Die Stadt Langenthal kämpft gegen Verkehrsprobleme
Wer sich im Stadtzentrum von Langenthal aufhält, stellt rasch fest, dass sich täglich eine riesige Fahrzeug-Lawine durch das Stadtzentrum bewegt. Beim traditionellen Wirtschaftslunch präsentierten die Verantwortlichen der Stadt, wie sie das Zentrum vom Durchgangsverkehr entlasten, den Verkehrsfluss optimieren und die Sicherheit für Fussgänger und Velofahrer erhöhen wollen. Doch die Vorschläge gefallen nicht allen, vor allem die Detaillisten im Stadtzentrum befürchten, dass dadurch auch die Kundschaft aus dem Stadtzentrum verbannt wird.
Langenthal · Die Zeit drängt: Bis ins Jahr 2027 muss die Stadt Langenthal im Rahmen des Agglomerationsprogrammes der dritten Generation eine Verkehrslösung für das Stadtzentrum realisiert haben, ansonsten gehen Kantons- und Bundesgelder für die entsprechenden Bauprojekte verloren. Auf dem Weg dahin gibt es jedoch noch einige Hürden und Probleme zu überwinden, denn die Meinungen, wie eine künftige Verkehrslösung für Langenthal aussehen könnte, gehen auseinander, noch fehlt ein tragfähiger Kompromiss. Doch der Reihe nach: Beim Wirtschaftslunch der Stadt Langenthal, der über 200 Vertreter aus der städtischen und regionalen Wirtschaft und Politik anlockte, stand das künftige Verkehrskonzept für die Stadt im Mittelpunkt. Stadtbaumeisterin Sabine Gresch wies zu Beginn auf die prekäre Verkehrssituation im Stadtzentrum hin und erwähnte, dass sich täglich rund 10 000 Fahrzeuge mitten durch Langenthal bewegen. Damit sei die Belastungsgrenze erreicht oder sogar überschritten, betonte sie. Deshalb dränge sich eine neue Verkehrslösung auf, die den Verkehrsfluss optimieren soll, zugleich aber auch das Stadtzentrum vom Durchgangsverkehr entlasten, die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer erhöhen und nicht zuletzt das Stadtzentrum attraktiver machen soll.
Stadtzentrum ohne Durchgangsverkehr
Erreicht werden sollen die Ziele mittels dem Agglomerationsprogramm der dritten Generation sowie einem neuen Buslinienkonzept. Sabine Gresch wies darauf hin, dass sich die Zentren in vielen Städten stark verändern würden, nicht zuletzt, weil sich auch das Verhalten der Bewohner ändere. «Die Leute wollen beim Konsumieren etwas erleben, sie wollen sich in den Innenstädten frei bewegen und genussvoll einkaufen oder in Gastro-Lokalen verweilen. Deshalb müssen wir unser Stadtzentrum vom Verkehr entlasten, unsere Innenstadt umgestalten und für den Langsamverkehr aufwerten», sagte sie.
Pierre Masson, Leiter Fachbereich Tiefbau und Umwelt bei der Stadt, stellte anschliessend vor, welche Massnahmen diesbezüglich erforderlich sind. Er erwähnte, dass die gesamte Verkehrslösung in 14 Teilprojekte unterteilt worden sei, die sich über das gesamte Stadtgebiet erstrecken. Hauptziel sei es, den Durchgangsverkehr über die grossen, querenden, verkehrsführenden Achsen abzuwickeln. Damit dies gelinge, müsse man das Stadtzentrum für den Durchgangsverkehr «unattraktiv» machen, betonte er.
