Die Stärken noch besser fördern
Das Wakkerpreis-Jahr neigt sich für Langenthal dem Ende zu. Mit dem Werkstattgespräch «Langenthal – wohin gehst du?» wurde ein Abschluss für die Anlassreihe gefunden. Bei einem Podiumsgespräch wurde nach zwei Referaten mit planerischem Fokus über die möglichen Zukunftsaussichten der Stadt Langenthal debattiert.
Langenthal und der Oberaargau sind oft schwer einer klaren Identität zuzuweisen. «Viele schätzen uns als Aargauer ein, viele können unseren Dialekt, der Einflüsse aus den Nachbarkantonen hat, nicht genau zuweisen», begründet dies Langenthals Stadtpräsident Reto Müller beim Einstieg in das letzte Werkstattgespräch im Zuge der Wakkerpreisverleihung. Und dazu gehöre auch, dass Langenthal in den Agglomerationsprogrammen des Bundes zumeist als Einzelstadt angesehen werde, fast ein bisschen eigenständig und allein. «Weil die Einwohnerzahl Langenthals alleine zu gering ist, um diesen Status zu erhalten, plädierten wir für das nächste Programm für den Einbezug von Aarwangen, Bützberg, Thunstetten, Roggwil, Obersteckholz, St. Urban, Lotzwil und Bleienbach und nannten das Gebiet in der Folge Gartenagglomeration», erklärt Müller.
Mit diesem Zusammenschluss will man sich auch künftig Bundesbeiträge sichern, und ausserdem will man damit dem Gebiet eine Identität verleihen. Die Landschaft gebe diesem Gebiet sein Gesicht, welches im neuen, gemeinsamen Zukunftsbild herausgearbeitet wurde. Dieses wurde im letzten Werkstattgespräch unter dem Titel «Langenthal – wohin gehst du?» von Roman Hanimann, Projektleiter des neuen Zukunftsbildes, vorgestellt.
Ressourcen besser vermarkten
Im neuen Zukunftsbild wollten die Erfasser die Qualitäten des Oberaargaus besser hervorheben. Folglich stehen Eigenschaften, die den überregionalen Charakter dieses Gebietes bilden, im Zentrum. «Die Gewässer und Matten und die Hügellandschaft sind wertvoll und beeindruckend», erklärte Hanimann. Ausserdem fungiere Langenthal als regionales Zentrum, was die umliegenden Gemeinden im Zuge der Ausarbeitung bestätigten, und zudem sei der regionale Kern durch seine Grünflächen durchaus als Gartenstadt wahrzunehmen. Die angrenzenden Dörfer seien an ihrer Verbindung mit Langenthal – zumeist Strassen – gewachsen, was dem Oberaargau mehrere Dorfzentren verleiht. Rundherum sei derweil der grüne Ring mit zahlreichen Naherholungsgebieten entscheidend für das Ortsbild, genauso wie ein passabel ausgebautes ÖV-Netz und Strassenverbindungen. «Diese Region hat viel zu bieten. Es geht darum, die eigenen Ressourcen besser zu vermarkten und besser zu nutzen», kommentierte Hanimann, zurecht wolle man sich nun von der Gartenstadt zur Gartenagglomeration weiterentwickeln. Oder anders gesagt: Die guten Karten sind vorhanden, damit muss man nur noch spielen.
ÖV ist entscheidender Zugfaktor
In der Folge setzte Dr. Alain Thierstein in seinem Vortrag die regionalen Begebenheiten in einen nationalen Kontext, bei dem er Zusammenhänge mit grösseren Agglomerationen fand. «Was müssen wir tun, um Menschen anzulocken?», fragte sich der Professor der Universität in München vor dem Publikum, ehe er selbst entscheidende Faktoren nannte. Städte müssten mehrpolig sein, sprich für mehrere Bedürfnisse Hand bieten. Sei es für Autofahrer oder ÖV-Nutzer, für Familien oder Singles oder auch für Pendler und Velofahrer. «Klar ist, dass Basel mit dem Anschluss an das TGV-Netz einen grossen Sprung machte und wuchs», sagt Thierstein, ehe er Langenthal riet, gerade um den Bahnhof herum das Potenzial von neuen Wohnungen zu nutzen. «Wie sprechen wir auch junge Menschen an? Sollten wir ein 24-stündiges Angebot am Langenthaler Bahnhof einrichten?», stellte Thierstein eine Frage mit Entwicklerpotenzial in den Raum. Klar ist, dass für Langenthal Verkehr und Vernetzung wichtig sei und dass die Agglomerationszusammenarbeit eine Chance darstellt.
