Der «Platzhirsch» wurde entfernt
Im Tierpark in Langenthal gibt es keine Rothirsche mehr. Platzmangel und das aggressive Verhalten der Rothirsche haben dazu geführt, dass der Rothirschbestand aus dem Park entfernt wurde, geben die Verantwortlichen der Anlage zu verstehen.
Langenthal · Die Meldung hat vorab in den Sozialen Medien für einigen Aufruhr gesorgt: Über die Webseite und auf der Info-Tafel im Tierpark hat der Verschöne-rungsverein Langenthal (VVL), zuständig für die Anlage, darüber informiert, dass der Rothirschbestand aus dem Tierpark entfernt wurde. An einem Mediengespräch erläuterten die Verantwortlichen des Parks die Beweggründe für diesen Schritt.
Der Tierpark oder auch Hirschpark, wie er in der Öffentlichkeit bekannt ist, erfreut sich grosser Beliebtheit. Selbst an Wochentagen wird die Parkanlage von Dutzenden von Leuten besucht. Vor allem Eltern mit Kindern streifen den Gehegen entlang und erfreuen sich an den vielen Tieren. «Das Interesse an unserer Anlage ist riesig, nicht zuletzt wohl deshalb, weil wir eine der wenigen Tierparks in der Schweiz sind, die keinen Eintritt verlangen», begründet Marc Howald, Präsident des Verschönerungsvereins Langenthal, die Anziehungskraft der Anlage.
Auswärtige Hirsche angelockt
Doch seit drei Wochen befinden sich keine Rothirsche mehr im Gehege und können die Besucher die mächtigen Hirsche mit ihren Geweihen nicht mehr bestaunen. Der gesamte Bestand wurde entfernt. Marcel Plattner, Leiter Tierpark und Verantwortlicher Tiere beim VVL, gibt zu verstehen, dass dieser Entscheid lange gereift und wohlüberlegt getroffen worden sei. «Wir hatten in der Vergangenheit verschiedene Male Probleme mit den Rothirschen, vor allem während der Brunftzeit.» In dieser Phase seien oft auch Hirsche ausserhalb des Geheges aus dem nahen Wald angelockt worden. «Das führte dann dazu, dass sich die Hirsche durch das Gehege hindurch bekämpft haben», erläutert Plattner. Einmal sei sogar ein Zaun auf einer Länge von rund 15 Metern massiv beschädigt worden. Und ein anderes Mal sei am Morgen, als eine Schulklasse die Anlage besuchte, den Besuchern ein Rothirsch, der aus dem nahen Wald zum Gehege kam, auf der Strasse entgegengekommen. Gelegentlich sei es auch vorgekommen, dass der Rothirsch Besucher am Zaun des Geheges angegriffen habe. Zwar sei nie etwas passiert, «aber, mit seinem mächtigen Geweih könnte er durch die Maschen des Zauns hindurch eine Person treffen und verletzen», erwähnt der beruflich im Aussendienst tätige Plattner. Das aggressive Verhalten des «Platzhirsches» war jedoch nicht der einzige Grund, weshalb der Rothirschbestand aus dem Park entfernt wurde. Letzten Herbst erhielt der Tierpark von einem anderen Park eine grosse Anzahl Sikahirsche geschenkt. Dadurch wuchs der Hirschbestand beträchtlich. Das nasse Wetter zu jener Jahreszeit sorgte dann für prekäre Verhältnisse im Gehege, verwandelte sich doch die Weidefläche in ein Schlammfeld.
Zu wenig Platz und Gras
«Wir hatten auf einmal zu viele Tiere und zu wenig Gras, weil sich die Weidefläche aufgrund des hohen Tierbestandes nicht mehr erholen konnte», berichtete Marc Howald, der seit fast 30 Jahren als Anwohner, Burger von Langenthal und Präsident des VVL (seit 2020) eng mit dem Tierpark verbunden ist. Dieser Zustand rief das Veterinäramt auf den Plan. Dieses drängte die Verantwortlichen des VVL dazu, eine Lösung für den unbefriedigenden Zustand zu finden. «Letztendlich entschieden wir uns, die Rothirsche aus dem Gehege zu entfernen, nicht zuletzt auch deshalb, weil sich ein Grossteil des Bestandes in einem fortgeschrittenen Alter befand», erläuterte der 62-jährige Versicherungsfachmann Howald. Sechs der insgesamt 15 Rothirsche konnten in der Folge fremdplatziert werden, die übrigen Tiere mussten geschossen werden.
Entscheid zu Gunsten der Dam- und Sikahirsche
Dass dieser Vorgang in der Öffentlichkeit zu Diskussionen führte, versteht Marcel Plattner, zugleich macht er aber klar, dass dies ein normales Vorgehen sei. Dennoch tue man sich schwer mit dem Vollzug. «Da fliessen dann auch bei uns Tränen, das ist ein schwieriger Moment, haben wir doch eine enge Beziehung zu den Tieren», gibt der ausgebildete Jäger zu verstehen. Plattner weist darauf hin, dass man den Tierbestand regelmässig reduzieren und dafür Tiere schlachten müsse. Rund alle zwei Jahre werde der Bestand mit fremden Tieren aufgefrischt, damit keine Inzucht entstehe und es nicht zu Revierkämpfen zwischen den heranwachsenden und den älteren Tieren, den «Rudelführern», komme, schilderte der in Untersteckholz wohnhafte Plattner das Vorgehen im Park.
Für Marc Howald ist bei der ganzen Geschichte wichtig, «dass sich das gewählte Vorgehen nicht in erster Linie gegen den Rothirsch richtete, sondern ein Entscheid zu Gunsten der beiden anderen Hirscharten im Park gewesen sei. «Dadurch haben unsere Dam- und Sikahirsche wieder genügend Platz und die Weideflächen können sich entsprechend erholen, damit für die Tiere wieder genügend Gras zur Verfügung steht», betonte Howald. Zugleich habe man auch das Problem mit den Rothirschen in den angrenzenden Wäldern gelöst, gehe man doch davon aus, dass diese künftig keine Streifzüge mehr in den Tierpark machen würden.
Gleichzeitig mit der Entfernung des Rothirsch-Bestandes werden noch diverse Anpassungs- und Erneuerungsarbeiten am Park erledigt, wie Plattner und Howald weiter informierten. So werden neue Bäume gesetzt und wird das Gehege erneuert und wieder in einen Top-Zustand gebracht. «Wir wollen die Anlage auf einem hohen, tiergerechten Niveau betreiben. Darin soll ein schöner Bestand von gesunden und gut betreuten Tieren Platz finden, damit die Besucher auch weiterhin gerne in den Park kommen und sich an den Tieren erfreuen», betonte Marc Howald.
Von Walter Ryser