«Die Stadt hat an Attraktivität gewonnen»
In einem Monat geht in Langenthal eine politische Ära zu Ende. Thomas Rufener tritt als Stadtpräsident zurück. Nach insgesamt 18 Jahren politischer Tätigkeit in Langenthal (acht Jahre Gemeinderat, zehn Jahre Stadtpräsident) tritt er in den Hintergrund. Mit Genugtuung stellt er fest: «Langenthal hat an Attraktivität gewonnen und stand während meiner Zeit auch einige Male aufgrund sportlicher Erfolge national im Fokus, was mich rückblickend sehr freut.»
Walter Ryser im Gespräch mit Thomas Rufener, abtretender Stadtpräsident von Langenthal
Thomas Rufener, noch einen Monat, dann ist ihre Zeit als Stadtpräsident von Langenthal abgelaufen. Sind Sie froh darüber?
Wenn sich eine Tätigkeit dem Ende nähert, gibt es immer Momente des Bedauerns, aber auch solche, wo man das Gefühl hat, dass es Zeit ist, aufzuhören. Bei meinem Amtsantritt habe ich ganz klar einen Zeithorizont von zehn Jahren ins Auge gefasst, deshalb war für mich das Ende immer absehbar und wusste ich ganz genau, wann es so weit sein wird. Das ist für mich kein Problem, habe ich doch damit bereits Erfahrung. Als ich damals nach acht Jahren im Gemeinderat wegen Amtszeitbeschränkung aus dem Gremium ausschied, konnte ich feststellen, dass sich der Wechsel ins ‹normale› Leben erstaunlich schnell und weitgehend problemlos vollzieht. Man gewinnt innert kürzester Zeit eine gewisse Distanz zur früheren Tätigkeit. Nun fängt für mich ein neuer Lebensabschnitt an, auf den ich mich freue.
Was möchten Sie bis Ende Jahr noch unbedingt erledigen?
Interessant am Job als Stadtpräsident ist, dass man in viele Projekte involviert ist. Momentan befinden wir uns in der Schlussphase des Siedlungsrichtplanes. Das tönt zwar nicht gerade spektakulär, hat aber enorme Auswirkungen auf die künftige, strategische Ausrichtung der Stadt. Vom Kanton haben wir einen positiven Vorbericht zur Kenntnis nehmen dürfen, so dass wir im Gemeinderat den Siedlungsrichtplan vermutlich noch dieses Jahr definitiv abschliessen können. Daneben bin ich froh, dass das Sanierungsprojekt Stadttheater gut unterwegs ist. Es ist mir aber wichtig, dass sich Geschäfte und Projekte nicht auf meine Person fokussieren und deshalb noch rasch reingewürgt werden. Vielmehr lege ich Wert darauf, dass diese exakt vorbereitet und in einer guten Qualität realisiert werden, egal, ob ich dann noch im Amt bin oder nicht. Die Faktoren Zeit und Gründlichkeit sind deshalb höher zu gewichten als die persönlichen Vorlieben des Stadtpräsidenten.
Gibt es etwas, das Sie bedauern, weil sie das nicht mehr als Stadtpräsident an vorderster Front begleiten und miterleben können?
Da gäbe es in der Tat einiges, wie etwa das bereits erwähnte Projekt Sanierung Stadttheater, aber auch der Umbau des Bahnhof-Areals. Aber wie gesagt, alles geht einmal zu Ende und deshalb habe ich kein Problem damit, wenn nun gewisse Geschäfte ohne mein persönliches Mitwirken weiter geführt werden.
Wenn Sie auf Ihre Zeit als Stadtpräsident und zuvor als Gemeinderat zurückblicken, was verschafft Ihnen dabei besondere Genugtuung?
In erster Linie die vielen Begegnungen mit interessanten Persönlichkeiten. Als Stadtpräsident muss man die Leute gern haben und gerne mit ihnen in Kontakt treten wollen, das ist für beide Seiten eine Bereicherung. Es erfüllt mich mit Stolz, wenn beispielsweise durch ein Projekt wie der 3M-Neubau am Bahnhof wertvolle persönliche Kontakte, ja fast Freundschaften entstehen, die über das Tagesgeschäft hinausreichen. Auf der rein sachpolitischen Ebene bin ich froh, dass es uns gelungen ist, in Langenthal eine positive Richtung einzuschlagen. Als ich vor fast 20 Jahren als Gemeinderat begann, war Langenthal hoch verschuldet und stand mit dem Rücken zur Wand. Beim Start als Stadtpräsident präsentierte sich dann aufgrund des Verkaufs der onyx-Aktien eine neue, ganz andere finanzielle Ausgangslage. Es war uns möglich, Langenthal zu entwickeln und dabei wichtige Projekte umzusetzen. Wir konnten die Steuern senken und viele Investitionen tätigen. Dadurch hat sich die Stadt sehr positiv entwickelt und an Attraktivität gewonnen. Prägend waren für mich auch Ereignisse, in denen Langenthal kantonal oder sogar national im Fokus stand, dabei denke ich beispielsweise an den NLB-Meistertitel des SC Langenthal 2012 oder den ersten Rang im HIV-Rating im gleichen Jahr.
