• So gross sind momentan die Probleme in seinem Unternehmen: Urs Rickenbacher, CEO der Lantal AG in Langenthal, muss massiv Stellen abbauen. · Archivbild: Thomas Peter

06.08.2020
Langenthal

Der schlimmste Moment für den Firmenchef

«Das ist zweifellos der schlimmste Moment in meiner 17-jährigen Tätigkeit als CEO der Lantal AG», sagt Urs Rickenbacher nach

der Bekanntgabe, dass seinem Unternehmen eine Massenentlassung von bis zu 75 Mitarbeitern droht.

Langenthal / Melchnau · Die Meldung schockt die Region und doch hat man so etwas irgendwie kommen sehen: Das Textilunternehmen Lantal in Langenthal hat vor zwei Tagen bekanntgegeben, dass eine Massenentlassung droht. Das Unternehmen, das in der Herstellung und Vermarktung von Textilien und Dienstleistungen für den internationalen Luft-, Bus- und Bahnverkehr sowie für VIP-Jets und Superjachten tätig ist, muss aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie massiv Stellen abbauen. Laut einer Mitteilung sollen bis zu 75 Arbeitsplätze von rund 260 am Hauptsitz in Langenthal sowie in Melchnau gestrichen werden.
Auch Lantal-CEO Urs Rickenbacher zeigt sich gegenüber dem «Unter-Emmentaler» geschockt über die Entwicklung in seinem Betrieb: «Wenn weltweit grosse Fluggesellschaften in Konkurs gehen und ein Grossteil der Flugzeuge am Boden bleibt, dann benötigt kein Flugzeug neue Teppiche oder Sitzüberzüge. Diese Situation hat Auswirkungen auf die ganze Branche und letztendlich auch auf unser Unternehmen», bemerkt der CEO des Langenthaler Traditionsunternehmen. Nach den weltweiten Lockdowns aufgrund der Corona-Pandemie habe es in der Flugbranche richtig «gräblet», sagt Rickenbacher.

Ein unhaltbarer Zustand
Dieses Rumpeln ging weit über die Flughäfen hinaus und war letztendlich auch in Langenthal deutlich zu spüren. «Bis Ende März verzeichneten wir noch relativ vernünftige Zahlen, doch im April mussten wir einen Umsatzrückgang von 85 Prozent hinnehmen. Das ist ein extrem hoher Wert», erzählt Urs Rickenbacher. Natürlich habe man sofort auf das Instrument Kurzarbeit zurückgegriffen, doch für den Lantal-CEO war rasch klar, dass diese Massnahme nicht ausreichen dürfte, um das Überleben des Unternehmens zu sichern. «Ein solcher Umsatzrückgang ist ein absolut dramatisches Ereignis», gibt Urs Rickenbacher zu verstehen. Während seiner 17-jährigen Tätigkeit bei Lantal habe er schon einige Male Kurzarbeit einführen müssen. Er spricht dabei von maximal 30 Prozent Arbeitsreduktion, «doch in der jüngsten Krise trifft es bei uns Leute, die lediglich noch einen halben Tag pro Woche zur Arbeit erscheinen. Entsprechend demotiviert sind diese Leute. Auf längere Sicht gesehen ist das ein unhaltbarer Zustand.»
Man habe mit vielen Airlines das Gespräch gesucht und verschiedene Szenarien entwickelt. Rickenbacher gibt zu, dass er sich schwergetan habe, Massnahmen zu ergreifen. «Ich habe den Entscheid lange vor mich hergeschoben, es war zweifellos der schlimmste Moment in meiner bisherigen Lantal-Karriere», gibt er zu verstehen. Aber er habe keinen anderen Ausweg mehr gesehen. Bis zu 75 der rund 260 Arbeitsplätze in Langenthal und Melchnau dürften in den nächsten Wochen und Monaten abgebaut werden. «Diese Leute haben nichts falsch gemacht, im Gegenteil, viele von ihnen waren lange bei uns und haben einen guten Job verrichtet. Sie entlassen zu müssen ist wirklich schrecklich», sagt Rickenbacher sichtlich geschockt.

Know-how bleibt in Langenthal
Gleichzeitig wird auch ein Teil der Produktion in die USA verlagert. Rickenbacher präzisiert: «Alles, was mit Entwicklung, Design und der Herstellung von Mustern zu tun hat, bleibt in Langenthal, weil wir das gesamte Know- how weiterhin am Hauptsitz behalten wollen. Sobald ein Auftrag definitiv erteilt wird, erfolgt die Fertigung künftig ausschliesslich in unserem Werk in den USA.» Der Lantal-CEO verbreitet just in der aktuell düsteren Situation Zuversicht. Er glaube an die Zukunft der Flugbranche und damit auch an sein Unternehmen und den Standort Langenthal. «Die Menschen werden wieder reisen. Aufgrund unserer Gespräche mit den verschiedenen Airlines glauben wir, dass wir bis 2023 weltweit wieder bei rund 90 Prozent jener Flugfrequenz sein werden wie im letzten Halbjahr vor dem Lockdown», verbreitet Rickenbacher Optimismus. Das würde auch seinem Unternehmen wieder Wachstumschancen eröffnen.

Bis Ende Jahr Abbau vollziehen
Doch vorerst geht es darum, einen massiven Stellenabbau zu bewältigen. Urs Rickenbacher weist darauf hin, dass man sich mit dem Abbau von 75 Arbeitsplätzen im Bereich einer Massenentlassung befinde und damit gesetzliche Vorgaben einhalten müsse. Es gelte, einen Sozialplan auszuarbeiten, Möglichkeiten zu prüfen wie man sozialverträglich Stellen einsparen könne und weitere Massnahmen zu prüfen, um Entlassungen zu vermeiden. Ende Augst erfolge dann eine Endbeurteilung und anschliessend die Umsetzung der Massnahmen. Urs Rickenbacher verspricht: «Im Bereich unserer Möglichkeiten werden wir die Mitarbeitenden bei diesem Prozess begleiten und unterstützen.» Bis Ende Jahr, so der Lantal-CEO, solle der Bereinigungsprozess grossmehrheitlich abgeschlossen sein.

Von Walter Ryser