«Die Reise schweisst uns mehr zusammen»
Wie am 11. Juni im «Unter-Emmentaler» berichtet, sind Daniel Jenni und Sibylle Felder seit Ende Mai mit Solarvelos auf der Hochzeitsreise durch Europa. In einem Zwischenbericht blicken sie auf den ersten Monat zurück.
Heimisbach/Europatour · «Gesundheitlich geht es und tipptopp. Bis jetzt hatten wir keinen Unfall oder grössere Krankheiten», schreibt Sibylle Felder auf Anfrage. «Wir werden ab und zu von Mücken geplagt und meine Knie spüre ich, als wäre ich alt und eingerostet.» Am Abend merke sie jeweils deutlich, wie müde Hände und Handgelenke seien. Froh sei sie, dass ihr Mann Daniel Jenni trotz seines Rückenunfalls am Neujahrstag, kaum Beschwerden habe. «Sein rechtes Knie und die linke Schulter stechen mehr.» Zur Unterstützung ihrer Fitness nehmen die beiden alle paar Tage einen ‹Vitamincocktail› ein. «Das hilft, um die Gelenke zu schmieren», ist Sibylle Felder überzeugt.
Bisher nur kleine Materialschäden
Gestürzt seien sie glücklicherweise bisher nie. Hingegen musste Sibylle Felder einmal das Fahrrad, um eine Kollision mit einem Auto und schlimme Schäden zu verhindern, zu Boden gleiten lassen. «Es sind trotzdem zwei Querlatten am Paneltragrahmen abgebrochen und diese mussten mit Leim wieder zusammengeklebt werden.» Ansonsten breche immer wieder der Gepäckträger an derselben Stelle. «Diese Konstruktion ist wohl zu schwach gebaut für die Kräfte, die darauf wirken. Aber das konnten wir beim Bauen ja noch nicht ahnen», gibt sie zu bedenken. «Kurz vor Constanza, dem 2. Checkpoint, erlebten wir einen richtigen kleinen Minitornado, der etwa drei Stunden dauerte. Zum Glück waren wir da ausnahmsweise einmal in einem Restaurant, um zu Mittag zu essen», erzählt sie von einem weiteren Erlebnis. Selten habe es im ersten Monat geregnet. «Wenn die Sonne voll und den ganzen Tag scheint, dann können wir eigentlich immer Vollgas mit zirka 30 bis 40 Stundenkilometern fahren. Dann füllt es den Akku dreimal auf.» Bei wolkigem Wetter heisst es, den Strom einzuteilen und mit mehr Kraft selbst zu pedalen. «Jedoch langsamer als 18 Kilometer in der Stunde zu fahren macht weder Spass noch Sinn, weil wir doch inklusive Gepäck 60 Kilogramm schwere Fahrräder haben und das dann sehr schnell sehr anstrengend und mühsam ist.»
Steckdosen sind nicht erlaubt
Das Aufladen der Räder mittels Steckdose sei beim Suntrip, wie das 10 0000-Kilometer-Rennen quer durch Europa heisst, nicht erlaubt. «Wir haben deswegen schon gar kein Ladegerät mitgenommen, dann kommt man auch nicht in Versuchung», so Sibylle Felder. Übers Wetter beklagen sie sich allerdings nicht. «Während ihr zu Hause in der Schweiz im Regen fast ertrunken seid, hatten wir strahlende Sonne und heisse Temperaturen in Rumänien. Das war unser Glück.» Deshalb sei es möglich gewesen, rund 740 Kilometer innerhalb von drei Tagen zurücklegen.
Der Suntrip sei ein 7-Tage-Job, sind sich die beiden einig. Nach knapp einem Monat hat das Ehepaar bereits rund 8300 Kilometer abgestrampelt. «So langsam finden wir, dass es genügt», gibt Sibylle Felder zu. Die Motivation sei dementsprechend nicht mehr gross. «Wir haben schon überlegt, nach diesem 3. Checkpoint nahe der Schweizer Grenze gemütlich zurück nach Lyon zu fahren und somit einfach den halben Suntrip zu absolvieren.» Pausen werden nämlich nur eingelegt, wenn es etwas zu reparieren gibt. «Deshalb sind wir schon an so vielen wunderschönen Landschaften und geschichtlich interessanten Städten vorbeigefahren, ohne Zeit für deren Besichtigung zu haben», bedauert das Ehepaar. Eine richtige Planung der Route mit Tagesziele gebe es nicht. «Wir schauen, wie weit wir fahren mögen, wie das Wetter mitmacht und gegen Abend machen wir uns Gedanken, bis wohin wir noch fahren wollen, um zu übernachten», so Sibylle Felder. «Zum Beispiel die nächste Ortschaft mit Campingplatz, See oder Flüsschen zum Wildcampieren.»
Die anderen Teilnehmenden am Suntrip treffe man übrigens selten. «Es gibt eine Livemap über die Georacingapp. Da kann man immer schauen, wer wo steckt.» Nur ab und zu begegne man anderen Bikern. Aber dann sei das Treffen herzlich und man tausche seine Erfahrungen aus. Von Seiten der Organisation her gelte es, sich über schwierige Grenzübergänge zu informieren, gute Routen weiterzuempfehlen und wenn jemand Probleme hat, zu helfen. «Der Umgang ist definitiv freundschaftlich», betonen sie.
Rumänien ist kein Veloland
Und welches waren im ersten Monat mental und körperlich die grössten Herausforderungen? «Für mich war anfangs Rumänien sehr schwierig», erzählt Sibylle Felder. «Ich brauche sowieso immer etwas Zeit, um mich in einem neuen Land anzuklimatisieren. Der rumänische Strassenverkehr bringe einen an seine Grenzen. «Dort sind Velofahrer ungewohnt, die Autofahrer überholen sie knapp. Und sie lieben es, zu hupen. Entweder aus Freude an uns oder als Warnung, dass sie sicher nicht bremsen werden.» Hingegen habe Rumänien tolle Landschaften und nette, herzliche Leute.
In Polen kam ihr Mann an seine Grenzen. «Erstens konnten wir nicht in die Ukraine einreisen und mussten deswegen wieder Umwege fahren, zweitens hat das GPS nicht richtig funktioniert und drittens hat sein Velo so nervige Quietschgeräusche gemacht, dass ihm der Kragen platzte.» Zusammengefasst sagen beide, dass wenig von dem, was sie sich vorgenommen hatten, zustande kam. Wie zum Beispiel Spezialitäten auf dem Gaskocher kochen oder die Balkanländer durchqueren. Das liege einerseits an Corona, andererseits an der Müdigkeit am Abend. Als schönstes Erlebnis nennt Sibylle Felder die Tatsache, dass sie in besonders schwierigen Situationen immer nette Menschen trafen, die sie mit zusätzlichen feinen Lebensmitteln beschenkten.
Von Sibylle Felder/Irmgard Bayard