Die Betroffenheit hat sich verändert
Die Corona-Krise hat den Umgang mit dem Tod verändert, nicht zuletzt auch, weil die Teilnehmerzahl von Beerdigungen stark eingeschränkt wurde. Auch in dieser Zeit greifen Pfärrer aber gerne auf das biblische Wort zurück, um ihre Kirchenmitglieder durch diese besondere Zeit zu begleiten.
Lotzwil · Der Tod hat während der Corona-Krise eine ganz andere Präsenz erhalten. Beinahe täglich wird die Bevölkerung über die neue Anzahl Todesfälle informiert, die Gefahr sich anzustecken ist eng verbunden mit einem verfrühten Ableben. Das spürt auch der reformierte Pfarrer Lotzwils, Iwan Schult-hess. Insbesondere bei Beerdigungen bemerke er eine Veränderung im Verhalten der Menschen. «Die Betroffenheit ist anders. Vor der Krise befasste man sich teilweise wochenlang nicht mit dem Tod, und heute ist er deutlich präsenter», erklärt er. Das führe dazu, dass auch eine gewisse Gelassenheit fehle. Er mache die Erfahrung, dass es vor der Krise einfacher gelang, den Tod hinzunehmen und vielleicht gar mit einem Spruch die Tatsache der Sterblichkeit zu verdrängen. Heute aber scheine die Gesellschaft allgemein nachdenklicher als zuvor.
Auf 15 Personen beschränkt
Auch Beerdigungen wurden vom Bundesrat stark reglementiert, weshalb diese Andachten sich sowieso stark verändert haben. Zutritt sollte eigentlich nur der engste Familienkreis haben, die Kirchen konnten nun eine Ausnahmebewilligung von bis zu 15 Personen für diesen Anlass erwirken, damit auch ein erweiterter Familienkreis die Möglichkeit hat, Abschied zu nehmen. Trotzdem bleiben mehrere Personen aussen vor gelassen, die mit den Toten auf eine Art verbunden waren. «Vor allem, wenn eine Person eine besondere Stellung in der Gesellschaft innehatte, waren ihr auch viele Menschen verbunden. Solchen Freunden wird es nun verwehrt, an einem speziellen Anlass Abschied von dieser Person zu nehmen.» In Telefongesprächen habe er deshalb bereits festgestellt, dass das einzelne Mitglieder der Reformierten Kirche Lotzwil beschäftigt. «Wir haben nun darüber nachgedacht, wie wir das nachholen können. Entsprechend diskutieren wir über einen Abschiedsgottesdienst, um das Abschiednehmen für alle nachzuholen», erklärt der 59-Jährige. Einen solchen Gottesdienst gebe es zwar bereits jährlich am letzten Sonntag vor dem ersten Advent – der Ewigkeitssonntag – in der aktuellen Situation sieht man aber eine zusätzliche Predigt Ende August vor, sollte dies bis dann im Rahmen der Möglichkeiten sein.
Der Tod ist weiterhin ein Tabu
Dass Beerdigungen wegen diesen Beschränkungen verschoben werden, glaubt Iwan Schulthess aber nicht. «Das Verständnis für die Situation ist vorhanden», ist der Pfarrer überzeugt. Ausserdem habe er bereits vor der Corona-Krise einen deutlichen Rückgang an kirchlichen Trauerfeiern erlebt. «Der Tod ist weiterhin ein Tabu in unserer Gesellschaft. Deshalb wird auf grosse Abschiedsfeiern in den Kirchen vermehrt verzichtet.» Das führe oft dazu, dass bei der Beisetzung auf dem Friedhof mehr Menschen teilnehmen als früher, oft aber fehle dann das gemeinsame Abschiednehmen, das vielen Hinterbliebenen in diesen Situationen guttut. Dass kirchliche Abschiedsfeiern aufgrund der Pandemie verboten sind, ändere deshalb nur selten die Art vom Abschiednehmen. «Viele sagen dann: Wir hätten sowieso auf eine kirchliche Feier verzichtet», weiss Iwan Schulthess. Anders sei eher die Anzahl der Teilnehmenden, weil diese eingeschränkt ist.
Das Predigen fehlt
Speziell seien die letzten Wochen aber sowieso gewesen – und werden es auch die nächsten noch sein. «Die Osterfeierlichkeiten fehlten uns sehr», so der 59-Jährige, der in Lotzwil in einem 50-Prozent-Pensum arbeitet. Solche Feiern würden jeweils vom ganzen Dorf getragen und oft auch von Musikgesellschaften umrahmt. «Und auch wenn oft von leeren Kirchbänken berichtet wird, haben wir doch viele Mitglieder, denen die Predigt am Sonntag auch ganz allgemein fehlt.» In Lotzwil wird deshalb eine Predigt schriftlich in der Kirche aufgelegt und auch auf dem Postweg verteilt, einzelne Mitglieder würden auch in anderen Kirchgemeinden Online-Predigten verfolgen, sagt Schulthess. «Auf die Rückkehr zur Normalität freuen auch wir Pfarrer uns. Denn, auch wenn wir es nicht immer zugeben wollen, haben wir doch auch einen gewissen Drang, um mit Worten zu gestalten und Gedanken weiterzugeben.» Dass die Normalität vorerst aber noch nicht Einzug hält, zeigt auch, dass beispielsweise Konfirmationen in den September verschoben wurden.
Dass sich auch Kirchenmitglieder nach Normalität sehnen, werde in Gesprächen ebenfalls geäussert. Statt den Durchhalteparolen, die derzeit oft publiziert werden, greift Iwan Schult-hess auch hier gerne auf das Wort Gottes, die Bibel, zurück. «Wir versuchen im Alltag Trost zu spenden. Und gläubige Menschen schöpfen aus dem Wort Gottes und ihrem Glauben auch Kraft.» Auf der Website der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn werden dazu «Worte auf den Weg» publiziert. Iwan Schulthess, der dort ebenfalls mithalf, zitierte dabei die Worte aus dem Psalm 116,2: «Er hat ein offenes Ohr für mich; darum bete ich zu ihm, solange ich lebe.»
Von Leroy Ryser