• Die telefonischen Beratungen haben bei der Tierarztpraxis Schulthess in Huttwil wegen der Corona-Pandemie spürbar zugenommen.

17.04.2020
Huttwil

Die Tiermedizin ist ziemlich krisenrobust

Die ausserordentliche Lage in der Schweiz aufgrund des sich stark ausbreitenden Coronavirus hat auch Einfluss auf die tierärztliche Versorgung von Heim- und Nutztieren. Die Leistungen der Tierarztpraxen beschränken sich zurzeit auf die zwingend notwendige Grundversorgung und die Behandlung von Akutfällen. Die Praxis für Klein- und Grosstiere der Schulthess Tierärzte in Huttwil ist nicht nur wegen der möglichen Ansteckung mit dem Coronavirus besorgt, sondern muss sich auch mit deutlichen Umsatzeinbussen auseinandersetzen.

Huttwil · Nach anfänglichen Unsicherheiten, welche Behandlungen noch durchgeführt werden dürfen und welche Vorkehrungen getroffen werden müssen, um die Kunden und sich selbst vor dem Coronavirus bestmöglich schützen zu können, sind die notwendigen Massnahmen unterdessen Routine und prägen zurzeit den Alltag der Praxis für Klein- und Grosstiere der Schulthess Tierärzte in Huttwil.
Das Einhalten der Sicherheitsvorschriften ist jedoch nicht in jeder Situation möglich. Muss beispielsweise einem Tier Blut abgenommen werden, geht das nicht, ohne dass dieses durch eine Praxisassistentin festgehalten wird. «Der nötige Sicherheitsabstand von zwei Metern kann dabei unmöglich eingehalten werden», sagt Yvonne Schulthess. Zusammen mit ihrem Mann Stefan Schulthess führt sie seit 21 Jahren die Tierarztpraxis an der Bernstrasse.
Abgesehen von wenigen Ausnahmen setzt die Schulthess Tierarztpraxis aber die vorgegebenen Hygiene- und Sicherheitsregeln konsequent um. Die Kunden übergeben ihre Tiere an der Praxistüre und warten während der Behandlung im Auto.
Ausnahmen müssen beispielsweise bei der Behandlung von «schwierigen» Patienten gemacht werden, bei denen der Besitzer das Tier halten muss, oder auch wenn ein Tier eingeschläfert werden soll. «Die Tiere gelten meist als Familienmitglieder, deshalb möchten wir den Kunden die Möglichkeit geben, sich bei diesem letzten, schweren Gang von ihnen zu verabschieden», sagt Yvonne Schulthess.

Kostenpflichtige Ferndiagnosen
Schwierig oder fast unmöglich sei es, den nötigen Sicherheitsabstand bei der Behandlung der Nutz- und Grosstiere einzuhalten, erklärt dagegen Stefan von Schulthess. «Während ich beispielsweise bei einem Kalb am Hals eine Injektion machen muss, steht der Landwirt beim Kopf, um es zu fixieren und zu beruhigen.» Stefan von Schulthess trägt deshalb bei seiner Arbeit immer eine Schutzmaske.
Wo immer es möglich ist, werden die Sicherheitsvorschriften allerdings eingehalten. Medikamente und Futter müssen telefonisch vorbestellt werden. Während der Abholung darf sich immer nur ein Kunde in der Praxis aufhalten. «Nach jedem Besuch werden die Theke und die Türklinken sofort desinfiziert», führt Yvonne Schult-hess an.
Trotz der vorgenommenen notwendigen Massnahmen sind die Halter der Tiere sehr verständnisvoll. «Wir sind positiv überrascht, wie gut unsere Kundinnen und Kunden auf die Einschränkungen reagierten und von Anfang an mitmachten», freut sich die 55-jährige Tierärztin.
Damit den Tieren trotz der eingeschränkten Sprechstunden bestmöglich geholfen werden kann, bietet die Schulthess Tierarztpraxis eine kostenpflichtige Beratung per Telefon oder E-Mail an. So könne mithilfe von Videos und Fotos in vielen Fällen beurteilt werden, ob eine Beratung ausreicht oder aber die Tiere zu einer genaueren Untersuchung in die Praxis gebracht werden müssen, erklärt Yvonne von Schulthess.

