• Hans-Ulrich Held mit einer Flasche Schweizer Bio-Rapsöl. Sämtliche Lager der Biofarm Genossenschaft sind bis unter die Decke mit Bio-Produkten gefüllt. · Bilder: Marion Heiniger

  • Der reservierte Biofarm-Bauplatz im Kammernmoos in Huttwil hinter der Novex AG.

30.05.2022
Oberaargau

Die Biofarm platzt aus allen Nähten

Die im Trend liegenden Produkte der Biofarm Genossenschaft, welche heuer ihr 50-Jahr-Jubiläum feiert, hat die Traditionsfirma an ihre Grenzen gebracht. Sie platzt aus allen Nähten. Nach langen Abklärungen hat sich die Geschäftsleitung nun entschieden, neu zu bauen. In Huttwil wurde dafür bereits ein entsprechendes Stück Land reserviert. Das letzte Wort jedoch werden die Genossenschafterinnen und Genossenschafter im Herbst an einer ausserordentlichen Versammlung haben.

Kleindietwil · Die Biofarm Genossenschaft in Kleindietwil liegt mit ihren Produkten voll im Trend, welcher deutlich weg von den verarbeiteten Lebensmitteln hin zu den natürlichen Nahrungsmitteln in Bioqualität zeigt. Zugegeben, die Corona-Situation der letzten beiden Jahre hat den nachhaltigen Bio-Trend etwas beschleunigt. Sie zeigt aber auch auf, dass die Leute eher zu Bio greifen, wenn sie die Wahl haben und sich nicht ausser Haus verpflegen müssen. In der Bevölkerung hat ein gewisses Umdenken stattgefunden. Es kommt eine neue Generation, die sich stark mit den Themen der Biodiversität, dem Gewässerschutz und dem Klimawandel auseinandersetzt. Kernthemen, mit welchen sich auch die Biofarm Genossenschaft beschäftigt. Und das bereits seit 50 Jahren. «Wir verkaufen in erster Linie Produkte, welche in der Schweiz nachhaltig wachsen», erklärt Hans-Ulrich Held, Präsident der Biofarm Genossenschaft und Vorsitzender der Geschäftsleitung. Lediglich bei einem völligen Ernteausfall oder natürlich jene Produkte, welche in der Schweiz aufgrund des Klimas nicht wachsen können, werden in biologischer Qualität importiert, wie beispielsweise das Olivenöl, welches im Süden Portugals hergestellt wird.

Das Lager reicht nicht mehr aus
Die anhaltende Nachfrage brachte die Traditionsfirma jedoch an ihre Grenzen. Die Biofarm platzt aus allen Nähten. Die letzten Jahre haben der Firma ein aussergewöhnliches Wachstum beschert. «Für unsere Grösse war dieses Wachstum herausfordernd», gesteht der Geschäftsleiter. Auch die zusätzlichen drei Aussenlager reichen unterdessen nicht mehr aus, um die vielen Produkte, welche hauptsächlich im Biofachhandel verkauft werden, zu lagern. «Wir haben uns in den letzten Jahren über die Zukunft der Biofarm sehr viele Gedanken gemacht», erzählt Hans-Ulrich Held. Dabei stellte sich die Genossenschaft grundsätzliche Fragen. Entweder im gleichen Rahmen weitermachen oder Vergrössern. «Die Firma zu verkleinern und zurück in die Nische zu gehen ist für uns keine Option. Wir hätten entscheiden müssen, welche Produkte bleiben und welche nicht. Aber viel grösser werden möchten wir ebenfalls nicht und gleich bleiben ist mit unseren Produkten auch nicht ganz so einfach», versucht Hans-Ulrich Held das Dilemma der Biofarm zu veranschaulichen. Da die Weiterentwicklung für die Zukunft der Genossenschaft essenziell ist, hat sie sich für ein kleines, überschaubares Wachstum entschieden. Doch damit ist das Platzproblem in Kleindietwil nicht gelöst.
In den letzten Jahren wurden verschiedene Ausbau-Projekte ausgearbeitet. Hinter dem bestehenden Gebäude, davor oder daneben. Entweder konnte der verlangte Grenzabstand zu den Bahngleisen nicht eingehalten werden, oder aber die Pläne hatten einer langfristigen Zukunftsplanung nicht standgehalten. Die Suche nach leeren Gebäuden von Langenthal bis nach Huttwil, welche sich für einen neuen Standort geeignet hätten, haben keine befriedigenden Ergebnisse geliefert. Letztendlich hat sich die Biofarm dazu entschieden, neu zu bauen. «Da dies in Kleindietwil nicht möglich ist, haben wir uns in der Region nach geeignetem Bauland umgesehen. Wir wollen unser tolles Team unbedingt mitnehmen. Deshalb kommt für einen Umzug nur das Langetental in Frage», führt Hans-Ulrich Held aus. In Huttwil wurde man nun fündig und hat vorsorglich im Industriegebiet, genauer gesagt im Kammernmoos, ein geeignetes Stück Land reservieren lassen. Das Land ist Eigentum der Herdgemeinde Huttwil und würde im Baurecht an die Biofarm abgegeben werden.

