• Der 84-jährige Hans Estermann geniesst den Lebensabend mit seiner Frau Susi im geliebten Heim in Uetendorf. · Bild: Stefan Leuenberger

  • Hans Estermann im Element: Einsatz als Radio-Tour-Speaker an der Tour de Suisse. · Bild: Stefan Leuenberger

21.06.2021
Sport

Die Radiolegende mit Huttwiler Bezug

Seine Sportreportagen in Radio und Zeitung sind legendär. Der 84-jährige Hans Estermann war als Sportberichterstatter während 40 Jahren der «Hansdampf in allen Gassen». Während sieben Jahren wohnte der leidenschaftliche Sportfan in Huttwil. Der «UE» besuchte die Radiolegende in seinem heutigen Wohnort Uetendorf.

Hans Estermann, Sportreporter aus Uetendorf · «Cosy Corner», was soviel wie «gemütliche Ecke» bedeutet, steht am schmucken Haus mit grossem und gepflegtem Umschwung geschrieben. Uetendorf nahe Thun ist seit 51 Jahren das Zuhause einer Schweizer Sportjournalismus-Legende mit Huttwiler Bezug. «Ich bin mit meinem interessanten Leben zufrieden. Ich habe durch meine Reportertätigkeit alles gesehen», sagt der 84-Jährige. «Mir fehlt nichts, ich habe keinen Nachholbedarf. Ich kann es ruhig angehen lassen.»
 
Alles begann im April 1959
Hans Sutter, Henri Eggenberger, Jean-Pierre Gerwig, Sepp Renggli oder Walter Scheibli waren allesamt Sport-Radioreporter mit Kultstatus. Ihre Stimmen sind legendär. Auch jene von Hans Estermann wurde es. Schon immer träumte der in Ruswil aufgewachsene Sportinteressierte davon, Radioreporter zu werden. Am 30. August 1959 begann Estermann, den Traum Wirklichkeit werden zu lassen. «Hans Sutter fragte mich an, ob ich für ihn das NLA-Fussballspiel zwischen Grenchen und GC – es endete 5:1 – kommentieren könne, weil er verhindert sei», erinnert sich Estermann, als wäre es gestern gewesen. Für die Feuertaufe erhielt der damals 22-Jährige 30 Franken – und viel Lob im Anschluss. Mit seinem Fachwissen und der Kompetenz sowie seiner sympathischen Stimme traf er den Nerv des Publikums. Rasch war der Name Hans Estermann in der Sportberichterstattung ein Begriff.

Mit Herz und grosser Freude dabei
«Ich habe einfach alles sehr gerne gemacht. Das war zugleich auch mein Erfolgsgeheimnis», sagt Estermann. 40 Jahre lang war er in jeder freien Minute irgendwo an einem Sportevent anzutreffen, berichtete mit hör- oder lesbarem inneren Feuer von den Geschehnissen. Im Mannschaftssport waren es vorwiegend Fussball- und Eishockeypartien, über welche Estermann reportierte. Bis zu seiner Pensionierung waren 1544 Radiobeiträge von Estermann im Schweizer Staatssender zu hören. In dieser Zeit erlebte der Sportkenner einiges. «An einem Fussball-Länderspiel in Madeira teilte ich mit dem damals noch unbekannten Bernard Thurnheer das Zimmer, um Kosten zu sparen. Damals herrschte in diesem Land beim Essen eine Krawattenpflicht. Der junge Beni hatte davon keine Ahnung und musste sich eine von mir ausleihen, um zum Essen zu kommen», lacht Estermann.

