Die Konsumenten richten sich nach den Produzenten
Dieser Grundsatz gilt beim Start-up Unternehmen Crowd Container mit Sitz in Zürich, welches seit gut einem Jahr qualitative Produkte aus verschiedensten Ländern in der Schweiz verkauft. Das Prinzip entspricht nicht den üblichen Verkaufskanälen: Die Kunden bestellen online Lebensmittel, bezahlen diese zum Voraus und erhalten, sobald ein Container gefüllt ist, ihre Produkte erst mehrere Wochen später zugestellt.
Madiswil · Tobias Joos versteht seine Tätigkeit als Stimme zwischen Produzenten und Konsumenten. Der Zürcher war vom ersten Tag an mit dabei, als 2016 zum ersten Mal ein Container Gewürze, Kaffee und alte Reissorten aus Südindien in der Schweiz eintraf.
Produkte nicht immer verfügbar
Die Lebensmittel entdeckte er während einer Reise auf einer Plantage, auf der verschiedene Agrarprodukte auf der gleichen Fläche in einer Mischkultur angebaut wurden. Joos, welcher zu dieser Zeit im Grosshandel arbeitete, wusste, dass es solche Produkte schwer haben: Denn sie sind nicht immer verfügbar, ihr Aussehen nicht immer gleich und die Erntemengen fallen unterschiedlich aus.
So entstand die Idee, die Produkte im Voraus Schweizer Kunden zu verkaufen, sie in einem Container direkt zu importieren und hierzulande zu verteilen. 530 Leute bestellten beim ersten Mal, was Joos und seine Mitstreiter ermutigte, einen Verein zu gründen, aus dessen Arbeit vergangenes Jahr das Unternehmen Crowd Container (wörtlich: Massen-/Mengen-Container) entstand. Heute ist Joos der Geschäftsführer des Unternehmens, welches bereits vier Vollzeitstellen bietet.
Gleiche Problematik in der Schweiz
Szenenwechsel: Der Herbst 2018 brachte nach einem trockenen Sommer so viele Äpfel wie schon lange nicht mehr. Auch auf dem Quellenhof in Mättenbach in Madiswil, der von Simone und Vincent Delley bewirtschaftet wird. Die Hochstammbäume der Hofstatt bringen vor allem ältere Sorten, die nicht im Supermarkt vertrieben werden wie Berner Rosen, Sauergrauech oder Boskoop.
Vor der Ernte meldete sich Tobias Joos von Crowd Container, welcher sich auch in der Schweiz auf die Suche nach Produkten machte, welche in den üblichen Vertriebskanälen nicht erhältlich sind. «Denn Hierzulande ist die Problematik dieselbe wie andernorts: Produzenten werden schlecht bezahlt und müssen sich völlig nach dem Konsumenten richten, sie können oftmals nicht nach ihren Überzeugungen wirtschaften.» Dank der Website hochstammobst.ch, auf der Adressen von Hochstammobstproduzenten aus ganz Europa gesammelt sind, findet der Jungunternehmer Joos zu Delleys. «Wir dachten zuerst, dass es sehr gutgläubig sei, bei solchen Rekordernten Äpfel verkaufen zu wollen», erinnert sich Vincent Delley. Doch anders als auf anderen Betrieben empfingen sie Joos mit offenen Armen und freuten sich über dessen neues Verkaufskonzept. Beim Hofbesuch schien die Chemie zu stimmen und in der kurz darauf veröffentlichten Bestellung konnten die Kunden von Crowd Containern neben 600 Kilogramm Äpfeln auch Mehl, Kartoffeln, Fleisch und Süssmost vom Demeterbetrieb bestellen.
Crowd Container gelang, was zuerst unmöglich schien, die gesamte Ernte von Delleys konnten sie an ihre vor allem städtische Kundschaft absetzen.
Wirtschaften nach Überzeugung
Delleys halten auf ihrem 13 Hektaren grossen Pachtbetrieb Mutterkühe, Hühner, mästen Eber und Kaninchen und produzieren Dinkel, Futter- und Speisemais sowie Kartoffeln und Karotten. Vincent Delley meint dazu: «Wir haben viele kleinere Betriebszweige, die einander ergänzen und uns nicht von einem abhängig macht.» Dabei gehen die Betriebsleiter, ihr Lehrling und die Praktikanten pragmatisch an die Arbeit: Einen Grossteil der Ackerbauarbeiten erledigen sie mit ihren Pferden, weil sie die Geräte dazu hätten und durch das leichtere Gewicht schneller auf der feuchten Erde arbeiten könnten. Ihre Hühner züchten sie selber, indem sie regelmässig Eier befruchten und ausbrüten und auch die Eber halten sie aus Überzeugung im Freiland und kastrieren sie nicht.
Verkauf mit offenen Karten
«Betriebe, die wie der Quellenhof wirtschaften, passen sehr gut zu uns», erzählt Joos, «sie bewirtschaften ihren Hof sehr bewusst und handeln aus Überzeugung.» Viel zu oft würden bei anderen Produzenten vor allem nach Zertifikaten gewirtschaftet. Crowd Container und seinen Kunden ist die Geschichte hinter dem Produkt aber mehr wert als jedes Zertifikat: «Wenn ein Produzent glaubhaft erklären kann, warum er etwas tut, dann erklären wir das auch ausführlich unseren Kunden.» Die grosse Transparenz ist eines der Markenzeichen von Crowd Container: Zu jedem Produkt wird ausführlich beschrieben, wie es produziert wird und es wird offen informiert, wie viel der Produzent, die Logistik und Crowd Container verdienen. Und es ist oftmals ein Vielfaches des Marktpreises, welches die Kunden bereit sind auszugeben.
«Was wir tun, ist mehr als Fairtraide, denn wir bezahlen nicht einfach 20 Prozent mehr als der Marktpreis, sondern wir wollen einen wirklich fairen Preis mit angemessenen Stundenlöhnen bezahlen können», führt Joos aus. Auch für Delleys geht das Konzept auf: Sie schreiben alle Aufwände und Arbeitsstunden auf, rechnen die wahren Produktionskosten aus und verhandeln mit diesem Preis. «Dieser kann von Hof zu Hof verschieden sein, weil nicht alle gleich produzieren», bilanziert Joos. Das Konzept von Crowd Container und ihrem alternativen Vertriebskanal scheint zu funktionieren: «Unser Kundenstamm wächst, wir vermarkten bereits über 100 Produkte von Schweizer- und internationalen Produzenten und das Potential in der Deutschschweiz ist noch lange nicht ausgeschöpft», weiss Joos. So erstaunt es nicht, dass sich das Team von Crowd Container auf der ganzen Welt weiterhin auf die Suche nach Produzenten macht, welche qualitativ hochstehende Produkte über die üblichen Vertriebskanäle nicht absetzen können.
Gut zu wissen
Nächstes Bestellfenster: Am 27. Oktober öffnet das nächste Bestellfenster für Madiswiler Produkte: www.crowdcontainer.ch. Informationen zum Quellenhof und den Überzeugungen von Delleys: www.quellehof.ch
Von Patrik Baumann