Thierstein riet derweil zu Mut, gerade auch für neue Angebote und outete sich daraufhin als Kenner der Gamer-Szene. «Ich weiss, dass Langenthal ein starkes Vereinsleben hat. Wieso sollte man diese Vereine nicht zusammenarbeiten lassen, um eine eSports-Abteilung gründen zu lassen? Vielleicht für das Spiel ‹League of Legends› – da ist ein riesiges Potenzial vorhanden. So könnte man vielleicht auch Digital Natives in der Region halten oder zurückgewinnen.» Sowieso seien Sport allgemein und entsprechende Vereine gute Gründe, damit junge Erwachsene der Region erhalten bleiben.
Zwischen Mut und Rücksicht
Nach diesen beiden Vorträgen ging der Anlass in eine Podiumsdiskussion über, die von Markus Zahnd (Stadtbauamt Langenthal) geleitet wurde. Charlotte Ruf, als Präsidentin der Region Oberaargau, und Reto Müller, als Stadtpräsident, nahmen dabei neben den beiden Planungsexperten Platz. Einig waren sich die Teilnehmer, dass Langenthal und seine Umgebung viel Potenzial hat, um weiterentwickelt zu werden.
Alain Thierstein meinte beispielsweise, dass Langenthal Qualität und gute Dienstleistungen mitbringe, Traditionalität und internationales Design besitze. Zugleich sprach er aber auch davon, dass dies alleine mit einer gewissen Trägheit aber nicht genüge, um Fortschritt zu sichern. «Ich habe mir auch schon überlegt, ob wir radikaler vorgehen sollten», antwortete derweil Langenthals Stadtpräsident, «der Geist des Ortes soll aber erhalten bleiben. Manchmal müssen Bedürfnisse zuerst ausdiskutiert werden.»
Die Qualität der Region soll deshalb viel mehr gepflegt werden und erhalten bleiben, statt (zu) vieles auf den Kopf zu stellen. «Dazu wurde auch unser Freizeitkonzept verabschiedet, welche die Perlen unserer Region besser ins Zentrum rücken soll», kommentierte zudem Charlotte Ruf. In eine ähnliche Richtung drückte dann auch Zuhörer Ulrich Flückiger während der Diskussionsrunde, als er die Werbung über die Region in Frage stellte. «Wissen die Menschen in Zürich überhaupt, dass wir hier gute, günstige Wohnungen anzubieten haben?», fragte er sich, weil dort um Wohnungen richtiggehend gekämpft wird, während hier der Leerwohnungsbestand ständig thematisiert wird.
Hochwertige Bauten für Fortschritt
Ebenfalls ein entscheidendes Anliegen aus dem Publikum war die Verbesserung und Förderung der Veloverträglichkeit auf den Strassen, weil gleich mehrere Abschnitte grosse Gefahren bergen. Strassen ausbauen sei aber grösstenteils aus Platzproblemen nicht möglich, weshalb andere Lösungen gesucht sind. «Mit Tempo 30 sorgen wir für eine Ko-Existenz. Wenn alle Verkehrsteilnehmer in einem ähnlichen Tempo fahren, müssen Strassen gar nicht erst verbreitert werden», beantwortete Roman Hanimann aus planerischer Sicht.
Seitenstrassen als Velowege besser nützen war derweil ein Vorschlag aus dem Publikum. Markus Zahnd forderte von den Teilnehmern ein Schlusswort ein, ehe Reto Müller als Gastgeber das Wakkerpreisjahr quasi abschloss. «Auch nach dem Wakkerjahr geht es weiter», versicherte der Stadtpräsident, Ziel sei es, weiterhin hochwertige Bauten zu planen und von Investoren einzufordern, um den Fortschritt im gleichen Stil und in der gleichen Qualität weiter voranzutreiben. Einmal mehr scheint aber klar, dass Langenthal und seine Umgebung viel zu bieten hat. Man will die Stärken lediglich besser fördern.
Von Leroy Ryser