Die Brunnenplatz-Versuchsphase begeisterte die Fachgeschäfte kaum
In einem schriftlichen Fazit nehmen neun direkt betroffene Huttwiler Fachgeschäfte Stellung zu ihren Erfahrungen während der Versuchsphase Brunnenplatz. Sie äussern darin auch ihre Anliegen, Bedenken und Anregungen. Die Fachgeschäfte wünschen zudem ein Gespräch mit dem Gemeinderat. Dieser ist nicht abgeneigt, aber im Moment laufen noch die Auswertungen der rund 580 Fragebögen, die zum Thema abgegeben worden sind.
«Von der zukünftigen Gestaltung und Nutzung des Brunnenplatzes hängen viele strategische Entscheide der Unternehmen und die Arbeitsstellen unserer Mitarbeiter ab», schreiben die Fachgeschäfte dem Gemeinderat. Die Versuchsphase sei insofern wertvoll gewesen, als sie Stärken und Schwächen deutlich aufgezeigt habe.
Die schriftlichen Stellungnahmen der Fachgeschäfte liegen dem Gemeinderat seit kurzem vor, sind aber gemäss dem zuständigen Gemeinderat Marcel Sommer noch nicht im Rat besprochen worden. Er sagt aber gegenüber dem «Unter-Emmentaler»: «Wir haben erkannt, dass der Detailhandel generell gefährdet ist, und Huttwil verfügt über sehr viele Fachgeschäfte. Das hat den Gemeinderat dazu bewogen, nach Lösungen zu suchen um das Städtlizentrum mit dem Brunnenplatz attraktiver zu machen. Wir haben die Versuchsphase vor allem für die Fachgeschäfte machen wollen.»
Die Freude bei diesen ist aber weitgehend ausgeblieben. Neun von ihnen haben sich in ihrer schriftlichen Analyse geäussert und dabei recht unterschiedliche Erfahrungen aufgezeigt. So sei in der Bäckerei Confiserie Glacerie Lienhart der Umsatz während der Versuchsphase im Vergleich zum Vorjahr praktisch gleich geblieben. Die beiden Brunche hätten, nicht zuletzt wegen des guten Wetters, grossen Anklang gefunden. Während diesen beiden Anlässen sei aber der Verkauf im Laden deutlich zurückgegangen, obwohl zwei Verkäuferinnen mehr im Einsatz waren. «Als einziges Geschäft mit direktem Anstoss zur Begegnungszone kann ich weder von einem Erfolg noch von einem Misserfolg reden. Rein finanziell hatten die zwei Monate keine Auswirkungen», schreibt der Geschäftsführer Thomas Schenk. Er sehe den Brunnenplatz als das Einkaufszentrum von Huttwil; der Kunde könne sich ohne grosse Fussmärsche mit allen Waren eindecken. «Dies sollte unbedingt auch für die Zukunft so erhalten bleiben.» Um dem Bedürfnis «Begegnungszone» Rechnung zu tragen würde er den Park vor dem «Pura» als eine gute Lösung sehen.
Viel kritisierte Parksituation und Verkehrsregelung
Wegmüller Optik stellte als Augenoptik-Fachgeschäft weder eine positive noch eine negative Schlussbilanz «Begegnungszone Brunnenplatz» fest. Im Geschäft hätten sich die Kunden jedoch über die veränderte Parksituation und die Durchfahrtslösung beschwert. Viele seien damit überfordert gewesen. Für das Geschäft sei es wichtig, den Kunden möglichst viele Parkplätze auf dem Brunnenplatz anbieten zu können, schreibt Geschäftsführer Martin Beer. Negative Bilanz zieht Niederhauser Mode: «Die Versuchsphase, den Brunnenplatz zu beleben hat viele Gräben geschaffen statt Brücken zu bauen für ein Miteinander», äussert sich Geschäftsführerin Regula Rathgeb. Man habe versucht, das Beste daraus zu machen. Bei einigen Events sei die Begegnungszone rege benützt worden, zu 90 % jedoch nach 17 Uhr und aus-serhalb der Geschäftszeiten. An normalen Tagen seien jeweils bloss vereinzelte Tische besetzt gewesen; der Verkehrsfluss jedoch sei mühsam und abschreckend gewesen. Niederhauser Mode AG würde eine Begegnungszone auf bereits begrünten Flächen in der Hintergasse begrüssen.
Deutlicher Umsatzrückgang
Caspar Minder Eisenwaren hatte eine deutliche Umsatzeinbusse hinzunehmen; dies «dank» der Begegnungszone und der komplizierten Verkehrsführung. Kunden mit grösseren Einkäufen hätten gefehlt; ebenso auswärtige Stammkunden. «Die Parkplatzsituation und das veränderte Verkehrsregime hielten viele auswärtige Besucher von einer Einkaufsfahrt nach Huttwil ab», schreibt Markus Minder. Die Autofahrer seien verunsichert gewesen; einige hätten sich auch bis zuletzt falsch verhalten. Sein Fazit: «Die Begegnungszone belebt den Städtlikern nicht, sondern wird langfristig zum Ladensterben beitragen und damit genau das Gegenteil bewirken.» Als Negativbeispiele nennt er die Oberstadt Burgdorf oder die Marktgasse Langenthal.
