Der Müller erhält seine Mühle zurück
Die Alte Mühle in Langenthal geht in den Besitz der Stadt zurück. Zumindest hat dies der Langenthaler Stadtrat so beschlossen. Definitiv darüber entscheiden wird das Langenthaler Stimmvolk im Frühjahr 2021. Grund für die Rückführung der Mühle in das Eigentum der Stadt ist die Überschuldung der Stiftung Mühle. Bereits in ein paar Wochen werden die Türen der Mühle wieder geöffnet, wird doch die Haslibrunnen AG bis Mitte 2023 die Alte Mühle nutzen und der Öffentlichkeit ein Gastroangebot zur Verfügung stellen.
Der Müller von Langenthal (Stadtpräsident Reto Müller) erhält seine Mühle zurück. So salopp könnte man nach der letzten Stadtratssitzung das Traktandum Rückführung der Alten Mühle in den Besitz der Stadt Langenthal umschreiben. Es ist eine Geschichte mit Hochs und Tiefs, jene der Alten Mühle in Langenthal in den letzten 40 Jahren. Im Jahr 1982 schenkte die Stadt Langenthal das Gebäude der Stiftung Mühle Langenthal (SML). Im damaligen Schenkungsvertrag wurde die Auflage formuliert, dass das Eigentum in dem Moment unentgeltlich an die Stadt zurück zu übertragen ist, wenn sich die Stiftung auflöst.
Buchgewinn von 3,12 Millionen winkt
Das ist nun der Fall, denn gemäss der Jahresrechnung 2019 der SML ist die Stiftung per 31. Dezember 2019 überschuldet. Der Stiftungsrat musste deshalb beschliessen, die Stiftung aufzulösen. Folgerichtig wird deshalb beantragt, das Eigentum an die Stadt zurückzugeben. Mit der Übertragung übernimmt die Stadt alle Rechte und Pflichten einer Eigentümerin, was unter anderem die Tragung der Unterhalts- und Betriebskosten bedeutet. Bekannt ist bereits, dass die Haslibrunnen AG (Alterszentrum) seit September bis ca. Mitte 2023 die Alte Mühle nutzen wird. Während dieser Zeit erfolgt der Rückbau des bestehenden Alterszentrums sowie der gleichzeitige Neubau. Die Bewohner werden deshalb vorübergehend in ein Provisorium ziehen, der Küchenbetrieb dagegen wird in die Alte Mühle ausgelagert, was die Verantwortlichen der Haslibrunnen AG auf die Idee brachte, gleichzeitig auch ein Gastroangebot für die Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen (ab November). Damit hofft man an frühere, erfolgreiche Mühle-Zeiten anknüpfen zu können, als im Gebäude das Design Center (1992 bis 2003) beheimatet war, oder später die B. Wälchli AG ein florierendes Gastrounternehmen betrieb (2003 bis 2012). Nach einem kurzen, erfolglosen Gastspiel der Stampfli Gastro & Hotel GmbH steht die Alte Mühle seit 2013 ungenutzt da. Für die Stadt Langenthal bedeutet die Rückführung der Alten Mühle ins städtische Eigentum einen zusätzlichen Vorteil, wird doch in der Erfolgsrechnung 2021 ein Buchgewinn in der Höhe von 3,12 Millionen Franken resultieren und das zu erwartende Defizit erheblich reduzieren.
Deshalb erstaunt es auch nicht, dass die Vorlage im Stadtrat unbestritten war. Einzig Diego Clavadetscher (FDP) wies darauf hin, dass die Arbeit damit nicht erledigt sei und die Stadt sich nun aktiv um die Zukunft der Alten Mühle bemühen müsse. «Es gilt, die entsprechende ÜO rasch anzupassen, damit künftig eine optimale Nutzung ermöglicht werden kann», hielt er fest. Der Stadtrat stimmte anschliessend dem Geschäft einstimmig zu, das jetzt noch dem Langenthaler Stimmvolk vorgelegt werden muss. Die Vorlage wird voraussichtlich im Frühjahr 2021 zur Abstimmung gelangen.
Ärger über hängige Baugesuche
Eine Spur fordernder trat der Stadtrat gegenüber dem Gemeinderat bei einer Motion der SVP-Fraktion auf, die sich mit den hängigen Baugesuchen bei der Stadt befasste. In der Motion wurde darauf hingewiesen, dass seit rund zwei Jahren beim Bauamt der Stadt Langenthal 120 bis 150 Baugesuche anstehen. Das sei kein guter Zustand für eine Stadt wie Langenthal. Das gefährde nicht bloss Arbeitsplätze, sondern führe auch dazu, dass bald niemand mehr etwas realisieren wolle, bemängelte SVP-Stadtrat Stefan Grossenbacher, der vor allem monierte, dass immer alles dreifach juristisch abgesichert werden müsse, was zu unnötigen Verzögerungen führe. «Dabei wären die Behörden eigentlich dafür da, den Bürgern zu dienen und ihnen entgegenzukommen. Doch genau das ist bei uns nicht der Fall», zeigte er sich in seiner Kritik nicht zimperlich und schloss mit der Erkenntnis: «Ich stelle diesbezüglich einfach fest: Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg.» Die Motionäre schlugen deshalb vor, nicht mehr alle anstehenden Baugesuche durch das entsprechende Fachpersonal, sondern auch durch Mitarbeiter mit KV-Ausbildung bearbeiten zu lassen. In ihrer Antwort gab die Stadtverwaltung zu verstehen, dass man einerseits zusätzliches Personal rekrutiere, andererseits im Bauinspektorat zwei Teams bilde, die sich einerseits den Altlasten und andererseits den ordentlichen Baugesuchen widmeten. Zudem nehme man eine Verfahrensbeschleunigung vor, indem man Baugesuche direkt dem Gemeinderat, respektive vorberatend der Bau- und Planungskommission unterbreite. Bislang sei dieser Schritt erst nach der Publikation und nach Vorliegen der Amts- und Fachberichte erfolgt.
Gleichbehandlung gewährleisten
Auch anderen Stadträten brennt das Thema unter den Fingernägeln, so hielt beispielsweise Daniel Bircher (FDP) fest, dass man darauf zähle, dass die Baugesuche bis Mitte 2021 abgebaut seien. Allerdings zeigte er sich skeptisch, stelle er doch fest, dass bislang keine Besserung erkennbar sei. «Es ist wichtig, dass die getroffenen Massnahmen auch auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden, damit die anstehenden Baugesuche auch tatsächlich abgearbeitet werden können», betonte Bircher. Als unhaltbar bezeichnete auch Roland Loser die Situation (SP). Er hoffe deshalb, dass mit der neuen Stadtbaumeisterin Sabine Gresch neuer Wind in diese Thematik komme. Stadtpräsident Reto Müller anerkannte, dass bei diesem Thema die Geduld mittlerweile überstrapaziert sei, dennoch gelte es darauf zu achten, dass bei den Baugesuchen eine rechtliche Gleichbehandlung stattfinde. «Aber es ist natürlich unser Ziel, in Zukunft wieder alle Baugesuche innert der gesetzlichen Frist zu bearbeiten.» Der Stadtrat erklärte abschliessend die in ein Postulat gewandelte Motion als erheblich.
Von Walter Ryser