• Eine 177-jährige Käserei-Tradition wird fortgesetzt: Karl und Rebekka Thoma (links) übernehmen ab 1. Mai die Dorfkäserei in Ursenbach von Barbara und Fritz Lehmann. · Bild: Walter Ryser

06.04.2023
Oberaargau

Die Käsereigeschichte wird fortgesetzt

In Ursenbach wird die Geschichte der Dorfkäserei fortgesetzt. Die Käsereigenossenschaft ist auf der Suche nach einem neuen

Betriebsleiter-Paar fündig geworden. Rebekka und Karl Thoma werden ab Mai die Käserei führen und damit Barbara und Fritz

Lehmann ablösen, die in Pension gehen, aber vorerst noch in kleinen Teilzeitpensen in der Käserei mithelfen werden.

Ursenbach · Niklaus Leuenberger, Präsident der Käsereigenossenschaft Ursenbach, spricht von einem absoluten Glücksfall. Ihm seien gleich mehrere Steine vom Herzen gefallen, äussert sich der Landwirt. Der Grund für seine Erleichterung liegt darin, dass die Käsereigenossenschaft am 14. März 2023 offiziell Rebekka und Karl Thoma als neues Betriebsleiter-Paar für die Dorfkäserei in Ursenbach wählte. Damit wird in der kleinen Oberaargauer Gemeinde eine seit 1846 anhaltende Käserei-Tradition fortgesetzt.
Im Mai wird das neue Paar offiziell den Betrieb übernehmen und damit Barbara und Fritz Lehmann ablösen, die in den letzten 15,5 Jahren die Käserei führten. Die beiden werden in der Anfangszeit mit kleinen Teilzeitpensen dem neuen Betriebsleiter-Paar weiter zur Verfügung stehen, Barbara im Laden und Fritz in der Käserei. Alle sind sich einig: Die Chemie zwischen allen Beteiligten stimmte von Anfang an. «Als wir die beiden im Dezember 2021 erstmals sahen, sagten wir: Das passt», schildert Niklaus Leuenberger seinen ersten Eindruck, den er von den beiden hatte. In den folgenden Gesprächen habe sich dann der erste Eindruck weiter gefestigt.

Fortbestand der Käserei war in Gefahr
Aber nicht nur bei der Käsereigenossenschaft ist man froh, ein neues Betriebsleiter-Paar gefunden zu haben, auch Rebekka und Karl Thoma sind erleichtert. «Bereits seit längerer Zeit hielten wir Ausschau nach einem geeigneten Käsereibetrieb», erzählt der 42-jährige Käser. Die beiden hatten diesbezüglich klare Vorstellungen und erwähnen, dass in diesem Betrieb eine Hauptkäsesorte produziert werden sollte, die einen gewissen Absatz garantiert. In Ursenbach ist dies der Emmentaler Käse.
Wichtig war dem Käser aber auch, dass er das Handwerk des Käsens weiter ausüben kann und dass der Betrieb von der Grösse und vom Umsatz her gesehen die Anstellung eines Angestellten ermöglicht, damit das Betriebsleiter-Paar nicht 365 Tage im Jahr in der Käserei verbringen muss. Zudem sollte der Betrieb über einen Laden verfügen und – wenn möglich –auch über eine Wohnung für eine Familie mit zwei kleinen Kindern (zwei Söhne, Joel, drei Jahre, und Julian, einjährig). Alles Voraussetzungen, die der Käserei-Betrieb in Ursenbach erfüllt. «Als wir nach der ersten Besichtigung im Dezember 2021 wieder in unser Auto einstiegen, wussten auch wir, dass hier der optimale Betrieb auf uns wartet», gibt Karl Thoma zu verstehen.
Natürlich sei der Umzug ins Bernbiet, weit weg von ihrem bisherigen Wirkungskreis im Zürcher Oberland und im angrenzenden Sanktgallischen, ein Thema gewesen, erläutert die 32-jährige, gelernte Detailhandelsfachfrau Rebekka Thoma. Der Entscheid sei jedoch schnell gefallen, fügt sie hinzu und stellt heute erleichtert fest: «Wir sind in Ursenbach angekommen und gut aufgenommen worden. Wir haben diesen Schritt noch keine Sekunde bereut.» Nicht zuletzt, weil die Gegend landschaftlich ähnlich sei wie im Zürcher Oberland, sagt Karl Thoma, der deshalb sehr zufrieden ist mit der getroffenen Wahl.

