiess- und Vereinstätigkeit. Das Schützenhaus wird geräumt. Andreas Ryf, 42 Jahre Mitglied im Verein, blickt mit Wehmut, aber auch Verständnis zurück.
Schiessen · Andreas Ryf packt kräftig an bei der Schiessanlage Turmhubel in Gutenburg bei Lotzwil. Er lädt Patronenhülsen auf den bereitstehenden Anhänger und weiteres Material, das nicht mehr benötigt und deshalb entsorgt werden muss. Zusammen mit einigen Helfern räumt er in diesen Tagen das Schützenhaus, das die letzten 87 Jahre als Stätte der Pistolenschützen Lotzwil-Gutenburg diente. Bereits vor einiger Zeit ist der letzte Schuss gefallen, ab Neujahr ist der Verein, der 1933 als «Pistolen- und Revolverschützengesellschaft Lotzwil-Gutenburg» gegründet wurde, definitiv Geschichte.
Hürden für Weiterführung zu hoch
Der 68-jährige Andreas Ryf aus Thunstetten blickt mit Wehmut zurück. Nicht weniger als 42 Jahre war er Mitglied der Pistolenschützen Lotzwil-Gutenburg. Ihm obliegt die Aufgabe, den Verein aufzulösen und das vorhandene Inventar zu liquidieren. Eine Aufgabe, die ihn schmerzt, gibt er zu verstehen, «denn wir waren ein äusserst familiärer Verein, mit dem viele schöne Erinnerungen verbunden sind». Etliche Feste habe man hier veranstaltet und auch immer wieder Erfolge gefeiert, bemerkt er. So habe man jedes Jahr mindestens ein grosses Schützenfest besucht und dabei zum Teil schöne Einzelresultate realisiert. Doch all dies gehört definitiv der Vergangenheit an. Die Umsetzung der strengen Umweltschutzvorgaben verhindert ein Weiterbestehen des Vereins, wie Ryf ausführt. Er weist darauf hin, dass der Kugelfang beim Schützenhaus saniert werden muss. «Ab 1. Januar 2021 darf man nicht mehr ins Erdreich schiessen, weshalb wir ab Neujahr keine Schiessbewilligung mehr haben.»
Die Sanierung des Kugelfanges übersteige jedoch die Möglichkeiten des Vereins, erwähnt Ryf und weist darauf hin, dass hier während fast 100 Jahren geschossen wurde, weshalb die Sanierung des Kugelfanges kostenintensiv ausfallen dürfte. Zudem finde das Pistolenschiessen heute auf Distanzen von 25 und 50 Metern statt. Doch die Anlage beim Schützenhaus in Gutenburg ist lediglich auf die Distanz von 50 Metern ausgerichtet. «Also hätten wir zusätzlich zur Sanierung des Kugelfanges auch noch Investitionen in eine neue Schiessanlage tätigen müssen, was für uns schlicht nicht machbar gewesen wäre», macht Andreas Ryf klar, dass die Auflösung des Vereins unumgänglich war. Eine Fusion mit einem benachbarten oder befreundeten Verein sei keine Option gewesen, «weil der Nachfolgeverein bei der Sanierung des Kugelfangs kostenpflichtig geworden wäre».
Vereinsvermögen für die Sanierung des Kugelfangs
Die Sanierung des Kugelfangs obliegt nun der Gemeinde Madiswil. Die Pistolenschützen Lotzwil-Gutenburg werden ihr restliches Vereinsvermögen für dieses Vorhaben zur Verfügung stellen, eine Statutenänderung vor einem Jahr hat dieses Vorgehen ermöglicht. Das Schützenhaus, das in diesen Tagen komplett geräumt wird, ist nicht im Eigentum der Pistolenschützen Lotzwil-Gutenburg, sondern gehört Franz Bützberger aus Madiswil. Ein Dienstbarkeitsvertrag regelte all die Jahre die Benützung des Schützenhauses und die damit verbundenen Schiesstätigkeiten. Nach der Räumung sei die weitere Verwendung des Schützenhauses dem Besitzer überlassen, erwähnt Andreas Ryf.
Bleibt noch die Frage, was mit den aktuellen Mitgliedern des Vereins geschieht? 13 aktive Schützen seien es zuletzt noch gewesen, bemerkt Ryf. Der langjährige Vorsteher des Amtes für öffentliche Sicherheit in Langenthal betont, dass jedes Mitglied frei entscheiden könne, ob es sich einem neuen Verein anschliessen oder sein Hobby beenden wolle. Andreas Ryf selbst hat sich noch nicht entschieden, ob er sich einem anderen Verein anschliessen wird. «Ich habe jedes Jahr Schützenfeste besucht und auch am Feldschiessen teilgenommen sowie das Obligatorische absolviert. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass ich das in Zukunft beibehalten werde, ohne dass ich einem neuen Verein beitrete.» Doch vorerst gilt es, die restlichen Scheiben und Patronenhülsen auf den Anhänger zu laden und damit das letzte Kapitel in einer 87-jährigen Vereinsgeschichte abzuschliessen.
Von Walter Ryser