• Für rund 525 000 Franken soll demnächst das Dach des Wohnteils beim Römisch-katholischen Kirchgemeindehaus in Langenthal saniert und mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet werden. · Bild: Walter Ryser

23.11.2023
Langenthal

Deutlich mehr Kirchenaustritte als üblich

Die Veröffentlichung einer Pilotstudie über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche hat auch bei der Römisch-

katholischen Kirchgemeinde Langenthal Spuren hinterlassen. So habe man deutlich mehr Kirchenaustritte zu verzeichnen

gehabt als in früheren Jahren, informierte Präsident Philippe Groux an der Kirchgemeindeversammlung.

Die Veröffentlichung der Resultate einer Pilotstudie zu sexuellen Übergriffen in der katholischen Kirche sorgte dieses Jahr für ein richtiges Erdbeben in der Römisch-katholischen Kirchgemeinde. Davon betroffen ist auch die Römisch-katholische Kirchgemeinde Langenthal, wie an der Kirchgemeindeversammlung zu vernehmen war. Präsident Philippe Groux (Huttwil) informierte die 38 anwesenden Personen (0,62 Prozent der 6124 stimmberechtigten Kirchenmitglieder), dass man nach der Veröffentlichung der Studie viele Kirchenaustritte habe verzeichnen müssen. «Deutlich mehr als sonst üblich», zeigte sich der Präsident betroffen von den Ereignissen. «Aussergewöhnlich viele Austretende sind älter als ich. Einige erzählen uns, was ihnen oder ihren Verwandten in ihrer Jugend widerfahren ist», berichtete der Präsident weiter. Persönliche Briefe würden von ihm und Pastoralraumleiter Francesco Marra (Pfarrei Wangen) ebenfalls persönlich beantwortet. Der Pastoralraumleiter rufe zudem einzelne Person auch an. Philippe Groux gab aber zu verstehen, dass es in solchen Fällen nicht einfach sei, die richtigen Worte zu finden.

Groux fordert Kulturwandel
Eines sei für ihn aber gewiss, betonte der Huttwiler: «Wegschauen ist keine Option, schweigen ist keine Option und vergessen ist ebenfalls keine Option.» Mit einem aktiven Handeln in dieser Angelegenheit verfolge die Römisch-katholische Kirchgemeinde Langenthal drei Ziele, erläuterte Groux weiter. «Die Opfer sollen die Unterstützung erhalten, die sie brauchen. Die Täter sollen keine weiteren Taten begehen können. Und wir müssen aus dem Geschehenen lernen und überprüfen, was wir noch machen können, damit Missbrauch künftig verunmöglicht wird.» Die Kirchgemeinde stehe für einen Kul­turwandel ein, der bereits vor einigen Jahren begonnen habe. «Mein Vorgänger Robert Zemp hat mit seinen Ratskollegen Mauern einge­rissen, Macht­strukturen zerstört. Denn Macht­­konzentration verführt und begünstigt den Missbrauch», sagte Philippe Groux, für den klar ist: «Das Kirchenrecht in Ehren, aber die Aufarbeitung innerhalb der klerikalen Struk­turen genügt nicht, um das zerstörte Vertrauen wieder aufzubauen. Es müssen externe Fachpersonen herbeigezogen werden.»

Davide Vietri neu im Kirchgemeinderat
Dabei ging Philippe Groux auch äusserst selbstkritisch mit der Römisch-katholischen Kirche um und stellte einige unangenehme Fragen in den Raum: «Wieso schweigen immer noch so viele? Wieso kann ein Stadtberner Priester Morddrohungen erhalten, weil er auf die Missstände hingewiesen hat? Wieso steht kein Amtsträger hin und sagt: Das akzeptieren wird nicht?» Der Präsident der Römisch-katholischen Kirchgemeinde Langenthal ist deshalb überzeugt: «Das Wegschauen und Schweigen der Verantwortlichen verursacht viel Leid und schädigt unsere Gemeinschaft.»
Neben diesen Informationen hatten die Anwesenden aber auch noch über einige Geschäfte zu befinden. Beispielsweise über das Budget für das Jahr 2024, das bei einem gleichbleibenden Steuersatz von 0,19 Einheiten der einfachen Steuer einen Aufwandüberschuss von 182 360 Franken vorsieht. Insgesamt sind im nächsten Jahr Investitionen in der
Höhe von 675 000 Franken vorgesehen. 150 000 Franken wurden für die Innensanierung der Kirche Herzogenbuchsee veranschlagt. 525 000 Franken wird die Sanierung des Daches beim Wohnteil des Kirchgemeindehauses in Langenthal kosten. Hier schlägt vor allem der Bau einer Photovoltaikanlage mit 292 600 Franken stark zu Buche. Die anwesenden Kirchenmitglieder genehmigten den erforderlichen Kredit jedoch einstimmig. Ohne Diskussionen wurde auch die fünfte Teilrevision des Personalreglementes genehmigt. Bei einer kontrollmässigen Überprüfung hat die Personalkommission festgestellt, dass im Vergleich mit anderen Kirchgemeinden die Gehaltseinteilungen bei einigen Stellen mindestens zwei Gehaltsklassen tiefer ausfallen. Mit der Teilrevision wird diese Ungleichheit beseitigt. Im Traktandum Wahlen wurde für den aus persönlichen Gründen aus dem Kirchgemeinderat ausgetretenen Christoph Schifferle ein Nachfolger gewählt. Dabei sprach die Versammlung Davide Vietri aus Oberbipp (Pfarrei Wangen) das Vertrauen aus. Für die Wahl ins Landeskirchenparlament stellen sich folgende vier Personen zur Verfügung: Christine Käser (Pfarrei Wangen, bisher), Gaby Schalbetter (Pfarrei Herzogenbuchsee, bisher), Philippe Groux (Pfarrei Huttwil, neu) und Manfred Frenzen (Pfarrei Langenthal, neu).

Von Walter Ryser