Eine schwere Entscheidung
Die Entscheidung, nach Huttwil zu ziehen, hat sich die Biofarm Genossenschaft, die in der Gemeinde Madiswil mit 40 Mitarbeitenden der drittgrösste Arbeitgeber ist, nicht leicht gemacht. «Die Vergangenheit kann man nicht zügeln, dementsprechend wäre die Hürde, nach Huttwil umzuziehen und die Wurzeln in Kleindietwil abzureissen, sehr gross», gibt Hans-Ulrich Held zu bedenken. Doch damit ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Im Herbst werden die rund 800 Genossenschafterinnen und Genossenschafter an einer ausserordentlichen Versammlung über den geplanten Umzug befinden müssen. Stimmen sie den Plänen der Geschäftsleitung zu, sollen noch dieses Jahr die Erdarbeiten am neuen Standort in Huttwil durchgeführt werden. Der Umzug der Biofarm wäre damit auf Ende 2023, spätestens jedoch auf Anfang 2024 vorgesehen. «Geplant ist ein möglichst enkeltauglicher Bau mit einer grossen Fotovoltaikanlage», verrät Hans-Ulrich Held. Mit dem Umzug in das neue Firmengebäude könnten die Abläufe optimiert, die Lagerräume vergrössert und so dem Branchendruck besser standgehalten werden. Sollte sich das Wachstum der Biofarm auch in den nächsten Jahren fortsetzen, ist die Schaffung weiterer Arbeitsstellen nicht auszuschliessen.

50-Jahr-Jubiläum
Doch vorerst darf sich die Biofarm Genossenschaft auf ihr 50-jähriges Bestehen konzentrieren. Eine Erfolgsgeschichte, die am 8. Mai 1972 im Hotel Restaurant Kreuz in Herzogenbuchsee begann. Neun Männer legten damals den Grundstein der Biofarm. Einer von ihnen ist Werner Scheidegger, erster Präsident und Geschäftsführer. Auf seinem Hof in Madiswil wurde das erste Büro und das erste Lager der jungen Genossenschaft eingerichtet. Unter dem Motto «Füür und Flamme für den Biolandbau» sind zum Jubiläum verschiedene Aktivitäten geplant. Für die Produzenten werden Flurbegehungen organisiert, und die Genossenschafterinnen und Genossenschafter wurden an der ordentlichen Versammlung am 20. Mai mit einem Festakt überrascht. Am 10. September ist die regionale Bevölkerung zu einem Tag der offenen Tür eingeladen, um für einmal hinter die Kulissen der Biofarm zu schauen, und zu guter Letzt wird für die Geschäftspartner im Oktober ein Dankesanlass durchgeführt.

Von Marion Heiniger