Der Maturand mit der Brassband im Rücken
Warum nicht auf seinen Freundeskreis zurückgreifen, um bei der Maturaarbeit zu reüssieren? Wim Christen hat für seinen Abschluss am Gymer ein eigenes Stück komponiert. Um herauszufinden, ob es spielbar ist, setzte der 18-Jährige den «Wurf» seinen Bandkollegen vor.
Heute weiss Wim Christen: Es war definitiv eine gute Idee, vor drei Jahren mit ein paar Freunden eine eigene Blechformation ins Leben zu rufen. Denn diese Gruppe, die Downtown Brass Langenthal, ist mitverantwortlich dafür, dass Christen erst kürzlich eine hervorragende Teilbewertung erhalten hat für seine Maturaarbeit am Gymnasium Langenthal. Die Mitglieder der Band, allesamt junge Leute und nicht professionelle Musikanten, fanden letzten Herbst auf ihren Notenständern ein Musikstück vor, das der 18-Jährige zuvor selbst komponiert hatte. Zusammen mit seinen Kollegen wollte Wim Christen herausfinden, ob es gelingt, das Stück in seiner Eigenart einzustudieren und schliesslich auf Tonträger zu bannen.
Talentierter Autodidakt
Schon seit 2012 arrangiert der Langenthaler für diverse Formationen Musikstücke. Bei der sogenannten «Hymn for Downtown Brass» handelt es sich um seine erste Eigenkomposition. Dass dem 18-Jährigen die Noten anscheinend mühelos von der Hand gehen, kommt nicht ganz von ungefähr. «Die Musik ist eine der grössten Leidenschaften meines Lebens», hält Christen bereits im zweiten Satz seiner Maturaarbeit fest. Seit 13 Jahren spielt er Klavier und seit sieben Jahren Saxophon. Etwas später hat er sich an die Blechblasinstrumente gewagt. Auf eigene Faust erlernte er das Spielen auf dem Euphonium, der Tuba und der Posaune. «Ich spiele jedes dieser Instrumente in irgendeiner Formation oder für mich alleine», erzählt der talentierte Autodidakt.
Für die Maturaarbeit genügte es aber nicht, lediglich ein Stück zu komponieren und dieses einzustudieren. Etwa ein Drittel der knapp 30-seitigen Abschlussarbeit ist einzig der Analyse des Werks gewidmet. Dieser Teil offenbart, mit welcher Exaktheit sich der Maturand an die Arbeit gemacht hat. Takt für Takt und Note für Note hat der 18-Jährige das insgesamt 91 Takte umfassende Stück auseinandergenommen. Wie sich sowas liest? Hier eine Kostprobe: «In Takt eins und zwei erklingt auf Schlag drei anstelle der Terz die Quarte als sogenannter Quartvorhalt. In Takt vier erklingt auf Schlag drei kurz der Eb-Moll-Akkord durch die vertiefte Terz in der ersten Posaunenstimme (klingend gb).» Für Laien hört sich das wie Kauderwelsch an. Für Wim Christen und solche, die wirklich etwas von Musik verstehen, machen die Worte Sinn.
Vor 1000 Zuhörern gespielt
Apropos Sinn: Sinnvoll fanden die Maturaarbeit auch Christens Bandkollegen. Für sie stand ausser Frage, ihrem Oberhaupt unter die Arme zu greifen. Denn Wim Christen hat nicht bloss mitgeholfen, die Downtown Brassband aus der Taufe zu heben. Er steht der Formation, die mittlerweile ein Verein ist, auch als Präsident vor und versorgt die Musikanten fortwährend mit neuen, selbst arrangierten Stücken. Die «Hymn for Downtown Brass» auf CD zu bannen, stellt für die Band denn zweifelsohne auch ein Meilenstein dar in der noch sehr jungen Vereinsgeschichte. «Es war für uns alle eine lehrreiche Erfahrung und auch eine Abwechslung», weiss Wim Christen. Denn das Jahresprogramm der sechzehnköpfigen Formation wird ansonsten hauptsächlich von Proben und einzelnen Auftritten ausgefüllt. Diese finden mehrheitlich in Langenthal und in naher Umgebung statt. Downtown Brass konnte aber auch schon vor knapp 1000 Leuten im Berner Kursaal auftreten. Im letzten Sommer nahm die Gruppe zudem an einem Brassband-Festival in Brig teil.
Üben auf dem Bauernhof
Am Anfang war Downtown Brass eine klassische Jugendformation. Unterdessen wurde die jugendliche Altersstruktur jedoch etwas aufgebrochen. Das jüngste Mitglied ist sechzehn Jahre alt, das älteste dreiunddreissig. Die Musikanten sind allesamt in regionalen Musikgesellschaften und/oder Fasnachtscliquen aktiv. Gerade was die Fasnacht betrifft, entsteht im Übungslokal, das sich in der Scheune der Langenthaler Bauernfamilie Geiser im Allmen befindet, regelmässig ein guggenübergreifender Austausch. Konkret sind Mitglieder der Vändiulüfter, Pouseblooser, Chlepf-Schitter und Akkordwürger vertreten. Dies ist auch der Grund, weshalb der Probebetrieb der Brassband nun vorübergehend zum Erliegen kommt. Durchgestartet wird erst wieder im März, wenn die Mitglieder die Fasnachtstage verdaut haben.
Auf die Karte Musik wird Wim Christen bestimmt auch in Zukunft setzen. In der Freizeit sowieso. Ob er es auch in beruflicher Hinsicht tun wird, steht noch offen. Musik zu studieren, könne er sich zwar vorstellen. Welche Zukunft jemanden erwarte, der sich beruflich in diese Richtung begebe, sei aber schwierig abzuschätzen. «Ich will mich deshalb auch noch gar nicht festlegen.» Eing.