• Geschäftsführer Richard Aebi hat trotz Personalengpässen den Humor nicht verloren. Rechts Lisa Birrer (Administration Standort Huttwil). · Bild: Marion Heiniger

05.04.2024
Huttwil

Die Belastung liegt im oberen Bereich

Der Fachkräftemangel macht auch vor den Sozialdiensten nicht Halt. Geeignetes Personal zu finden ist eine Herausforderung. Auch der Sozialdienst Region Trachselwald sucht nach kompetenten Fachkräften. Um der Abwanderung des Personals entgegenzuwirken, legt man grossen Wert auf eine positive Teamkultur und attraktive Arbeitsplätze.

Huttwil/Sumiswald · 180 Stellenprozente sind beim Sozialdienst Region Trachselwald (SRT) zurzeit vakant. Angesichts des seit Jahren anhaltenden Fachkräftemangels in den sozialen Berufen keine Eigenheit. Obwohl die Studienplätze an Universitäten und Fachhochschulen nach wie vor gut belegt sind, suchen die Sozialdienste händeringend nach geeignetem Personal. Gemäss kantonalen Vorgaben braucht es für die Fallführung Sozialarbeitende mit einem Diplom. Doch lange nicht alle Studienabgänger suchen nach einer Anstellung bei einem Sozialdienst, die Auswahl an sozialen Berufsrichtungen ist gross. Erschwerend hinzu kommt die natürliche Fluktuation. «Es ist nicht mehr die Regel, dass jemand 40 Jahre am gleichen Ort arbeitet, junge Leute wechseln viel öfters die Arbeitsstelle als früher.» Richard Aebi, Geschäftsführer des SRT, ist es deshalb sehr wichtig, dass sich seine Mitarbeitenden bei der Arbeit wohl fühlen. So bietet der SRT am Standort Huttwil wie auch am Standort Sumiswald attraktive und moderne Arbeitsplätze, ein digitales System, welches die Arbeit erleichtert, gleitende Arbeitszeit, die Möglichkeit, zeitweise im Homeoffice zu arbeiten, und eine zeitgemässe Entlöhnung nach kantonalem Dekret. Grosse Entlastung bietet bei komplexen Abläufen eine hauseigene Juristin. Doch all das wäre nicht viel wert, wenn das Team nicht gut zusammenarbeiten könnte. «Wir legen grossen Wert auf das Miteinander, denn nur zusammen sind wir stark», erklärt Richard Aebi. Regelmässige Teamsitzungen, um sich auszutauschen, gemeinsame Znünipausen, um sich privat besser kennen zu lernen, das alles trage zu einer positiven Teamkultur bei. «Wir arbeiten nach dem Prinzip: Offenheit und Transparenz schafft Vertrauen», verrät der Geschäftsführer.

Fluktuation rückgängig
Trotz grosser Anstrengungen, den Mitarbeitenden ein möglichst angenehmes Arbeitsklima zu bieten, ist der SRT nicht vor Kündigungen gefeit. Die Gründe dazu sind vielfältig. Ein nicht zu unterschätzender Grund ist der mentale Umgang mit den teils schwierigen Fällen, mit denen die Sozialarbeitenden zu tun haben. «Nicht alle können diese Situationen gleich gut verkraften und nehmen das Erlebte ‹mit nach Hause›, oft leidet dann der Schlaf darunter», weiss Richard Aebi aus Erfahrung. Die Wahl eines anderen Berufszweiges oder gar berufliche Neuorientierungen sind die Folgen. Ein weiterer Grund für Kündigungen ist die Familienplanung. «Sozialarbeit ist ein frauengeprägter Beruf, doch glücklicherweise kommen diese jungen Frauen oft zum SRT zurück, sobald es die Situation mit den Kindern zulässt, häufig mit einem reduzierten Pensum», so Aebi.
Gemäss Statistik waren Ende letzten Jahres beim SRT 49 Personen angestellt, was 31,8 Vollzeitstellen entspricht. Das durchschnittliche Dienstalter liegt bei 40,5 Jahren. Der Frauenanteil bewegt sich dabei um rund 90 Prozent. Zusammengerechnet beträgt die Anstellungsdauer im Schnitt 3,9 Jahre. Die Fluktuationsrate liegt derzeit bei 13,5 Prozent. Im Jahr 2022 war diese mit 42,5 Prozent aussergewöhnlich hoch. «Unter dem Strich kann gesagt werden, dass die Kündigungen jetzt massiv zurückgegangen sind», freut sich Richard Aebi.
Dennoch fehlen gegenwärtig fast zwei Vollzeitstellen. Wie wirkt sich das auf die verbleibenden Mitarbeitenden aus? «Im Schnitt bearbeitet eine erfahrene Sozialarbeiterin in Vollzeitanstellung 80 Dossiers gleichzeitig. Fehlt Personal, müssen diese Fälle optimal auf die verbleibenden Angestellten verteilt werden. Dies geschieht an den regelmässig stattfindenden Teamsitzungen. Einige Fälle sind dringender, andere dulden einen zeitweiligen Aufschub.» Hand bieten auch die mehrheitlich Teilzeit arbeitenden Mitarbeitenden. Sie haben vorübergehend oder gar dauerhaft ihr Pensum erhöht. Daneben wird versucht, die Engpässe mit Aushilfen zu überbrücken. Trotz der vielen Gegenmassnahmen sei die Arbeitsbelastung der verbleibenden Mitarbeitenden gegenwärtig im oberen Bereich. Fälle aufgrund der hohen Arbeitsauslastung abzuweisen, ist für den Sozialdienst aber kein Thema. «Wir haben einen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen und kümmern uns um jeden Fall, egal wie hoch die Arbeitsbelastung gerade ist», merkt Richard Aebi an.

Vermehrt Fälle bei Kindes- und Erwachsenenschutzmassnahmen
Nicht nur der Fachkräftemangel erschwert es dem SRT, geeignetes Personal anzustellen, auch die geografische Lage hat auf die Personalsuche einen gewissen Einfluss. «In puncto Erreichbarkeit erhalten Huttwil und Sumiswald sicher nicht die Note sechs», ist sich der Geschäftsführer bewusst. Ein etwas längerer Arbeitsweg berge aber auch Vorteile, denn die Distanz zum Arbeitsplatz schafft oft auch eine gesunde Distanz zur Tätigkeit. Das sei auch nötig, denn zurzeit liege der Schwerpunkt der Fälle beim SRT nicht bei der Sozialhilfe, sondern bei den Kinder- und Erwachsenenschutzmassnahmen (KES). Diese Fälle sind nicht nur sehr zeitaufwendig, sondern auch sehr belastend. Die Komplexität bei den KES-Fällen ist zunehmend, insbesondere im administrativen Bereich. «Zudem arbeiten wir als Sozialdienst in einem ländlichen Gebiet polyvalent, das heisst, Sozialarbeitende müssen in allen Bereichen der gesetzlichen Sozialarbeit das nötige Know-how mitbringen beziehungsweise es sich erarbeiten. Dies macht die Arbeit zwar anspruchsvoll, aber auch vielfältig und abwechslungsreich.» Entgegen allen Widrigkeiten, mit denen sich Geschäftsführer Richard Aebi derzeit beschäftigen muss, hat er die Freude am sozialen Beruf nicht verloren. Das zusammengewachsene Team des SRT hilft dabei massgeblich. Denn: «Ich kann den gesellschaftlichen Wandel nicht ändern, sondern nur auf die veränderten Gegebenheiten reagieren und versuchen das Beste daraus zu machen», zieht Richard Aebi sein Fazit.

Von Marion Heiniger