• Das Thalia-Theater Wien bot dem Langenthaler Publikum einen begeisternden und überzeugenden «Vogelhändler» – notabene vor ausverkauften Rängen. · Bild: zvg

09.01.2019
Langenthal

«Der Vogelhändler» füllte das Stadttheater

Das Thalia-Theater Wien sorgt mit der Operette «Der Vogelhändler» für ein ausverkauftes Stadttheater. Das mit bekannten Melodien wie «Schenkt man sich Rosen im Tirol» und «Ich bin die Christel von der Post» verwöhnte Publikum verabschiedet sich am Ende mit Standing Ovations.

Die zuweilen totgesagte, als «kleine Oper» bezeichnete Operette vermag allen Unkenrufen zum Trotz immer noch Theatersäle zu füllen. So auch am Freitagabend das 400-plätzige Stadttheater Langenthal mit Carl Zellers «Der Vogelhändler». 45 Interessierte lassen sich im Vorfeld mit der Einführung von Harald von Arx – er ist an der Musikschule Oberaargau in Langenthal mit einem Teilpensum als Klavierlehrer tätig – den Komponisten Carl Zeller und die Handlung seiner Operette «Der Vogelhändler» näher bringen. Der am 19. Juni 1842 in Niederösterreich geborene Sohn eines Arztes habe schon als Kind mehrere Instrumente gespielt und sei mit elf Jahren Sängerknabe der kaiserlichen Hofkapelle in Wien geworden. Im Hauptberuf sei er Staatsbeamter gewesen. Komponiert habe er nebenbei – in 20 Jahren bloss sechs Bühnenwerke. «Der Vogelhändler», am 10. Januar 1891 im Theater an der Wien uraufgeführt, sei aber neben «Der Ober-
steiger» die einzige Operette gewesen, die sich habe behaupten können.
Zeller sei am 17. August 1898 in Baden bei Wien, «physisch und psychisch schwer krank», im Alter von 56 Jahren gestorben.
Weil Dirigent Milan Kanák erkrankt ist, leitet in Langenthal der für die Choreinstudierung zuständige Jan Snítil das Orchester der Nordböhmischen Oper Usti an der Elbe mit den Solisten des Thalia-Theaters Wien. Die Ouvertüre ist schon deshalb ein Genuss, weil sie mehrere bekannte Melodien enthält, die zu den Juwelen der Operette zählen.

Wildschwein und Jungfrau gesucht
Wildmeister Baron Weps (Ivaylo Guberov) soll im kurfürstlichen Wildpark zu Ehren des Kurfürsten eine Jagd vorbereiten, muss aber erfahren, dass die Bauern beim Wildern alle Wildschweine abgeschossen haben. «Kein Wildschwein mehr vorhanden. Wir schossen sie zu Schanden», so Dorfschulze (Bürgermeister) Schneck (Thomas Malik). Baron Weps verkündet diesen Ist-Zustand mit dem Lied «Ihr habt gestohlen niederträchtig, früher war der Saustand prächtig.» Der Kurfürst, als Schürzenjäger bekannt, möchte nicht nur ein Wildschwein schiessen, sondern sich auch mit einer Jungfrau vergnügen. «Jekus! Jekus! Das ist schwer. Wo nimmt man gleich Jungfrau’n her. Alle sind vergeben schon. Excellenz pardon, pardon», besingt Schneck diese Misere.

«Grüss euch Gott, alle miteinander»
Gegen einen ansehnlichen Geldbetrag, den er für seinen stets mit Schulden überhäuften Neffen Graf Stanislaus (Michael Kurz) benötigt, ist Baron Weps bereit, dem Kurfürsten als «Ersatz» ein normales Schwein zu liefern – halt schwarz angemalt. Plötzlich sorgt die kurzfristige Jagd-Absage des Kurfürsten für eine Katastrophe: Kein Fürst, keine Audienz, keine Kaution und damit kein Geld für Graf Stanislaus. Baron Weps lässt nun, um zu dem Geld zu kommen, seinen Neffen Stanislaus als Kurfürst auftreten. «Grüss euch Gott, alle miteinander», singt der Chor und begrüsst Vogelhändler Adam, der gut gelaunt ein Lied vorträgt: «Schaut’s euch meine Vögel an, lasst’s mich was verdienen dran.» Auch die reizende Christel mit den blonden Zöpfen (Verena te Best) tritt auf und stellt sich singend vor: «Ich bin die Christel von der Post. Klein das Salär und schmal die Kost.» Christel und Vogelhändler Adam (Richard Klein) sind füreinander bestimmt. Weil Adam keine Festanstellung hat, müssen Heiratspläne jedoch vorerst noch warten. Adam und der Chor singen «Schenkt man sich Rosen im Tirol, weiss man, was das bedeuten soll.»