Gibt es auch Dinge, die Ihnen während Ihrer Amtszeit Mühe bereitet haben?
Während einer Amtszeit gibt es natürlich immer Vorkommnisse, die unter die Haut gehen, dabei denke ich vor allem an drei spezielle Ereignisse. Der geplante Minarett-Bau in unserer Stadt hat weltweit für Aufsehen gesorgt. Ich empfing damals in meinem Büro unzählige TV-Anstalten aus der ganzen Welt. Der brutale Escort-Mord bei der Turnhalle Hard hat mich emotional sehr stark beschäftigt. Einen ganz emotionalen Moment erlebte ich auch in der Eishalle Schoren, als ich vor drei Jahren nach dem schrecklichen Eishockey-Unfall des Oltner Spielers Ronny Keller vor dem nächsten Playoffspiel zwischen Langenthal und Olten einige Worte an die Zuschauer richten durfte. Die Stimmung damals im Stadion war sehr speziell und ich erhielt auf meine Ansprache hin sehr viele positive Rückmeldungen, die mich berührt haben.
Hat sich das Politisieren während Ihrer Amtszeit verändert?
Weil die tägliche Arbeit auf Stufe Gemeinde in erster Linie auf Sachpolitik beruht und Präzision, Verlässlichkeit und Gründlichkeit im Vordergrund stehen, bleiben politische Aktivitäten und Prozesse weitgehend im Hintergrund. Aber national oder gar international stelle ich fest, dass Politik offenbar einen gewissen Unterhaltungswert haben muss, um das Interesse in der Gesellschaft noch zu wecken. Normalität interessiert scheinbar niemanden mehr. Ich habe als Stadtpräsident nie versucht, den Eindruck zu erwecken, in Langenthal würden die Bäume in den Himmel wachsen. Glauben sie mir, wer mit Ideen um sich schlägt und übersteigerte Visionen verbreitet, ist deswegen noch lange kein innovativer Politiker. Genau das bemängle ich an gewissen Politikern, die der Aufmerksamkeit willen Themen lancieren, die meiner Meinung nach in der Politik fehl am Platze sind.
Langenthal befindet sich im Wandel. Trotz eines grossen Eigenkapitals gibt es viele ‹Baustellen›, die Langenthal finanziell zu überfordern drohen – Markthallenareal, neue Eishalle, Neubau Bahnhof, Alte Mühle usw. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung und auf was gilt es besonders zu achten?
Über Geld wird immer gesprochen, ob man es nun hat oder nicht. Sämtliche Projekte sind stets eine Frage der politischen Auseinandersetzung, die geführt werden muss. Bezogen auf Langenthal bedeutet dies, dass wir für die Finanzierung des ESP Bahnhof via Agglomerationsprogramm Bund und Kanton mit ins Boot geholt haben, dass beim Markthallen-Areal die Lösung vermutlich auch keine rein städtische Angelegenheit sein muss und sich durch Einbezug von privaten Investoren sogar neue Möglichkeiten für die Stadt eröffnen könnten. Bei der alten Mühle wartet zweifellos eine
grosse Herausforderung auf die Stadt, aber auch hier könnten eventuell externe Player zur Lösung beitragen, wie auch beim Bau einer neuen Eishalle. Was ich damit sagen möchte, ist, dass ich trotz einem engen finanziellen Korsett Möglichkeiten für die Stadt sehe, auch grössere Projekte zeitnah zu realisieren.
Während Ihrer Amtszeit blieb es äusserst ruhig, kritische Stimmen zum politischen Leben in Langenthal gab es in den letzten Jahren kaum. Ihr Verdienst?
Die politische Stabilität in Langenthal ist meiner Meinung nach ein ganz
grosser Pluspunkt für die Stadt und deren Bevölkerung. In einer Demokratie gibt es immer Unterlegene und damit einige Unzufriedene. Die Frage ist bloss, wie man damit umgeht. Wir haben es während meiner politischen Tätigkeit immer geschafft, mit guten, nachvollziehbaren Argumentationen Entscheide herbeizuführen.
Bemängelt wird aber etwa, dass es der Langenthaler Politik an vorderster Front an Visionen, kühnen Gedanken und einer enthusiastischen Vorgehensweise fehle.
