• Es muss nicht immer nur das traditionelle Schulzimmer sein. Sam und Sue Schmid im Waldschulzimmer, das Sue Schmid vor drei Jahren als Initiantin ins Leben gerufen hat. · Bilder: Marion Heiniger

  • Im Waldschulzimmer macht die Schule doppelt Spass. · Bild: zvg

  • Sam Schmid bei seinem letzten SMS-Chor-Konzert mit seiner Klasse 7d+ als Vorband.

29.06.2023
Huttwil

Die Arbeit mit den Kindern als Lebenselixier

Nach 40 Jahren im Lehrberuf gehen Samuel «Sam» und Susanne «Sue» Schmid in die frühzeitige Pension. Im Gespräch mit dem

«Unter-Emmentaler» erzählen sie über ihren Beruf, der sich in all den Jahren zwar stark verändert hat, aber nie langweilig wurde.

Obwohl sie sich nicht bewusst den Beruf als Lehrerin und Lehrer ausgesucht hatten, sind sich Sue und Sam Schmid heute einig: «Rückblickend gesehen haben wir die richtige Wahl getroffen.» Während Sam Schmid sich beim Unterrichten von Jugendlichen wohl fühlt, findet Sue Schmid die Zusammenarbeit mit jüngeren Kindern spannend. «Das Schöne am Lehrberuf ist, dass man mit Kindern zusammenarbeiten kann, die noch so natürlich daherkommen. Die Kinder geben mir so viel zurück. Wenn ich ein Lächeln sehe, wenn ich Begeisterung sehe, von dem lebe ich.» Ausserdem sei der Lehrberuf nie langweilig, dafür aber vielfältig, kreativ und er halte jung, da kein Tag wie der andere sei. «Für mich eine totale Bereicherung, ein Lebenselixier, was ich hier mit den Kindern erleben darf.» Am liebsten hat Sue Schmid die kreativen Fächer und diejenigen Themen, welche mit der Natur zu tun haben. «Vor drei Jahren habe ich ein Waldschulzimmer eingerichtet. Ausprobieren, forschen und entdecken ist zwar aufwändig, aber megaschön. Ich unterrichte aber auch gerne Mathematik», schwärmt die Lehrerin.
Während Sue Schmid seit Jahren im Schulhaus Nyffel an der Unterstufe unterrichtet, lehrt ihr Mann Sam Schmid in Huttwil an der Oberstufe (Realklasse) und früher Schülerinnen und Schüler des zehnten Schuljahres (Weiterbildungsklasse WBK 1994 bis 2001 und Berufsvorbereitendes Schuljahr BSA 2001 bis 2016). Wir wurden noch als «Mehrkämpfer» ausgebildet, das heisst, wir mussten am Lehrerseminar alle Schulfächer belegen und konnten danach auch alle Fächer unterrichten. Heute ist das anders, da kann man sich auf gewisse Fächer spezialisieren», erklärt Sam Schmid. Er habe aber besonders während seiner WBK- und anfangs der BSA-Zeit sehr gerne Musik unterrichtet. «Mit den jungen Leuten zu singen, war etwas vom Schönsten, was ich erleben durfte.» Aber auch Mathematik, Geografie und Geschichte gehören zu Sam Schmids Lieblingsfächern. «Mit den Jugendlichen kann man sich wunderbar über Napoleon unterhalten», schwärmt auch Sam Schmid von seinem Beruf. Zudem habe er während seiner Zeit des zehnten Schuljahres sehr viel über die Jugendlichen gelernt. «Bei der Persönlichkeitsbildung wurde der Rucksack fürs Leben gepackt, dabei habe ich viel Schönes, aber auch einige weniger schöne Dinge über meine Schülerinnen und Schüler in Erfahrung gebracht. Das konnte manchmal schon sehr belastend sein.»