Professoren Süffle und Würmchen
Christel möchte als Bittstellerin beim Kurfürsten eine Anstellung für Adam erwirken, damit sie und Adam endlich heiraten können. Als dies Adam erfährt, wird er eifersüchtig und verbietet Christel, den Kurfürsten zu treffen. Christel jedoch ist entschlossen, die Bittschrift zu überreichen. Sie lässt sich täuschen und hält Stanislaus für den Kurfürsten. Natürlich erfährt Vogelhändler Adam vom Stelldichein Christels mit dem angeblichen Kurfürsten. Er wendet sich empört von Christel ab und erkürt Marie (Heidi Manser) zu seiner neuen Braut. Mit ihr hatte er gescherzt – ohne zu bemerken, dass sich hinter Bauernmädchen Marie die verkleidete Kurfürstin verbirgt, die ihren erotische Abenteuer suchenden Gemahl bei der Jagd nach Wildschweinen und Jungfrauen mit einem Besuch überraschen will.
Köstlich der Auftritt der beiden Professoren Süffle (Rudolf Pfister) und Würmchen (Thomas Malik), die als Prüfungskommissäre das Wissen von Vogelhändler Adam erkunden sollen. «Ich bin der Prodekan, man sieht mir’s gar nicht an», singen sie, flechten mit Bezug auf die «Fakultät Langenthal» Lokalkolorit ein und stellen Adam Fragen, welche dieser absichtlich wirr beantwortet. Adam auf die Frage, weshalb Schwäne lange Hälse haben: Diese seien bei Hochwasser nützlich. «Wie mein Ahndl zwanzig Jahr und a g’sunder Wildschütz war», singt der eifersüchtige Dickschädel Adam. Er leitet das Ende des 2. Aktes ein.

«Als geblüht der Kirschenbaum»
Mit dem Lied «Als geblüht der Kirschenbaum, ging ich zum Walde wie im Traum. An des Brunnens kühlem Rand, wo hell die weisse Birke stand», sorgt die Kurfürstin für Melancholie auf der Bühne und im Publikum. Das reizvolle, volkstümliche Verwechslungs- und Verwirrspiel – die Operette «Der Vogelhändler» spielt in der Rheinpfalz zu Beginn des 18. Jahrhunderts – nimmt seinen Lauf. Der Chor verkündet im Finale eine zum Schmunzeln animierende Lebensweisheit: «Ja, man kann sich leicht blamieren, will mit Frauen Krieg man führen.» Weil sich Adam mit Christel versöhnt, hat er allen Grund, wieder fröhlich zu sein. Er kann nun Christel zum Traualtar führen. Sogar eine Doppelhochzeit ist angesagt, denn auch die millionenschwere «alte Schachtel», Baronin Adelaide (Dagmar Truxa), hat sich noch einen Mann fürs Leben geangelt: Baron Weps hat sich – angestachelt mit spitzen Bemerkungen wie «Je länger du wartest, desto älter wird sie» – ihrer erbarmt. Das Happy End ist perfekt.

Standing Ovations
Das spielfreudige Ensemble verabschiedet sich mit der Zugabe «Schenkt man sich Rosen im Tirol» vom Publikum. Dieses bringt mit Standing Ovations zum Ausdruck, wie es die Leistung des Ensembles beurteilt. Auch diesmal ist «Marco aus Thun» Auslöser für den stehenden Beifall. Der in der ersten Reihe sitzende grossgewachsene Mann ist seit Jahren jeweils der Erste, der stehend applaudiert. Auch diesmal folgen ihm fast alle im 400-köpfigen Publikum. Dieses hat mit «Der Vogelhändler» eine klassische Operette genossen, deren eingängliche Melodien noch lange in den Ohren nachhallen werden.

Von Hans Mathys