«Die verkaufte Braut» mit brillantem Start
Stehende Ovationen an der eindrücklichen Premiere der Gartenoper Langenthal mit Bedřich Smetanas «Die verkaufte Braut» in der Ofenhalle der
Porzi. Regisseur Simon Burkhalter hat den Ort
der Handlung von einem böhmischen Dorf im
19. ins denkmalgeschützte Industriegebäude in Langenthal Mitte 20. Jahrhundert verlegt. Der
reizvolle Schauplatzwechsel ist vollauf gelungen.
Die Gartenoper Langenthal, die es seit 2012 gibt, ist eine Erfolgsgeschichte, die zurzeit – noch bis zum 6. Juli – mit total zehn Vorstellungen der 1866 in Prag uraufgeführten Oper «Die verkaufte Braut» fortgesetzt wird. Diese Aufführungen finden 2024 erstmals in der Ofenhalle der Porzi statt, wo früher das beliebte und bekannte Langenthaler Porzellan gebrannt wurde. Die fünf Opern zuvor gingen jeweils im idyllischen Rosengarten bei der Alten Mühle in Szene: Mit der Produktion 2024 in der Ofenhalle der Porzi muss der organisierende Verein Gartenoper Langenthal nicht mehr wie bei den bisherigen Freilicht-Opern bei ungedeckter Tribüne Wetterkapriolen befürchten. «Die verkaufte Braut» ist die einzige bekannte von neun Opern, die Smetana – er war wie Beethoven zuletzt taub – komponiert hat. Bedeutend ist ansonsten Smetanas Musikstück «Die Moldau» aus dem sinfonischen Zyklus «Mein Vaterland».
Alle 380 Tribünenplätze besetzt
Premierenabend: Alle 380 Plätze auf der Tribüne in der Ofenhalle sind besetzt. Der Lichtkegel des Scheinwerfers ist auf Peter Siegrist gerichtet, den Präsidenten des Vereins Gartenoper Langenthal, der im Namen des Vorstandes das erwartungsfrohe Publikum begrüsst. «Nach zwei Jahren Pause sind wir froh, dass es endlich losgeht», so Peter Siegrist. Ein besonderes Kränzchen windet der Gartenoper-Präsident dem musikalischen Leiter Bruno Leuschner, dem es gelungen sei, die Solistinnen und Solisten, das 34-köpfige professionelle Orchester Camerata 49 unter der Leitung von Geiger Andreas Kunz sowie den von Ewald Lucas geleiteten Chor aus 38 talentierten Laiensängerinnen und Laiensängern zu einer Einheit zusammenzubringen. Der neue Austragungsort – Indoor statt Freilicht – sorge auch dafür, dass die Stechmückenplage gebannt sei, witzelt Peter Siegrist. Er schliesst in seinen Dank alle ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer ein sowie Beat Wälchli, seinen Vorgänger, der sich für «Die verkaufte Braut» als «Leiter künstlerisches Team» engagiert. «Lasst euch zurückversetzen in frühere Zeiten», so der neue Gartenoper-Präsident.
Böhmen und Langenthal, das passt
Aus dem Orchestergraben ertönt – subtil und exakt gespielt – die spieltechnisch sehr anspruchsvolle Ouvertüre, die rasant in die Spielhandlung einführt. Schauplatz ist jetzt nicht der Böhmerwald in den 1850er-Jahren, sondern die industrielle Welt des Langenthaler Porzellans rund 100 Jahre später. Die Parallele: Der Langenthaler Nationalrat Arnold Spychiger, der bei der Porzi-Gründung im Jahr 1906 die treibende Kraft war, hatte auf Reisen nach Böhmen neue Technologien der Geschirrproduktion studiert und böhmische Handwerker motiviert, ihr Wissen dem Aufbau der Porzellanfabrik Langenthal zur Verfügung zu stellen. Ihnen wurden Wohnungen in einem Quartier nahe des Produktionsbetriebes zur Verfügung gestellt. Die Langenthaler nannten diese Siedlung «Böhmerwald» oder «Böhmeri». Regisseur Simon Burkhalter (1994) interpretiert «Die verkaufte Braut» nahe am Original. Marie (Kathrin Hottiger) und Hans (Raimund Wiederkehr) sind die Hauptpersonen, das Liebespaar. Ihr Weg Richtung Heirat verläuft aber keineswegs gradlinig. Holzkisten bilden die Kulisse in der Ofenhalle, wo Porzellanmanufaktur betrieben wird. Marie ist die Tochter des Fabrikanten Kruschina (Wolf H. Latzel) und dessen Frau Kathinka (Judith Lüpold). Der von Marie geliebte Hans ist ein zugewanderter Fabrikarbeiter unbekannter Herkunft – also für den stets «gschniglet und gschnaglet» auftretenden Vater von Marie alles andere als eine gute Partie. Vater Kruschina schmiedet andere Pläne: Marie soll aus materiellen Gründen Wenzel (Robert Maszl) heiraten, den Sohn von Grossgrundbesitzer Micha (Erich Bieri) und dessen Frau Agnes (Caroline Vitale). Micha hat neben Wenzel noch einen Sohn aus erster Ehe, der jedoch verschollen ist.