Schwierige Berufswahl
Seit 31 Jahren unterrichtet Sue Schmid an der Schule in Nyffel. Nach der Ausbildung zur Lehrerin vor 40 Jahren herrschte ein Lehrerüberfluss und sie konnte nicht gleich in den erlernten Beruf einsteigen. «Ich arbeitete ein halbes Jahr lang in einer Gärtnerei, bevor ich meine erste Teilpensumsstelle an der Schule in Kernenried-Zauggenried antreten konnte.» Es folgten einige Stellvertretungen und Teilpensa an weiteren Schulen, unter anderem in Auswil und Gondiswil, bis sie 1992 ins Schulhaus Nyffel wechselte und dort zusammen mit ihrem Mann, der damals in Nyffel Oberlehrer war, eine Stelle an der Oberstufe teilte. Später unterrichtete sie Klassen auf allen Stufen, bis sich eine Stellenteilung auf der Unterstufe ergab. «Seither unterrichte ich dort als Klassenlehrerin.»
Dabei war Lehrerin ursprünglich gar nicht ihr Traumberuf. Sue Schmid, die in einem Einfamilienhausquartier in Ersigen aufgewachsen ist und Kunstturnen liebte, erzählt: «In der sechsten Klasse hatte ich auf Drängen der Lehrer die Gymi-Prüfung gemacht und leider auch bestanden. Aber ich wollte gar nicht ans Gymnasium und habe mich deshalb zu Hause quergestellt. Meine Mutter ging daraufhin mit mir zur Berufsberatung und dort kam heraus, dass ich gerne kreativ arbeite. Danach habe ich als Drogistin geschnuppert, was mir auch sehr gut gefallen hat, und ich hatte eine Aussicht für eine Banklehre gehabt, die ich aber nicht haben wollte. Bei meiner Gotte, die Lehrerin war, durfte ich zwischendurch in der Klasse mithelfen, das hat mich geprägt.» So entschied sich Sue Schmid, die Lehrerseminarprüfung zu machen.
Bei Sam Schmid verlief die Berufswahl etwas fremdbestimmter. «Aufgewachsen bin ich auf einem Bauernhof in den Wynigen-Bergen, damals noch Postkreis Schmidigen», scherzt der Oberstufenlehrer. Auf einem Bauernhof aufzuwachsen, bedeutete für den jungen Samuel viel Arbeit zu Hause – auch nach der Schule. Die Primarschule besuchte er in Kappelen, die Sekundarschule in Wynigen. «Meine Klassenlehrerin in der sechsten Klasse war der Ansicht, dass ich ins Gymnasium sollte. Doch für mich war ja schon Wynigen ein Kulturschock und dann sollte ich noch nach Burgdorf? Als totales Landei hätte ich dort keine Chancen gehabt», gibt Sam Schmid unumwunden zu.
Das Gymnasium kam also für ihn nicht in Frage. Seine anschliessende Berufswahl ging danach schnell. «Meine Lehrer hatten an einem Elternabend meinen Eltern gesagt, ich solle ins Lehrerseminar und voilà, so war es dann auch. Lehrer zu werden war zwar nicht mein Traumberuf, zu der Zeit wusste ich aber noch gar nicht, was ich eigentlich wollte. Ich war dermassen unselbstständig und deshalb froh, dass mir endlich jemand sagte, was ich machen sollte. Doch heute muss ich sagen, es war die richtige Wahl. Ich fühle mich um die Jugendlichen herum sehr wohl. Ich bin happy.» Sam Schmids Schullaufbahn begann 1983 im Schulhaus Schwarzenbach und im Städtlischulhaus, später wechselte er ins Schulhaus Nyffel, wo er zehn Jahre an der Oberstufe unterrichtete.
Und wo haben sie sich nun kennengelernt? «In der Talent-Schmidi im Semer», scherzt Sue Schmid, die das Wortspiel mit dem Namen Schmid ebenso wie ihr Mann beherrscht. «Wir gingen in die gleiche Klasse, nach rund zweieinhalb Jahren sind wir zusammengekommen.» Und Sam Schmid ergänzt:«Im Fach Geografie sind wir zusammengesessen, so hat sich das eine und andere ergeben.»

Veränderung im Lehrberuf
In den vergangenen vierzig Jahren, seit Sue und Sam Schmid unterrichten, hat sich der Lehrberuf markant verändert. Die Zeit brachte neben den technischen Veränderungen auch eine Zunahme in der Bürokratie. Verändert hätten sich aber auch die Menschen, sind sich die beiden einig. «Man spürt eine gewisse Forderung der Eltern nach Individualisierung in der Schule, doch das funktioniert in der Berufswelt anschliessend leider nicht», erklärt Sam Schmid.
Probleme reichen von überforderten Eltern, welche kaum mehr Chancen gegen ihre Jugendlichen hätten, freche, arrogante und verletzende Eltern, bis hin zu überbehütenden Eltern, die dauernd in der Schule anriefen. Und es gäbe im Vergleich zu früher mehr Kinder und Jugendliche, die einen schweren persönlichen Rucksack mit sich herumtragen würden. «Ausserdem ist das Niveau, die Qualität der Schule, auf allen Stufen gesunken. Diese Entwicklung führt in eine ganz falsche Richtung», ist Sam Schmid überzeugt. Dem kann seine Frau nur zustimmen. Sie nimmt zudem wahr, dass die Kinder nicht mehr so gut zuhören und sich konzentrieren können und dass die Konflikte bereits in der ersten und zweiten Klasse zunehmen. «Grundfertigkeiten, die wichtig sind, auf die wir aufbauen sollten, sind nicht mehr bei allen Kindern vorhanden. Stillsitzen und ruhig sein wird zunehmend schwieriger. Und immer mehr haben die Kinder das Gefühl, zu kurz zu kommen. Aber schlussendlich ist es immer noch eine Klasse, in der man zusammenarbeiten muss, als Vorbereitung aufs Leben und die Gesellschaft», weiss Sue Schmid.
Was sollte denn in der Schule anders laufen? «Das sogenannte Kerngeschäft, der Unterricht sollte wieder in den Vordergrund gestellt, weniger organisatorische und administrative Aufgaben und die Situation Integration überdacht werden, die in der jetzigen Form so nicht funktioniert. Sie ist gut gedacht, aber schlecht umgesetzt. Man kann so den Schülerinnen und Schülern nicht gerecht werden und die Lehrkräfte brennen durch zu wenig Unterstützung aus», ist Sam Schmid der Meinung. Seine Frau ergänzt mit dem Wunsch nach kleineren Klassen aufgrund der zunehmenden Heterogenität.

Mehr Zeit für Freunde
Im Wissen, dass sie die Schulsituation nicht ändern können, konzentrieren sich Sue (61) und Sam (60) Schmid nun auf ihren neuen Lebensabschnitt, die frühzeitige Pension. Doch stillsitzen möchten die Eltern zweier erwachsener Kinder noch lange nicht. Reisen und Velotouren stehen auf dem Programm. «Ich freue mich besonders, wieder mehr Zeit für Freunde zu finden, was in den letzten Jahren eindeutig zu kurz kam», erklärt Sue Schmid. Ihr Mann zieht dafür in Erwägung, noch eine Sprache zu lernen und könnte sich Russisch vorstellen. «Vielleicht schreibe ich sogar ein Buch über meine Erlebnisse und fahre mit dem SMS-Chor weiter. Aber auf jeden Fall wollen wir offen für Neues bleiben.»

Von Marion Heiniger