Die sechs guten Feen vom Mittagstisch
Ein kleines Team des Landfrauenvereins Wyssachen bietet in enger Zusammenarbeit mit der Kirchgemeinde Wyssachen viermal im Winterhalbjahr einen Mittagstisch an. Alle beteiligten Frauen, welche kochen, servieren und abwaschen, sind ehrenamtlich tätig. Das Angebot steht allen Interessierten offen und es gibt keine Altersbegrenzung.
Wyssachen · «Es braucht alle für die Organisation des Mittagstisches. Eine Frau alleine könnte dies nicht realisieren. Wir sind aber seit Jahren ein eingespieltes Team, in dem die Aufgaben gut und klar verteilt sind. Wir arbeiten gerne zusammen, auch ohne finanziellen Ertrag», stellt Sandra Kohler im Gespräch mit dem «Unter-Emmentaler» ganz klar fest. Sie nimmt vor den angekündigten Essen jeweils die Anmeldungen entgegen, darum wird ihr Name als einziger vom Team in der Ausschreibung öffentlich bekannt gemacht.
Ein gut funktionierendes Team
Als im Jahr 1994 das Kirchgemeindehaus Wyssachen neu gebaut war, gab es zahlreiche Ideen für die Nutzung. Im Gespräch zwischen der Sekretärin vom damaligen Landfrauenvorstand Barbara Heiniger und Pfarrer Hanspeter Heimberg entstand unter Mithilfe anderer das gelungene Projekt eines «Mittagstisches». Am 19. Dezember 1995 wurde dieser Anlass erstmals organisiert. Hanspeter Heimberg erlebte das leider nicht mehr, er verstarb im Sommer 1995.
Am Anfang und während vielen Jahren war Käthi Mühle in der Küche die Verantwortliche, die mit verschiedenen Frauen das Essen zubereitete. Aktuell verantwortlich sind nun Margrit Meister, Annemarie und Vroni Liechti in der Küche mit Pfannen und Rüstmesser beschäftigt. Sie werden zuweilen von Fritz Meister unterstützt. Das eingespielte Team kocht für alle, die gerne in Gesellschaft ein schmackhaftes, gesundes Essen geniessen, ein Menu mit drei Gängen. Sandra Kohler und Marianne Grütter tragen die Verantwortung, den Tisch zu decken, inklusive der Dekoration und dem Service. Sie werden ebenfalls von einigen Frauen unterstützt, darunter sind immer auch einige vom aktuellen Landfrauen-Vorstand.
Seit Beginn des Mittagstisches und bis heute führt Elisabeth Scheidegger die Kasse. Die Kosten für das Essen sind pro Person zehn Franken, dies ist seit 1995 bis heute so. «Unser Küchenteam kann gut rechnen. Beispielsweise beim Fleischeinkauf gibt es einen grossen Spielraum, und auch das Dessert wird je nach Finanzlage angepasst», meint Elisabeth Scheidegger mit einem feinen Lächeln.
Feines Essen und Beziehungspflege
Für die Teilnahme am Mittagstisch gibt es keine Altersbegrenzung, weder nach unten noch nach oben, ebenfalls keine Gemeindegrenze. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen. Anschliessend an das Mittagessen wird durch die Kirchgemeinde Wyssachen jeweils ein Altersnachmittag organisiert. Dessen Teilnahme ist aber für die Mittagstisch-Teilnehmenden freiwillig, da die beiden Anlässe in verschiedenen Räumen stattfinden.
Bereits am Mittagstisch ist genügend Zeit für ein gemütliches Beisammensein, und die aktive Pflege der Beziehungen wird von der Suppe bis zum Dessert mit Kaffee garantiert. Das zubereitete Essen ist meistens traditionell und währschaft, natürlich saisonal mit vielen Produkten aus der Region und einheimischen Geschäften. Eine reichhaltige Bernerplatte mit der Fleischsuppe zum Auftakt gilt als Gaumenschmaus. Ein feiner Rinds- oder Schweine-Braten, für rund sechzig Personen gemacht, ist einfach gut. Nie fehlen dürfen die «Öpfuschnitzli», die dem Hauptgang das «gewisse Etwas» geben.
Nach Möglichkeit wird auf Unverträglichkeiten oder Allergien Rücksicht genommen. Die Portionen werden dem Hunger der Essenden angepasst, aber in fröhlicher Gesellschaft ist der Appetit meistens vorhanden.
Im März 2013 wurde bereits zum 50. Mal ein Mittagstisch organisiert. Speziell wurde dieses Jubiläum nicht gefeiert, da es auch an allen anderen Mittagstischen vorher und nachher ein «Festessen» gab. Dankbar wurde aber damals an Pfarrer Hanspeter Heimberg erinnert, der den «Stein» zusammen mit den Landfrauen Wyssachen ins Rollen brachte.
Wertvolle Kontakte sind ein grosser Lohn
Die aktuelle Corona-Pandemie hat die Durchführung der Wyssacher-Mittagstische in diesem Winter verhindert. Sonst wäre im November 2020 der 80. Mittagstisch durchgeführt worden. Nun hoffen alle Beteiligten, dies im November 2021 nachzuholen, vor allem aber, dass die Mittagstische überhaupt wieder stattfinden können.
Was aber ist die Motivation der Landfrauen, sich ehrenamtlich und ohne Lohn für diese Anlässe einzusetzen? «Es sind ganz klar die wertvollen Kontakte im Team und zu den Gästen, welche uns viel bedeuten und ein Ansporn sind. Zudem ist es immer wieder ein besonderes Erlebnis, zu sehen, wie Menschen, die sonst oftmals alleine sind, in froher Runde ein Essen geniessen. Die grosse Dankbarkeit ist für uns zuweilen ein Seelenbalsam», sind sich Sandra Kohler und Elisabeth Scheidegger stellvertretend für alle Landfrauen einig.
Mit dem «Trinkgeld», gespendet von Besuchern, die finden, dass das Essen sehr günstig angeboten werde, gönnt sich das Mittagstischteam jeweils ein Essen in einem Restaurant. Dabei geniessen es die Landfrauen sehr, sich an einen gedeckten Tisch zu setzen und keine Kochlöffel zu schwingen.
Das Mittagstisch-Angebot soll gar keine Konkurrenz zu Restaurants sein, sondern ist für alle Beteiligten viermal im Winter eine kleine, schöne und schmackhafte Abwechslung vom Alltag.
Von Barbara Heiniger