Seit September 2022 in Ursenbach
Bereits im September letzten Jahres ist das neue Betriebsleiter-Paar mit seinen zwei Söhnen nach Ursenbach gezogen und hat die Wohnung in der Käserei bezogen, nachdem das aktuelle Betriebsleiter-Paar vorzeitig ausgezogen und ihren Wohnsitz nach Huttwil verlegt hat. Seither findet eine intensive Einarbeitungszeit statt, die Niklaus Leuenberger als vorbildlich beschreibt. «Was Lehmanns in dieser Übergangszeit geleistet haben und mit welchem Engagement die beiden das neue Betriebsleiter-Paar in ihre Aufgabe einführen, lässt sich kaum in Worte fassen», zeigt sich der Präsident der Käsereigenossenschaft Ursenbach beeindruckt vom abtretenden Betriebsleiter-Paar. «Es ist uns ein grosses Anliegen, dass die Käserei weiterhin Bestand hat, und deshalb unternehmen wir alles, dass sich Thomas hier gut einleben und den Betrieb gründlich kennenlernen kann», bemerkt Barbara Lehmann.

Bevölkerung schätzt «ihre» Käserei
Angesprochen auf den nahenden Abschied betonen beide, dass sich bei ihnen keine Wehmut bemerkbar mache, «im Gegenteil, es ist Zeit, aufzuhören», sagt Fritz Lehmann. Damit wolle er aber keineswegs den Eindruck erwecken, dass ihm die Aufgabe «verleidet» sei, «nein», fügt er hinzu, «wir schauen auf eine tolle und sehr erfolgreiche Zeit zurück, aber auch auf eine grosse Aufgabe und Verantwortung, die wir gerne jüngeren Leuten weitergeben.» Die beiden erinnern sich an ihre Anfangsjahre, als der Käsereiladen vorwiegend von Ursenbachern besucht wurde. Mittlerweile sei der Kundenstamm grösser, umfasse Leute aus umliegenden Gemeinden und auch viele Tagesausflügler, die bei der Käserei Halt machen würden.
«Der Laden und unser Angebot wird von der Bevölkerung in und um Ursenbach sehr geschätzt», stellt Fritz Lehmann fest. Angesprochen auf die neue Herausforderung, die auf sie wartet, antwortet Karl Thoma: «Natürlich gehen wir die neue Aufgabe mit Respekt an, findet doch auch in der Käserei-Branche ein Wandel statt, der schweizweit zu Schliessungen von Käsereibetrieben führt.» Gleichzeitig gebe es aber auch viele Käsereien, die ihren Betrieb um- oder ausbauen würden oder es entstünden sogar neue Käsereien, erwähnen die beiden, was Rebekka Thoma zuversichtlich stimmt: «Wir nehmen die neue Herausforderung gerne an und wollen unseren Beitrag dazu leisten, dass die Käserei in Ursenbach weiter bestehen bleibt.»
Mit einem Startschuss-Tag am Samstag, 6. Mai, von 9 bis 16 Uhr (Laden durchgehend geöffnet) stellt sich das neue Betriebsleiter-Paar der Bevölkerung und Interessierten vor. Mit einem 10-Prozent-Rabatt-Angebot auf dem ganzen Sortiment wartet ein kleines Eröffnungsgeschenk auf die Besucherinnen und Besucher.

Von Walter Ryser