250 Fussball-Nati-Spiele ohne Pause
Eine unglaubliche Serie legte der zweifache Familienvater mit der Schweizer Fussballnati hin. 25 Jahre lang hat er über jedes Nati-Länderspiel live vor Ort berichtet, sei es für Zeitungen oder für das Radio. «250 Spiele in Serie waren es. Ich habe so die Welt gesehen.» Abrupt endete diese Serie. Der damalige Tour de Suisse-Boss Sepp Vögeli verbot Hans Estermann, das am Abend in Basel stattfindende Länderspiel Schweiz gegen Brasilien zu besuchen, zu wichtig war Estermanns Posten in der Tour-Organisation. «Ich stand an diesem Tag als Radio-Tour-Sprecher am Etappenort St. Moritz im Einsatz», erinnert sich der Uetendorfer. Der Radsport war eine weitere grosse Liebe des Mannes mit der angenehmen Stimme. Zwischen 1984 und 2000 war er an der Tour de Suisse als Speaker der Radio-Tour im Einsatz. Estermann gab bei dieser Tätigkeit aus dem Auto heraus relevante Renninformationen via Funk an die Teams und an die Medien. «Blitzschnell musste ich die Rennsituationen erkennen, in drei Sprachen kommentieren. Das war herausfordernd.» Selbiges tat er während zehn Jahren auch an der Deutschland-Tour.

Selber kein ambitionierter Sportler
Auch im Skisport war Estermann zu Hause. 25 Jahre lang amtete er als Medienchef an den Weltcuprennen in Adelboden. Auch im Schwingsport versuchte er sich. «Das hat mir auch sehr gefallen. Doch die Präsenzzeit an einem Schwingfest war mir einfach zu lang. Nach drei Schwingfesten war Schluss damit.» Wenn Hans Estermann nicht gerade am Radio zu hören war, griff er in die Tasten. Mit einer ganz persönlichen Note verfasste er Porträts über bekannte Schweizer Sportler. Estermann kennt heute alle Schweizer Sportgrössen – aber auch die wichtigsten Leute aus Politik, Business und Show –, ist per Du mit ihnen und hat sie persönlich besucht und über sie berichtet. In all den Jahren hat er sich ein immenses Beziehungsnetz aufgebaut. «Ich erinnere mich an eine Berichterstattung für die Coop-Zeitung. Ich war einen ganzen Tag lang bei Roger Federer daheim.» Estermanns Porträts waren begehrt. «In der Blütephase konnte ich wöchentlich zwölf Zeitungen beliefern. Etwas, was heute undenkbar wäre.» Auch im «Unter-Emmentaler» waren Estermanns Porträts in den Neunzigerjahren zu lesen. Selber hat Estermann nie intensiv Sport getrieben. «Dafür hatte ich nicht auch noch Zeit.» Ab und zu spielte er mit seinen Kindern etwas Fussball, rannte auf dem Vitaparcours oder unternahm mit seiner Frau Wanderungen. «In einem Sportverein war ich wegen der fehlenden Freizeit nie.»

Sieben Jahre in Huttwil gelebt
Sieben Jahre lang war Hans Estermann Huttwiler. Nach einer KV-Lehre übernahm er einen Job in der Huttwiler Leinenweberei von Otto Bieri. Deshalb zog er 1963 nach Huttwil. Wohnhaft war er an der Bahnhofstrasse in einer Wohnung oberhalb der damaligen Drogerie Hermann. In Huttwil hat er 1965 seine Frau Susi geheiratet, die er schon früh kennenlernte. «Bereits als Schulbub wusste ich, dass dies später einmal meine Frau wird – und so kam es auch», schmunzelt Estermann. «Mit Huttwil verbinde ich nur schöne Erinnerungen. Viele Freundschaften bestehen bis heute. So treffen wir beispielsweise regelmässig Ernst und Barbara Lienhart», erzählt Estermann. «In Huttwil kamen auch unsere beiden Söhne auf die Welt – und vom beliebten Huttwiler Ferienheim im Eriz besitze ich noch Anteilsscheine.»