Desinfektionsmittel ist Mangelware
Ein Engpass bei den Lieferungen von Arzneimitteln wie beispielsweise Narkosemittel und Produkte zur Einhaltung der Hygiene-Massnahmen stellen unterdessen für den Praxisalltag ein Problem dar. So sind die von Tierarztpraxen verwendeten speziellen Desinfektionsmittel, welche auch gegen verschiedene Tier-Viren schützen, unterdessen Mangelware.
«Wir waschen deswegen vermehrt unsere Hände und brauchen die noch vorhandenen Desinfektionsmittel für den Behandlungstisch und diejenigen Räume, in welchen sich Kunden aufhalten», erklärt Yvonne Schulthess.
Trotz aller Vorsichtsmassnahmen ist jedoch in einer Tierarztpraxis eine Ansteckung mit dem Coronavirus nicht ganz auszuschliessen, gibt Yvonne Schulthess zu bedenken. «Wenn ein Tierbesitzer mit dem Virus infiziert ist, kann er durch Berühren des Tieres das Virus auf das Fell übertragen. Wenn nun dieses Tier zu uns in die Praxis kommt, besteht die Gefahr, dass wir uns durch das Tier mit dem Virus anstecken.» Eine Übertragung des Covid-19-Virus durch Tröpfchen von Tier zum Menschen ist nach aktueller Beurteilung der Universität Zürich aber kaum gegeben. Beim Umgang mit Haustieren sollten jedoch generell, und nicht nur während der Corona-Krise, die Hygienemassnahmen immer eingehalten werden.

Auch Impfen kann notwendig sein
Obwohl Impfungen allgemein nicht zu den notwendigen Leistungen gezählt werden, können sie trotz der vorherrschenden Einschränkungen nicht in jedem Fall für längere Zeit hinausgezögert werden. Wie etwa die Grundimmunisierung von Jungtieren, welche in einem vorgegebenen zeitlichen Abstand zu erfolgen hat oder die jährliche Leptospirose-Impfung bei Hunden. «Wenn die Einschränkungen noch länger anhalten sollten, müssten die Leptospirose-Impfungen trotzdem vorgenommen werden, damit die Hunde während der Sommerzeit genügend geschützt sind», sagt Yvonne Schulthess. Leptospirose ist eine lebensbedrohliche bakterielle Infektionskrankheit und in der Schweiz weit verbreitet. Die dafür verantwortlichen Bakterien vermehren sich während der wärmeren Jahreszeit in stehenden Gewässern, Tümpeln oder Pfützen, aus denen die Hunde trinken und sich dadurch infizieren können. Keinen Aufschub dagegen dulden zum Beispiel Abszesse bei Katzen, welche besonders im Frühling häufig auftreten, Geburten, Erbrechen, Durchfall oder Fieber.

Tagesgeschäft abhängig von Aktutfällen
Während der Terminkalender der Tierarztpraxis Schulthess vor der Corona-Krise jeweils über mehrere Wochen hinaus gut besetzt war, ist heute das Tagesgeschäft abhängig von den im Laufe des Tages eintreffenden Akut- und Notfällen. Grundsätzlich gelte die Tiermedizin aber insgesamt als relativ krisenrobust, bemerkt die 55-jährige Tierärztin. Bei der Kleintierpraxis machen die Akutfälle, welche keinen Behandlungsaufschub erlauben, noch immerhin rund 60 Prozent aus.
Bei den Gross- und Nutztieren sind es sogar 80 Prozent. «Bei den Grosstieren können wir eigentlich nur die jährlichen Zahnbehandlungen bei Pferden hinausschieben, sofern die Tiere keine Probleme mit der Futteraufnahme haben», sagt Stefan Schulthess.

Deutlicher Umsatzrückgang
Nach nun drei Wochen reduzierter Tätigkeit stellen Yvonne und Stefan Schulthess doch einen deutlichen Umsatzrückgang fest. Wie lange sie noch so weitermachen können, ist unklar. Da die Angestellten momentan vermehrt Ferien beziehen oder Überzeit kompensieren, musste keine Kurzarbeit angemeldet werden. Yvonne und Stefan Schulthess hoffen, dass dies auch so bleibt und die Krise ein baldiges Ende findet. «Zurzeit sind alle unsere Mitarbeiterinnen gesund und auch unsere Kunden scheinen bisher vom Coronavirus verschont geblieben zu sein», bemerkt Yvonne Schulthess. Damit dies auch möglichst so bleibt, hält sich die Tierarztpraxis weiterhin strikt an die Empfehlungen und Massnahmen des Bundes.

Von Marion Heiniger