• Die Kastelruther Spatzen verzückten bei ihrem 19. Huttwiler Gastspiel mit einem festlichen Konzert. · Bild: Stefan Leuenberger

19.12.2018
Huttwil

Die Rückkehr der Könige der Volksmusik

Die Kastelruther Spatzen gehören seit fast 40 Jahren zu den bekanntesten Grössen im Volksmusik-Geschäft. Nach einem vierjährigen Unterbruch kehrten die Südtiroler Naturburschen am Dienstagabend für ein Konzert nach Huttwil zurück. Das bereits 19. Huttwiler Konzert stand im Zeichen des Weihnachtszaubers.

Für die eingefleischten Spatzen-Fans aus der nahen und fernen Umgebung war es wie Weihnachten und Ostern auf einmal: Nach vier Jahren Unterbruch kehrten mit den Kastelruther Spatzen die Könige der Volksmusik für ein Konzert nach Huttwil zurück.
Was 1997 im damaligen Sportcenter-Rohbau begann, endete 2014 nach 18 Auftritten.

Grosse und treue Fangemeinde
«Es ist schön, dass es jetzt wieder klappte. Mit Huttwil verbinden uns viele schöne Erinnerungen. Wir haben hier eine grosse und treue Fangemeinde», sagte Norbert Rier, Sänger und Sprachrohr der 1975 gegründeten Südtiroler Musikformation. «Die Rückkehr der Spatzen ist eine schöne Geschichte. Der Campus Perspektiven in Huttwil eignet sich ganz einfach für solche Konzerte», meinte Linus Thalmann von der organisierenden Mountain Event GmbH. «2019 spielen die Spatzen in der Schweiz in Thun, Sursee und Sargans. Aber für 2020 ist eine Rückkehr nach Huttwil nicht ausgeschlossen», blickte Thalmann, der am 14. August 2019 in Huttwil ein Open-Air mit Andreas Gabalier auf die Beine stellt, voraus.

Konzert im kleineren Rahmen
Die Rückkehr und das 19. Konzert in Huttwil fand nicht im üblichen Rahmen statt. Es handelte sich um ein Spatzen-Weihnachtskonzert. Dieses fand nicht wie die vorherigen Konzerte der Kastelruther Spatzen in der Eishalle vor gegen 4000 Fans, sondern in der bestuhlten Sporthalle vor 950 Leuten statt. «Diese Grösse ist üblich bei den Weihnachtskonzerten. Auch in Dietikon, dem zweiten Weihnachtskonzert in der Schweiz, werden etwa gleich viele Leute anwesend sein», informierte Thalmann. Norbert Rier ergänzte: «Der intimere Rahmen ist gewollt. Es soll besinnlich und ruhig zu und hergehen. Wir möchten, dass die Besucher in einen Weihnachtszauber eintauchen und den Alltag einen Abend beiseite lassen können.»

Malerisches Bühnenbild
Der Konzertabend umfasste zwei Teile. Im ersten Abschnitt servierte das gutgelaunte Sextett einen Mix grosser Erfolge, wobei bei der Auswahl darauf geachtet wurde, dass der Grossteil der Lieder zur besinnlichen Zeit passt. Das winterliche Bühnenbild zeigte den Dorfplatz von Kastelruth samt Glockenturm. «Liebe ist mehr als nur eine Nacht», ein Meisterwerk des 40. und aktuellen Studioalbums, gefiel. Rührend war die Nummer «Ich schwör». «Viel zu oft und unüberlegt wird dieses Wort heute ausgesprochen», mahnte Norbert Rier. Beim 2017-Werk «Tränen der Dolomiten» zeigte Trompeter Walter Mauroner bei seinen Solos eindrücklich auf, für was die Spatzen seit Jahrzehnten stehen: Die Bläsereinsätze in allen Liedern sind traumhaft schön, unverkennbar und so ein absolutes Markenzeichen der Band. Gros-sen Zuspruch erntete das mit einem modern-peppigen Beat unterlegte «Dem Leben ins Gesicht gelacht». Gegen Ende des ersten Konzertteils taute das Publikum auf, obwohl es sich ja um eine besinnliche Musikveranstaltung handelte. Doch zu den Evergreens «Daheim in Kastelruth», dem Klassiker von 1992 «Eine weisse Rose» oder «Herzschlag für Herzschlag» wurde tüchtig nach links und rechts geschunkelt, mitgeklatscht und mitgesungen. Der Wohlfühlfaktor war vermittelt. Aufgestanden und richtig abgerockt ist im Publikum niemand. Kein Wunder: auch die Musiker bewegen sich auf der Bühne kaum.
Doch zum wilden Herumrennen auf der Bühne ist die Musik der Kastelruther Spatzen auch nicht gedacht. Die Truppe erzählt Geschichten aus dem Leben, in welchen sich die Anhänger wiederfinden. Statt Ausflippen ist Träumen und Schwelgen angesagt. Geradezu eingetaucht werden kann, wenn die Kastelruther Spatzen die Heimat und die Natur besingen, etwas, was dem passionierten Landwirt Rier besonders gut liegt. Mit dem Titelsong der aktuellsten Produktion «Älter werden wir später» klang der erste Teil aus. «Man ist so jung, wie man sich fühlt. Älter werden ist schön, wenn man gesund und zufrieden ist», ermunterte Rier die ältere Generation im Publikum.