Der «Hansdampf in allen Gassen»
Eine berufliche Veränderung brachte auch den Wegzug aus Huttwil mit sich. In der Folge war Hans Estermann jahrelang als Exportleiter einer international tätigen Baumwollweberei tätig. Dann gründete er mit der Promotex GmbH seine eigene Firma, die heute von seinem Sohn geführt wird. Die Promotex beliefert namhafte Firmen mit textilen Werbeträgern.
Wenn Hans Estermann nicht für seine Firma auf Achse war, dann reiste er für den Sport durch die Welt. Er war ein «Hansdampf in allen Gassen», ein Organisationstalent, das zwei bis drei Sachen gleichzeitig erledigen konnte. «Ohne meine Frau hätte ich dies aber nie geschafft. Sie zeigte immer Verständnis und stärkte mir den Rücken.»
Seinen letzten sportlichen Reporter-Einsatz hatte Hans Estermann im Alter von 80 Jahren am Grand-Prix von Gippingen im Radsport. «Seither habe ich nicht mehr kommentiert und auch keinen Text mehr verfasst. Ich vermisse nichts, weil ich es über eine lange Zeit meines Lebens intensiv erleben und geniessen durfte.»
Dafür hat der geistig topfite Rentner nach dem Ende seiner Sportberichterstattung viel Zeit mit seiner Frau verbracht. Wandern, das Besuchen von kulturellen Veranstaltungen und Ausflüge waren angesagt. «Jetzt macht mein Körper nicht mehr bei allem mit. Ich geniesse vor allem die Zeit in meinem schönen Zuhause.» Hans Estermann achtet auf seine Gesundheit, schläft täglich elf Stunden. «Ich gehe früh zu Bett und stehe dann dafür zeitlich auf.» So verpasst er die Abendpartien der Fussball-EM. «Besser ich schlafe, als mir Spiele wie die Schweiz gegen Italien anzutun», lacht der Mann, der ein Vierteljahrhundert keine Nati-Partie ausliess, mit grosser Gelassenheit. Tagsüber schaut er sich aber gerne Sportübertragungen jeglicher Art an. Bewegung verschafft sich Estermann, indem er jeden Vormittag «kömmerle» geht. Ansonsten geniesst die Radiolegende seine «gemütliche Ecke».

Kurz gefragt:

Bester Sportler ever
Der ehemalige belgische Radprofi Eddy Merckx. National der ehemalige Skifahrer Bernhard Russi.

Die beste Sportart
Ich nenne Fussball, Eishockey, Rad und Ski – weil ich über diese Sport­arten am meisten berichtet habe.

Kilometer mit dem Auto
Ungefähr 30 Mal um die Welt.

Familie
Sie steht zuoberst. Sie ist mir ganz wichtig, bedeutet mir alles. Ich habe sieben Grosskinder. Auf Besuche von ihnen freue ich mich immer sehr.

Laster
Früher war dies der übermässige Tabakkonsum. Ich habe drei Päckli pro Tag geraucht. Bis mich der legendäre Sepp Renggli fragte, ob ich das abendliche Spiel kommentiere oder huste? Das gab mir zu denken. Ich habe auf einen Schlag mit Rauchen aufgehört.

WhatsApp
SMS-Mitteilungen reichen mir völlig. Ich telefoniere lieber, das ist persönlicher. So gratuliere ich beispielsweise allen Leuten meines Freundeskreises persönlich telefonisch zum Geburtstag. Das wird sehr geschätzt.

Kreuzworträtsel
Etwas für meine Frau.

Süssigkeiten
Mag ich sehr. Am liebsten Pralinen. Meine Lieblingspraline heisst Susi.

Jahreszeit
Frühling – alles erwacht zum Leben und die Temperatur steigt.

Feriendestination
Bis vor zwei Jahren sind wir 24 Jahre lang hintereinander immer im Winter für zwei Wochen auf die Kanarischen Inseln gereist.

Gartenarbeit
Diese habe ich sehr gerne ge­macht. Körperlich kann ich sie seit zwei Jahren leider nicht mehr ausführen. Dafür haben wir seither einen Mähroboter für den grossen Rasen.

Covid-19
Wir waren vorsichtig und haben uns stets strikte an die Weisungen gehalten. Dadurch konnten wir eine Erkrankung verhindern. Bereits seit Februar sind wir beide geimpft. In meinem familiären Umfeld hat es
nur ein Grosskind erwischt, allerdings mit einem milden Krankheitsverlauf.

Von Stefan Leuenberger