• Rentner verlassen Huttwil. Der Gemeinderat begibt sich deshalb auf die Suche nach einer Antwort für diesen überraschenden Trend. · Bild: pexels

07.04.2022
Huttwil

Die Rentner verlassen das «Städtli»

Der Gemeinderat von Huttwil hat sich an einer zweitägigen Klausur über die angespannte Finanzlage der Gemeinde unterhalten. Dabei musste er zur Kenntnis nehmen, dass Huttwil zwar wächst, gleichzeitig aber die Steuereinnahmen pro Kopf rückläufig sind. Feststellen musste der Gemeinderat zudem, dass in den letzten zehn Jahren rund 400 Rentner das «Städtli» verlassen haben. Weil es sich hier um eine in der Regel vermögende Personengruppe handelt, hat diese «Abwanderung» ebenfalls negative Auswirkungen auf den Finanzhaushalt der Gemeinde. Aufgrund dieser Ausgangslage scheint eine Steuererhöhung in naher Zukunft unausweichlich.

Huttwil · Im Mittelpunkt der jährlichen Klausur des Huttwiler Gemeinderates standen die Finanzen. An der letzten Gemeindeversammlung wurde der Gemeinderat von den anwesenden Stimmbürgern explizit aufgefordert, Massnahmen und Lösungen zu definieren, mit denen der defizitäre Finanzhaushalt stabilisiert oder allenfalls sogar ausgeglichen gestaltet werden kann. «Diesem Wunsch sind wir nachgekommen und der Gemeinderat hat sich anlässlich seiner Klausurtagung einen ganzen Tag lang mit dem Thema Finanzen beschäftigt», erläuterte Gemeindepräsident Walter Rohrbach bei der Medienorientierung zur gemeinderätlichen Klausur.
Gemeinderat Marcel Sommer (Ressort Finanzen) hielt gleich zu Beginn fest, dass Huttwil wachse. 7,2 Prozent beträgt die Zunahme der Bevölkerung in den letzten zehn Jahren. «Diese Tatsache hat uns veranlasst, einmal genauer hinzuschauen, wie unsere Gemeinde genau wächst.» Dabei habe man beispielsweise festgestellt, dass der Anteil der ausländischen Bewohner deutlich stärker zugenommen habe als jener der Schweizer Bevölkerung. «Eine klare Zunahme verzeichnete die Gemeinde in den letzten Jahren auch bei den Personen im Alter von unter 20 Jahren», hielt Sommer weiter fest.

Steuerertrag pro Kopf gesunken
Diese Tatsache stelle die Gemeinde vor eine grosse Herausforderung, denn viele neue Bewohner im Kindes- und Jugend-Alter verursachten Infrastruktur-Probleme, die es zu lösen gelte (Schulraumplanung). Zudem seien auch die Sozialhilfe-Ausgaben gestiegen und auch bei den Ergänzungsleistungen sei eine Zunahme erfolgt. Zwar ist die Einwohnerzahl Huttwils gestiegen, doch sind die Steuererträge pro Kopf gesunken. Während im kantonalen Vergleich der letzten fünf Jahre der Steuerertrag pro Kopf um rund 1,7 Prozent gestiegen ist, sank dieser in Huttwil in der gleichen Zeitspanne um 2,14 Prozent. Für Marcel Sommer ist die Schlussfolgerung klar: «Entweder sind steuerkräftigere Einwohner weggezogen oder Steuerpflichtige mit geringeren Einkommen zugezogen», stellte er nüchtern fest.
Diesbezüglich habe man eine weitere Feststellung gemacht, die den Gemeinderat überrascht und auch ein wenig «schockiert» habe. «Huttwil verliert Rentner», sagte Gemeinderat Sommer. In den letzten zehn Jahren hätten über 400 Rentner die Gemeinde verlassen. «Das waren wir uns bislang nicht bewusst», bemerkte Gemeinderat Sommer dazu. Weil es sich hier um eine in der Regel vermögende Personengruppe handle, habe diese «Abwanderung» ebenfalls Auswirkungen auf die Gemeindefinanzen.

Wohin gehen die Rentner?
Sommer versicherte jedoch, dass man dieses Phänomen genauer untersuchen wolle. «Uns interessiert, wohin die Rentner gehen. Anhand dieser Angaben können wir feststellen, ob sie eine steuerlich günstigere Gemeinde bevorzugen oder ob sie weggezogen sind, weil sie die Altersangebote in unserer Gemeinde als unzureichend einstufen», ergänzte Gemeindepräsident Walter Rohrbach. Bislang habe man das Gefühl gehabt, über ausreichende Dienstleistungs-Angebote für ältere Einwohner zu verfügen.
Zurück zu den Gemeindefinanzen, deren Lage sich vor allem in den letzten Jahren verschlechterte. So hat die Neuverschuldung der Gemeinde im Zeitraum von 2016 bis 2020 um rund 3,3 Millionen Franken zugenommen. Aktuell weist Huttwil eine Verschuldung von knapp 26 Millionen Franken auf. Vom Verkauf der onyx-Aktien im Jahre 2006 in der Höhe von 21 Millionen Franken sind noch 11,6 Millionen Franken vorhanden. Dadurch ergibt sich eine aktuelle Nettoverschuldung der Gemeinde von 14,14 Millionen Franken.

Steuererhöhung und Parkgebühren?
Aufgrund dieser Ausgangslage hat der Gemeinderat die Investitionen überprüft und deren Umsetzung soweit möglich optimiert. Dennoch betragen künftig die jährlichen Investitionen durchschnittlich rund 4,7 Millionen Franken. Gemeindepräsident Walter Rohrbach weist darauf hin, dass man darauf verzichtet habe, Projekte zeitlich nach hinten zu schieben. «Ein solches Vorgehen bringt keine Einsparungen, im Gegenteil, diese Massnahme würde zu einem aufgestauten Investitionsbedarf führen und die Investitions-Problematik bloss auf später verschieben», erläuterte Rohrbach.
Vielmehr hat der Gemeinderat beschlossen, die Budgetvorgaben für 2023 so anzupassen, dass der beeinflussbare Aufwand um zehn Prozent gesenkt werden soll. Alleine mit dieser Massnahme lasse sich jedoch der angestrebte Selbstfinanzierungsgrad von 75 Prozent nicht erreichen, ist sich der Gemeinderat bewusst. Er hat deshalb die Finanzkommission beauftragt, zwei Budgetvarianten vorzubereiten, eine mit unveränderter Steueranlage von 1,65 Einheiten und eine mit einer Steuererhöhung. Zugleich wurde auch die Kommission für öffentliche Sicherheit damit beauftragt, die Grundlagen für ein Parkplatzreglement zu erarbeiten. Damit soll eine allfällige Bewirtschaftung der öffentlichen Parkplätze ermöglicht werden.

Von Walter Ryser