• Haben diskutiert (von links): Karin Habegger, Stephan Weber, Roger Schmied, Rudolf Strahm, André Meyer und Hans Waldram. · Bild: bhw

18.11.2019
Oberaargau

Die Motivation zur Arbeit ist zentral

Das Thema der «Werkstattgespräche» in der Stiftung WBM Madiswil war «Digitalisierung und Automatisierung im ergänzenden Arbeitsmarkt». Bei einem Rundgang wurden die automatisierten Prozesse in der Stiftung WBM besichtigt. Mit einer spannenden Podiumsdiskussion erörterten die Teilnehmenden zunehmende Herausforderungen im Arbeitsalltag und versuchten mit Fakten auch Lösungsansätze aufzuzeigen.

Madiswil · Mit «Röbi» dem Roboter gibt sich André Meyer, Mitarbeiter mechanische Fertigung in der Stiftung WBM, Mühe, so etwas wie Freundschaft zu schlies-sen. «Röbi» und eine Etikettier-Maschine standen beim Rundgang der Gäste am Werkstattgespräch zuerst im Mittelpunkt. Danach stellte Karin
Habegger, Hochschuldozentin und Präsidentin Stiftungsrat WBM, am Podium die brennenden Fragen, «wie geht es weiter mit der Automatisierung» und «werden Menschen am Arbeitsmarkt verdrängt».

«Arbeit ist Struktur»
Zusammen mit Karin Habegger diskutierten am Podium Rudolf Strahm, Ökonom, ehemaliger Preisüberwacher und Politiker, Roger Schmied, Abteilungsleiter Eingliederungsmanagement IV-Stelle Kanton Bern, Hans Waldram, Chief Digital Officer Afag Holding AG, Stephan Weber, Geschäftsführer WBM, sowie André Meyer, Mitarbeiter mechanische Fertigung WBM. Den Begriff «Arbeit» definierte Rudolf Strahm mit den Worten «Arbeit ist, was bezahlt wird, alles andere ist ökonomisch gesehen keine Arbeit». «Dies, obwohl wir alle wissen, dass diese, wie beispielsweise die Hausarbeit, sehr wichtig ist», meinte Rudolf Strahm. Arbeit ist auch das, was wir selber definieren, stellte der Ökonom weiter fest und sagte am Podium überzeugt: Es wird in Zukunft nicht weniger Arbeit brauchen. «Arbeit ist Struktur», stellte Stephan Weber aus seiner Erfahrung fest. «Arbeit ist integriert und hat einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft», erkannte Roger Schmied, und Hans Waldram meinte «Arbeit ist eine wichtige Ressource, was eine Firma definiert und bindet.» So wurde beim Podium deutlich: Arbeit gibt dem Leben Sinn und geht in Zukunft nicht aus.

Sinnvolle Kombination nötig
Die Unternehmen am zweiten Arbeitsmarkt, wie auch die Stiftung WBM, sind zunehmend mit den Herausforderungen der Digitalisierung und Automatisierung konfrontiert. Die grosse Frage dabei ist, wie können Menschen mit Unterstützungsbedarf dort ihren Platz finden. Eine sinnvolle Kombination zwischen Mensch und Maschine zu finden ist wichtig, damit auch der Arbeitsplatz attraktiv bleibt. Um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben und vom Kunden geforderte Termine einzuhalten, sind auch am zweiten Arbeitsmarkt zunehmend Roboter im Einsatz. Damit aber die Arbeit nicht langweilig und sinnentleert wird, muss für Abwechslung gesorgt werden. Als Fachmann kam da André Meyer zu Wort. Er hatte anfänglich Angst, dass seine Arbeit wegfallen könnte, dies habe sich aber nicht bestätigt. Mit «Röbi» sei es etwas eintöniger, aber nicht langweiliger geworden, wenn 288 Teile auf einmal fertig werden, verkleinere dies seine Motivation gar nicht. Für kleine Serien lohne sich der Einsatz des Roboters ja eh nicht, so brauche es auch dort weiterhin Menschen, die arbeiten.
Am Podium waren sich die Fachleute einig, dass die Motivation zur Arbeit zentral sei. Dazu brauche es aber gerade auch auf dem zweiten Arbeitsmarkt die Unterstützungen mit gezielten Ausbildungen, sowie die nötigen finanziellen Hilfen, beispielsweise durch die IV-Stellen. Für die Arbeitnehmer immer wieder neue Perspektiven zu schaffen, die Wertschätzung und das Selbstwertgefühl zu steigern, sind riesige Herausforderungen.

«Es gibt nicht weniger Arbeit»
Für das Publikum an den Werkstattgesprächen war es spannend, die Aussagen der Fachleute zu hören. Ebenso gab der Einblick in die automatisierten Prozesse am ergänzenden Arbeitsmarkt für Kunden der WBM ein eindrückliches Bild. Stiftungsratspräsidentin Karin Habegger zitierte auch die Prinzipien des Stiftungsrates, wo klar definiert ist, dass Arbeit sinnvoll sei. Dies verbietet auf den ersten Blick den Einsatz eines Roboters, aber alle Beteiligten sind gefordert, um die besten Möglichkeiten der sinnvollen Arbeit zu finden. Das Fazit an der Podiumsdiskussion lautete denn auch «es gibt nicht weniger Arbeit, eher mehr. Diese Chance muss auch der ergänzende Arbeitsmarkt packen». Die Arbeit ist nicht langweiliger, aber hat sich verändert. In der heutigen Zeit müssen Mensch und Maschine kooperieren. Dabei darf aber die Motivation und der Sinn nicht verloren gehen. Da sind Wirtschaft und Politik gefordert. Ein grosser Pluspunkt in der Stiftung WBM ist aber eine Tatsache: «Wir können auch Handarbeit machen.» Mit grossem Engagement und dem Blick in die Zukunft werden sich die Verantwortlichen der Stiftung WBM auch weiterhin für sinnvolle Arbeit auf dem ergänzenden Arbeitsmarkt einsetzen.

Von Barbara Heiniger