Keine wesentlichen Umsatzveränderungen hat das Restaurant Pöstli festgestellt. Geschäftsführer Rolf Jordi erachtet allerdings den Platz, welcher für das Versuchsprojekt beansprucht worden war, als zu gross: «Wird ein Fortführen gewünscht, wäre dies meines Erachtens auf kleinerem Raum effizienter. Für das Pöstli wären zwei Parkplätze für eine kleine Terrasse – wie bis anhin – ausreichend.»
Von rückläufiger Kundenfrequenz und klarem Umsatzrückgang während der Versuchsphase spricht die BENU Apotheke. Zudem hätten täglich mehrere Kunden die neue Situation reklamiert. «Positive Stimmen habe ich in meinem Geschäft während den letzten drei Monaten keine einzige gehört», schreibt Geschäftsführerin Bettina Jordi-Lütolf. So oder so habe die Apotheke auch bei andern Anlässen mit Strassensperrungen festgestellt, dass an solchen Tagen die Umsätze zwischen 30 bis 50 % sinken würden. Das Geschäft sei auch auf die Laufkunden angewiesen; diese würden ausbleiben, wenn sie nicht durchfahren und dabei die Apotheke entdecken können. «Für ein belebtes Städtchen ist ein gesunder Mix an Geschäften essentiell; nimmt man diesen die Existenz, wird wohl ein schöner Brunnenplatz trotzdem nicht belebt werden.»
Unästhetische Gestaltung
Mariann Bracher Mathys und Hans Rudolf Mathys von Pura Bistro, Geschenke und Delikatessen, begrüssen es zwar, auf dem Brunnenplatz Raum zu schaffen für Menschen und Begegnungen. Die Gestaltung der Begegnungszone habe sie indessen nicht begeistert, habe sich nicht ins Städtlibild eingefügt und unästhetisch gewirkt; der gewählte Ort sei ungünstig wegen der beanspruchten Parkplätze: «Unserer Meinung nach würde sich dazu das Pärkli viel besser eignen.» Gelungene Projekte würden in Zusammenarbeit mit erfahrenen Landschaftsarchitekten und Städteplanern Erfolg bringen. In Huttwil dagegen werde oft etwas Laienhaftes durchgesetzt, ohne Gesamtkonzept und Beiziehung professioneller Gestaltung, «wir finden das sehr schade». Umsatzmässig habe ihr Geschäft von der Begegnungszone nicht profitiert.
Detailliert äussert sich Christina Büchi von Boutique Naturel. Die Herausforderung habe nicht bei der Möblierung, sondern im täglichen Unterhalt gelegen. «Der Platz wirkte oft mehr als Abstellkammer denn als Visitenkarte.» Ein schwieriges Thema sei auch die Nachtruhe gewesen, welche es für die Zukunft ab 22 Uhr allenfalls mit Hilfe der Polizei durchzusetzen gelte. Bei schönem Wetter sei die Begegnungszone rege für Kontakte genutzt worden: «Der Brunnenplatz konnte seiner Funktion als Städtlizentrum endlich gerecht werden.» Er müsse deshalb das ganze Jahr hindurch und nicht nur wenige Wochen zum Verweilen einladen und als Visitenkarte gelten. Als saisonales Angebot könnte sich das Pärkli gut eignen. «Von oben angeordnete Aktivitäten» würden nicht funktionieren; die Politik müsse günstige Rahmenbedingungen für Gastronomie und Handel erarbeiten, «damit diese in eigener Verantwortung Aktivitäten entfalten können.» Die getestete Variante bringe einen enormen organisatorischen, finanziellen und personellen Aufwand mit sich, für den die Ressourcen und das Geld der öffentlichen Hand fehlen würde.
Zermürbende Zeit
Hanspeter und Rita Birrer-Lustenberger von der Bäckerei Konditorei Birrer blicken auf zermürbende drei Monate zurück. Die Umsatzsituation habe sich deutlich verschlechtert. Die Kunden hätten nicht mehr in Geschäftsnähe parkieren können und seien weitergefahren. Im Geschäft sei das Personal oft auch verbal angegriffen worden mit Bemerkungen wie «was soll das?», ob man das Städtli aussterben lassen wolle, ob sie glauben würden, dass die Kunden auf der Ribimatte parkieren würden um in ihrem Geschäft einzukaufen. Am Samstag – als bester Verkaufstag – habe ein Umsatz von 25 % gefehlt. Dadurch habe das Personal reduziert werden müssen. Dies lasse sich allerdings auch durch den am Samstag neu eröffneten «Frischmarkt» erklären, wo Produkte angeboten würden die auch bei Birrer zu haben seien. Familie Birrer beklagt zudem die unruhigen Nächte und den Schmutz am Morgen auf dem Brunnenplatz.
In die Auswertung integrieren
Laut Gemeinderat Marcel Sommer läuft zurzeit die Auswertung der vom Volk abgegebenen, rund 580 Fragebögen zur Versuchsphase sowie der online abgegebenen Meinungen. In diese Auswertung würden auch die Stellungnahmen der Fachgeschäfte einbezogen. Der Gemeinderat sei selbst daran interessiert, mit den Detaillisten das Gespräch zu suchen. Nach dem Schlussbericht werde sich zeigen, ob die weiteren Schritte ein Gemeinderatsgeschäft darstellen würden oder ob ein konsultativer Volksentscheid sinnvoll sein werde.
Von Liselotte Jost-Zürcher