Der Stadtrat fordert eine Schuldenbremse
In Langenthal soll eine Schuldenbremse die städtischen Finanzen stabilisieren. Eine entsprechende Motion der bürgerlichen Fraktionen wurde im Stadtrat, zum Missfallen der linken Ratshälfte, angenommen und der Gemeinderat mit der Ausarbeitung einer Vorlage beauftragt.
«Die Stadt Langenthal befindet sich in einer vergleichsweise guten und beneidenswerten Situation», stellte SVP-Stadtrat Patrick Freudiger bei der letzten Sitzung des Stadtrates mit Blick auf die städtische Finanzlage erleichtert fest. Dennoch ergriff seine Partei, zusammen mit den Fraktionen von FDP/jll sowie GLP/EVP, die Initiative und lancierte eine Motion, mit der Forderung, eine Schuldenbremse einzuführen, um die finanzielle Lage der Stadt zu stabilisieren. «Aufgrund des beträchtlichen Eigenkapitals befinden wir uns in der komfortablen Lage, dass wir noch rechtzeitig handeln und Massnahmen ergreifen können», führte Freudiger weiter aus, mit dem Hinweis auf andere Städte wie Biel oder Köniz, deren Finanzhaushalt komplett aus den Fugen geraten ist. Zudem wies er darauf hin, dass allfällige Steuererhöhungen beim Volk nicht so einfach durchzubringen seien, wie jüngst das Beispiel in Herzogenbuchsee gezeigt habe, wo die Stimmberechtigten das Budget 2023 mit einer Steuererhöhung abgelehnt haben.
Frust über bürgerliche Anliegen
Begründet wird der Vorstoss damit, dass das Budget 2023 trotz einer Steuererhöhung von 1,38 auf 1,44 Einheiten nach wie vor ein Defizit von rund vier Millionen Franken aufweist. Dazu sind die Aussichten in den kommenden Jahren nicht besser, rechnet man doch mit weiteren, happigen Defiziten bis 2027. Bei dieser Ausgangslage bestehe grundsätzlich Handlungsbedarf, betonen die Motionäre in ihrem Vorstoss. «Will die Stadt Langenthal wieder auf den Weg konsolidierter Finanzen zurückkehren und dabei gleichzeitig eine im kantonalen Vergleich attraktive Steueranlage beibehalten, sind zusätzliche Instrumente auf Stufe Stadtverfassung sowie gegebenenfalls weiterer Reglemente erforderlich», führte Patrick Freudiger weiter aus, weshalb man die Einführung einer Schuldenbremse fordert. Zur Ausarbeitung der Vorlage sei eine nichtständige Kommission einzusetzen, die aus einer zu definierenden Anzahl Mitgliedern, wenn möglich solchen des Stadtrates, bestehe.
Bei der linken Ratshälfte stiess das Vorhaben auf heftigen Widerstand. SP-Stadträtin Saima Linnea Sägesser warf der bürgerlichen Seite vor, statt kreative und innovative Vorschläge einzubringen, würden die Bürgerlichen in dieser Stadt alles verreglementieren und einengen. Sie befürchte zunehmenden Frust und Wut beim Gemeinderat, bei der linken Ratshälfte, aber auch in der Bevölkerung, wenn in dieser Stadt bald gar nichts mehr gehe, drückte sie ihre Besorgnis aus. FDP-Stadtrat Diego Clavadetscher versuchte zu beschwichtigen und sagte, dass man mit diesem Vorstoss den Einwohnern von Langenthal signalisiere, dass die politischen Gremien gewillt seien, mit den Stadtfinanzen sorgfältig umzugehen.
SP-Stadträtin Nathalie Scheibli zweifelte, dass die Schaffung eines weiteren Gremiums dazu beitragen werde, die verhärtete Debattenkultur zu verbessern und aufzuweichen. Sie gab weiter zu verstehen, dass sie nicht gewillt sei, eine juristische Debatte über Langenthals Finanzhaushalt zu führen, «viel besser wäre es, wenn wir uns endlich einmal darüber unterhalten würden, wohin wir eigentlich mit Langenthal wollen, welche Vision wir für unsere Stadt haben.»