«Es wird still im Tal» – das Highlight
Nach der Pause zogen die Spatzen das Publikum definitiv in ihren Bann. Die sinnlichen Eigenproduktionen vermischt mit bekannten Weihnachtsliedern («Jingle Bells», «Stille Nacht») wurden durch eine weihnächtliche Bühnendeko mit Schnee, Lämpchen und Kerzen verstärkt. Als Norbert Rier die rührenden Geschichten in seiner unverwechselbar reinen Stimme ins Mikrofon hauchte, kullerte im Publikum hie und da ein Tränchen die Wange hinunter. Bei nachdenklichen Nummern wie «Aber zu Weihnachten bin ich daheim», «Tränen im Schnee» oder «Warum hat man sie vergessen» war dies auch gut nachzuvollziehen. In eine andere Welt – eine heile – abtauchen konnten die Fans auch beim «Andachtsjodler» oder dem Instrumental «Ave Maria», bei welchem Walter Mauroner und Valentin Silbernagel zur Hochform aufliefen.
Herzlich war die wahre Geschichte vom heldenhaften Buschauffeur in der Toskana, welche Keyboarder Albin Gross den Fans erzählte. Das emotionale Highlight bildete das Werk «Es wird still im Tal» – und damit kein eigentliches Weihnachtslied. Doch der simple Text gepaart mit der direkt ins Herz schies-senden Melodie macht diese Ballade zu einem Juwel.
Der zweistündige Weihnachtsauftritt der Spatzen gefiel. «Es war einfach schön. Eine ‹Weisse Rose› und ‹Stille Nacht› haben mir am besten gefallen», meinte Silvia Rizzi aus Müllheim. Die 56-jährige Thurgauerin besucht etwa vier Spatzen-Konzerte pro Jahr. «Und ich reise immer mit meinem Spatzen-Opel an die Auftritte. Dieser läuft nur 45 km/h schnell. Ans Open-Air in Kastelruth reise ich deshalb immer acht Stunden lang», erzählte der Fan der allerersten Stunde.
Seit dem Gewinn des Grand-Prix der Volksmusik 1990 (mit dem Lied «Tränen passen nicht zu dir») reist Rudolf Bichsel aus Ursenbach den Spatzen nach. «Der Auftritt in Huttwil war viel besser als jener in Sursee vor einem Jahr. Das Bühnenbild war toll. Den fantasievollen Spatzen fällt immer wieder etwas Neues ein», lobte der 53-Jährige. «Mein Lieblingslied, welches in Huttwil nicht gespielt wurde, heisst ‹Brücke ins Glück›. Der Konzerthöhepunkt in Huttwil war ganz klar ‹Es wird still im Tal›». Und wie heisst es in diesem Song doch so schön: «Es wird still im Tal und der Mond erwacht. Alle wünschen sich eine gute Nacht.» Ebenfalls dürften sich die Spatzen-Fans wünschen, dass es nicht wieder vier Jahre dauert, bis ihre grossen Idole nach Huttwil zurückkehren.

Von Stefan Leuenberger