Diesen Vorwurf nehme ich entgegen. Ein verantwortungsbewusster Politiker sollte stets darauf achten, was er genau veranstaltet. Gewählt werden und gewählt sein, sind zwei verschiedene Dinge. Als Stadtpräsident hat man eine begrenzte Zeitspanne vor sich, während der es gilt, sich an den gemachten Aussagen zu orientieren. Ich meinerseits darf feststellen, dass wir während meiner Amtszeit bedeutende Ziele erreicht haben und sich Langenthal positiv verändert hat. Vielleicht war medial betrachtet kein gros-ser Wurf dabei. Ich frage mich aber auch, was man darunter versteht oder was man denn genau erwartet hat. Ich war nie ein populistischer Politiker, der sich über alle Massen exponiert. Für mich war stets wichtig, dass wir am Ende gute Lösungen präsentieren konnten. In diesem Bereich waren wir sehr erfolgreich, haben wir doch den grössten Teil der gesteckten Legislaturziele jeweils erreicht.
Gibt es etwas, das sie im Nachhinein anders machen oder gerne rückgängig machen würden?
Das gibt es in der Tat immer. Wenn man bei einigen Geschäften noch einmal, aber dieses Mal am Schluss beginnen könnte, würde man sicher einiges anders machen. Wichtig ist, dass Geschäfte und Projekte letztendlich nicht aufgrund von Zufallsentscheiden zustande kommen.
Sie sind zwar ab Januar nicht mehr Stadtpräsident von Langenthal, aber noch Grossrat. Welche Ziele verfolgen Sie hier noch?
In diesem Bereich bin ich absolut offen. Bislang war ich in erster Linie als Gemeindevertreter in meiner Funktion als ehemaliger Präsident des Verbandes Berner Gemeinden, und als Vertreter der Stadt Langenthal und der Region Oberaargau im Grossen Rat aktiv. Diese Rolle wird sich ab Neujahr etwas ändern, wobei ich bereits jetzt als Mitglied der Finanzkommission das Thema Finanzen weiter im Auge haben werde. Im Grossen Rat kennt man mich als Thomas Rufener und ich werde nicht komplett anders politisieren, aber vielleicht da und dort Themen anders gewichten.
Für Sie beginnt bald ein neuer Lebensabschnitt. Haben Sie sich schon Gedanken darüber gemacht, wie sie die vermehrte Zeit, die Ihnen nun zur Verfügung steht, nutzen wollen?
Das ist die klassische Frage, die immer gestellt wird, wenn eine Person von einem Amt zurücktritt. Es ist klar, gewisse persönliche Präferenzen rückten in den letzten zehn Jahren öfters in den Hintergrund. Dazu war auch die Unterstützung der Familie nötig. Deshalb möchte ich nun meiner Frau und meiner Familie etwas zurückzugeben versuchen. Aber ich habe auf alle Fälle nicht den Eindruck, jetzt in ein Loch zu fallen oder nicht zu wissen, was ich nun tun soll, denn ich habe noch einige Aufgaben, die mich weiter interessieren und fordern werden.
Auf was freuen sie sich nach Ihrem Rücktritt ganz besonders?
Darauf, das der Zeitdruck nachlässt und ich in Zukunft weniger fremdbestimmt bin.
Neu werden Sie auch als Verwaltungsrat beim SC Langenthal tätig sein. Welche Ambitionen haben Sie mit dem NLB-Klub?
Das ist für mich ein emotionales Thema. Ich habe mich schon immer für Sport interessiert. Sport hat in meinem Leben stets eine grosse Rolle gespielt. Wenn man die Idee und den Geist, der hinter dem SC Langenthal steckt, aufrecht erhalten und sogar weiter entwickeln will, braucht es Leute, die bereit sind, sich dafür zu engagieren. Ich habe mir dieses Engagement sehr gut überlegt, empfinde es aber auch als Ehre, dass man gerade mich, der als Stadtpräsident nicht immer allen Wünschen des SCL entsprechen konnte, für dieses Amt angefragt hat.
Gibt es einen Wunsch, den Sie sich gerne noch erfüllen möchten?
Als Mensch sollte man seine Zeit, die man hier zur Verfügung hat, nicht überschätzen. Bereits Morgen kann alles vorbei sein. Deshalb freue ich mich einfach darüber, dass ich mich gesund und fit fühle und aktuell in der Lage bin, Dinge zu tun, für die es zuvor keinen Platz hatte. Ich erhalte nun eine neue Chance, bei anderen Themen mitzugestalten, darauf freue ich mich.
Was wünschen Sie sich für die Stadt Langenthal?
Ich werde mich künftig aus dem politischen Geschehen in Langenthal raushalten. Ich wünsche mir jedoch, dass Langenthal sich als eine lebenswerte und attraktive Stadt weiterentwickeln wird, die interessante Arbeitsplätze sowie ein vielfältiges kulturelles und sportliches Angebot bietet.