Heiratsvermittler soll es richten
Der clevere Heiratsvermittler Kezal (Flurin Caduff) soll die Heirat von Marie mit Wenzel arrangieren. Kezal will deshalb Hans von dessen Absicht abbringen, Marie zu heiraten und bietet ihm für dessen Verzicht auf Marie 300 Gulden. Erstaunlicherweise geht Hans auf diesen Deal ein, beharrt jedoch auf eine Klausel im Vertrag, wonach Marie nur einen Sohn von Micha heiraten darf. Der Vertrag wird öffentlich verlesen. Marie gilt nun als verkaufte Braut. Alle sind empört und empfinden es als eine Schande, dass Hans seine Braut für Geld hergibt. Marie ist am Boden zerstört, ihre Enttäuschung grenzenlos. Auf dem Fabrikgelände gastiert ein unter der Leitung ihres Direktors (Erwin Hurni) stehende Wanderzirkus mit Komödiant Muff (Ian Sherwood), Künstlern und Tieren. Wenzel findet Gefallen an Tänzerin Esmeralda (Stefanie Frei) und verliebt sich in sie. Beim bunten Treiben rund um das Zirkuszelt erkennt Agnes, die Frau des Grossgrundbesitzers Micha und Mutter von Wenzel, ihren Stiefsohn Hans, der als verschollen gilt. Die Bedingung des Vertrags ist erfüllt. Marie heiratet tatsächlich einen Sohn von Micha – eben nicht Wenzel, sondern Hans. Marie und Hans werden ein glückliches Paar. Einzig Heiratsvermittler Kezal resigniert. Sein Deal scheitert.
Schätzchen, Schmeichelkätzchen
Das Ensemble mit den elf professionellen Sängerinnen und Sängern überzeugt gesanglich und schauspielerisch. Das Publikum geniesst die schönen, kräftigen Stimmen ebenso wie den Chor, der jeweils für ein gewaltiges Klangvolumen sorgt – begleitet vom professionellen Klangkörper des Langenthaler Gartenoper-Orchesters Camerata 49. Zu sehen ist zwischenzeitlich – auf der ersten Etage der Ofenhalle – ein Trauerzug, bei dem die Trauernden, mitten drin eine Frau mit Kinderwagen, dem Sarg mit Regenschirmen folgen. Glück und Trauer liegen in dieser Oper oft nahe beieinander – vor allem bezüglich Gemütslage von Marie und Hans, die sich lieben, heiraten wollen, was jedoch vorerst schier unmöglich erscheint. Die Musik von Komponist Smetana drückt dies mit melancholischen Arien treffend aus. Heiratsvermittler Kezal bringt das Publikum zum Schmunzeln, als er singt: «Ja, so manches Schätzchen ist ein Schmeichelkätzchen, das mit Sammetpfötchen dich umspielt. Aber wie entsetzlich, wenn man später plötzlich ihre scharfen Tigerkrallen fühlt.» Kezal kann auch mit Fotos zahlreicher Damen aufwarten und hat singend das Passende für Hans parat: «Dir zu bieten hab’ ich was, weiss ich doch eine, die hat Dukaten.» Hans singt wehmütig: «Weit von hier wohnen wir.» Im dritten und zugleich letzten Akt geniesst das Publikum das Treiben rund um den Wanderzirkus. Hier klärt Hans seine Marie auf: «Mein lieber Schatz, nun aufgepasst. Ich geb’ dir was zu hören.» Dabei erfährt Marie von Hans, dass dieser keinen Kuhhandel eingegangen ist, seine Braut nicht verkauft hat und somit weder Betrüger noch Schurke ist, sondern ein schlauer, listiger Liebender. Happy-End perfekt.
«Bravo»-Rufe, stehende Ovationen
Das entzückte Publikum – auch Andrea Zogg, der Regisseur der beiden letzten Gartenopern «Der Wildschütz» und «Carmen» ist geladener Gast – geizt nach der starken Leistung des gesamten Ensembles nicht mit starkem, anerkennendem Applaus. «Bravo»-Rufe sind zu hören – gefolgt von stehenden Ovationen. Danach dürfen die Verantwortlichen persönlich Komplimente einheimsen. So auch Regisseur Simon Burkhalter, seit 2017 künstlerischer Leiter der Freilichtspiele Moosegg, der für seine motivierende Art gelobt wird. Organistin Danielle Käser, die Frau von Alt-Regierungsrat Hans-Jürg Käser, zeigt sich nicht nur vom Erlebten angetan, sondern auch von der Akustik in der Ofenhalle. Gartenoper- und OK-Präsident Peter Siegrist hat viel zu tun, all die Komplimente entgegenzunehmen. Er strahlt und fasst seine Eindrücke von der tollen Premiere in einem Wort zusammen: «Überwältigend.»
Von Hans Mathys