Frei fordert mutiges Handeln
Erreicht werden soll dies einerseits mit einer Temporeduktion. Doch Masson machte klar, dass diese Massnahme alleine nicht ausreichen wird, «denn die Erfahrung zeigt, dass sich ein Fahrzeuglenker dadurch nicht davon abbringen lässt, mitten durch das Stadtzentrum zu fahren», bemerkte er. Deshalb brauche es vermutlich eine weitere Massnahme mit einer Durchfahrtsbeschränkung. Will heissen: Ins Stadtzentrum fahren darf nur noch, wer hier auch wirklich etwas zu erledigen hat (einkaufen, Waren liefern oder auf einem der öffentlichen Parkplätze parken will). Wie diese Durchfahrtsbeschränkung genau ausgestaltet und in der Praxis angewendet werden soll, ist noch offen, denn dazu besteht noch kein genaues Konzept.
Bereits jetzt ist hingegen klar, dass die geplante Verkehrslösung auf heftigen Widerstand stösst, vorab bei den Detaillisten im Stadtzentrum, wie Peter Frei, Präsident der Stadtvereinigung Langenthal in der anschliessenden Podiumsdiskussion zu verstehen gab. «Wenn der Verkehr weitgehend aus dem Stadtzentrum entfernt wird, dann werden auf die Detaillisten erhebliche Probleme zukommen», ist er überzeugt. Frei gab zu verstehen, dass man sich ernsthaft fragen müsse, welche Rolle das Zentrum für die Stadt künftig spielen soll. «Wenn man ein attraktives, lebendiges Stadtzentrum will, dann muss die Stadt ihre Zurückhaltung bei den Bewilligungen im öffentlichen Raum und bei geplanten Anlässen im Stadtzentrum ablegen. Bei der Belebung der Innenstadt müssen wir mutiger handeln», forderte Frei.
Stadtpräsident Reto Müller versicherte ihm, dass es sowohl der Verwaltung wie auch den politischen Akteuren ein grosses Anliegen sei, auch in Zukunft über ein belebtes Stadtzentrum zu verfügen. Entscheidend sei, dass man in Langenthal über ein sinnvolles Verkehrsleitsystem verfüge. Denn die aktuell zur Verfügung stehenden, öffentlichen Parkplätze seien von der neuen Verkehrslösung nicht tangiert und würden deshalb auch nicht aufgehoben. «Man kann auch in Zukunft in die Stadt fahren, hier parkieren und seine Einkäufe tätigen», hielt Müller fest.
Giesser sieht Chancen für Langenthal
Doch Peter Frei blieb skeptisch und entgegnete, dass viele Konsumenten heute nicht mehr bereit seien, zehn Minuten Fussweg in Kauf zu nehmen, um ihre Einkäufe zu erledigen. «Auch ist es ein Trugschluss, zu glauben, dass jemand freiwillig auf das Fahrrad umsteigt, viel lieber fährt derjenige ein paar Kilometer weiter in den nächsten Ort, wo er dann direkt vor dem Laden parkieren und hier einkaufen kann», erwähnte Frei, der dafür plädierte, lediglich den Schwerverkehr aus dem Stadtzentrum zu verbannen.
Mehr Chancen räumte dagegen Christian Giesser, Präsident des Gewerbevereins Langenthal, dem Projekt ein, der von einem spannenden Ansatz und einer coolen Grundidee sprach. Er gab zu bedenken, dass man sich fragen müsse, wie viel Verkehr das Stadtzentrum ertrage und man auch zu akzeptieren bereit sei. So betrachtet biete die neue Verkehrslösung vielleicht auch eine Chance für die Zukunft Langenthals, analysierte er. Obwohl man sich in Langenthal über die künftige Verkehrslösung für das Stadtzentrum noch nicht einig ist, bleibt nicht mehr viel Zeit für weiterführende Diskussionen, denn nun sind Taten gefragt, ansonsten könnte es sein, dass letztendlich gar nichts realisiert wird, weil man die zeitlichen Vorgaben für das Agglomerationsprogramm der dritten Generation nicht erfüllen kann und damit auch keine Kantons- und Bundesgelder für die Realisierung von Verkehrslösungs-Projekten erhält …
Von Walter Ryser