«Schuldenbremse» schon vorhanden
SVP-Gemeinderat Roberto Di Nino erwähnte, dass der Gemeinderat zwar die Stossrichtung der Motion begrüsse, weil man genauso eine Konsolidierung der städtischen Finanzpolitik anstrebe, bei einer gleichzeitigen, attraktiven Steueranlage. «Allerdings sind wir uns nicht einig über den zu beschreitenden Weg, der zu diesem Ziel führen soll», bemerkte er weiter. Richtig sei, dass die Schulden aufgrund der grossen Investitionstätigkeit in den kommenden Jahren ansteigen werden. «Für die Grösse unserer Stadt und der hiesigen Wirtschaftskraft ist dies aber überhaupt nicht problematisch. Wir stehen selbst hier im Vergleich mit anderen Städten und Kommunen solide da. Da wird meines Erachtens ein Problem heraufbeschworen, das gar nicht existiert», zeigte er sich irritiert vom Vorstoss. Zudem erwähnte er, dass der Gemeinderat eine Zielgrösse für künftige Defizite sowie eine Investitions-Höchstquote festgelegt habe. Damit verfüge man heute faktisch bereits über eine Schuldenbremse, weshalb Roberto Di Nino dem Rat klar zu verstehen gab, dass der Gemeinderat die Motion in grossen Teilen als nicht erheblich einstuft. Doch der bürgerliche Block im Stadtrat zeigte sich unbeeindruckt und setzte sich in der Abstimmung klar durch. So wurde die Motion mit Weisungscharakter deklariert und als erheblich erklärt und der Gemeinderat mit der Ausarbeitung einer entsprechenden Vorlage sowie der Einsetzung einer nichtständigen Kommission beauftragt.
Zukunft Eissport äusserst fraglich
Kein Hellseher muss man sein, um zu erahnen, dass eine allfällige Einführung einer städtischen Schuldenbremse weitere Auswirkungen auf die jüngste Entwicklung rund um den Eissport in Langenthal haben dürfte, weil unter diesem Gesichtspunkt eine millionenteure Sanierung der bestehenden Eishalle in Schoren praktisch ausgeschlossen werden kann. Dies bedeutet nichts anderes, als dass die Zukunft des Eissportes in Langenthal und jene des SC Langenthal auf äusserst dünnem Schoren-Eis steht. Zudem stehen Ende 2024 in Langenthal Gesamterneuerungswahlen an, weshalb angenommen werden kann, dass der aktuelle Gemeinderat bei diesem «heissen» Dossier keine grossen Stricke mehr zerreissen wird, wie dies in diesem Gremium bereits die letzten 20 Jahre der Fall war. Da nützten auch die ausführlichen Erklärungsversuche von Stadtpräsident Reto Müller zum Schluss der Stadtratssitzung nicht viel, als er in rechtfertigenderweise darlegte, weshalb der Gemeinderat im Herbst entschieden hat, das Projekt «Neubau Eissportarena Hard» nicht weiter zu verfolgen.
Präsidium: Michael Schenk folgt auf Beatrice Lüthi
Mit der letzten Langenthaler Stadtratssitzung 2022 endete nicht bloss das Präsidialjahr von Beatrice Lüthi, die FDP-Stadtratspräsidentin verabschiedet sich zugleich auch aus dem Stadtrat. In ihrer Abschiedsrede äusserte sie persönliche Wünsche, etwa, dass in Zukunft mehr Frauen für politische Ämter kandidieren und auch gewählt würden; dass Politik wieder vermehrt pragmatisch und bodenständig betrieben werde oder dass politische Gremien wieder vermehrt miteinander arbeiten und sich nicht ständig als Gegner betrachten würden.
Ihre Nachfolge tritt der bisherige Stadtrats-Vizepräsident, Michael Schenk (SVP), an. Der 53-jährige Unternehmer (Blumengeschäft) sitzt seit 2013 im Stadtrat. Neue Vizepräsidentin wird die 29-jährige Produktions- und Geschäftsleiterin, SP-Stadträtin Saima Sägesser, die seit 2019 dem Stadtrat angehört. Die Geschäftsprüfungskommission wird ab Januar 2023 von Dyami Häfliger (GLP) präsidiert, als Vize amtet SVP-Stadtrat Martin Lerch.
Die Verwendung des Ratskredites in der Höhe von 1000 Franken oblag dieses Jahr der FDP-/jll-Fraktion. Diese entschied sich, den Betrag dem Repair Cafe Langenthal zukommen zu lassen. Dieses wurde 2017 gegründet und bezweckt, Gegenstände zu reparieren, statt wegzuwerfen. Am Standort in der Alten Mühle können Interessierte mit Unterstützung von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern ihre defekten Gebrauchsgegenstände wieder instandsetzen. «Damit fördert diese Initiative den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen sowie das Umweltbewusstsein», erläuterte FDP-Stadträtin Jana Fehrensen im Namen ihrer Fraktion.
Von Walter Ryser