• Jürgen Seeber, Projektleiter Oberingenieurkreis IV des Tiefbauamts Kanton Bern, informierte über den Stand der Verkehrssanierung Burgdorf–Oberburg–Hasle b. B. · Bilder: emh

  • Thomas Sauter-Servaes, Mobilitätsforscher und Studiengangleiter «Verkehrssysteme» an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, sprach zur Mobilität von morgen.

25.06.2018
Emmental

Die Verkehrssanierung Emmental lässt noch auf sich warten

Obschon noch viel Zeit vergeht bis die Verkehrssanierung Burgdorf-Oberburg-Hasle realisiert ist, wird sich am Mobilitätsverhalten der Bevölkerung oberhalb der Stadt Burgdorf wohl kaum viel ändern. Das ein Fazit des jüngsten «regioDay» der Regionalkonferenz Emmental, der dem Thema «Mobilität Emmental – heute und morgen» gewidmet war, und der im Landgasthof Bären, Sumiswald, stattfand.

Sumiswald · Schon mehr als ein halbes Jahrhundert wird über eine Verbesserung der Zufahrt ins Emmental diskutiert und mit den Plänen,  die in dieser Zeit voller Elan produziert und dann zu Makulatur verkamen, hätte man sicher ein Einfamilienhaus im Winter mehrere Monate heizen können. Warum eine solch ironische Einleitung zu einem ernsten Thema? Der Schreibende war nicht immer Freizeitjournalist, sondern er musste sich berufshalber auch etliche Jahre mit dieser Materie herumschlagen. Für ihren diesjährigen «regioDay» hat die Regionalkonferenz Emmental damit ein Thema hervorgeholt, das viele Emmentalerinnen und Emmentaler seit Jahrzehnten bewegt, nämlich die Verkehrssanierung von Burgdorf bis Hasle b.B. Dieses mal verbunden mit dem Thema «Mobilität Emmental in Zukunft».

Bis zum ersten Spatenstich dauert es noch Jahre
Bekanntlich wurde mit dem Variantenentscheid von 2016 auf eine Umfahrung der Stadt Burgdorf verzichtet. Stattdessen sollen mit punktuellen Massnahmen Verbesserungen erzielt werden. Die schlussendlich gewählte Variante ist laut Projektleiter Jürgen Seeber vom Oberingenieurkreis IV des Tiefbauamts des Kantons Bern selber ein Gesamtverkehrsprojekt. Es hat alle Massnahmen für alle Verkehrsteilnehmenden, also Auto-, Lastwagen-, Bus-, Velo- und Fussverkehr zum Inhalt. Nach zehnjähriger Vorbereitung konnten im Herbst 2017 die Arbeiten am eigentlichen Bauprojekt in Angriff genommen werden.
Gemäss heutigem Stand muss mit Gesamtkosten von 430,9 Millionen Franken gerechnet werden, die sich folgendermassen auf die drei Teilstücke aufteilen: Burgdorf/Lyssach (57,25 Millionen Franken), Oberburg (243,87 Millionen Franken) und Hasle b. B. (117,78 Millionen Franken). Die Finanzierung steht auf drei Säulen, nämlich die ordentlich zur Verfügung stehenden Mittel für die Verkehrsinfrastrukturen des Kantons Bern, dem Fonds zur Deckung von Investitionsspitzen und Bundesmitteln aus dem Agglomerationsprogramm Burgdorf.
Bis Mitte 2020 soll das Projekt so weit gediehen sein, dass eine öffentliche Planauflage mit Einsprachemöglichkeit erfolgen kann. Gemäss dem von Projektleiter Jürgen Seeber vorgelegten Grobterminplan sollte dann nach erfolgter Strassenplanfreigabe Ende  2021 die Kreditfreigabe erfolgen. Allerdings scheint, dass die Zeit zwischen Planauflage und Kreditfreigabe sehr sportlich angenommen wurde, denn erfahrungsgemäss beanspruchten Einspracheverfahren der letzten Jahre recht viel Zeit. So gesehen werden wohl kaum vor 2024 die Baumaschinen auffahren.

Zur Entwicklung des Emmentals sind gute Verkehrsverbindungen unerlässlich
Doch wird die Verkehrssanierung Emmental überhaupt noch benötigt? Diese provokative Frage tauchte unweigerlich auf, wenn man auf dem Programm den Titel des Referats las «Mobilität 2030 – Das schnelle Ende der Strasse wie wir sie kennen» von Thomas Sauter-Servaes, Mobilitätsforscher und Studiengangleiter «Verkehrssysteme» an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW. «In den letzten 100 Jahren hatten wir einen rasanten Fortschritt in fast allen Belangen zu verzeichnen und so wurden auch die Verkehrsmittel immer rasanter entwickelt», stellte der Referent einleitend fest. Für ihn ist klar, dass es heute zu viele Autos gibt die bloss herumstehen, welche die grösste Zeit nur Platz versperren und deren gesamter tatsächliche Nutzen kleiner sei als fünf Prozent. Der Referent kam ebenfalls auf die neuesten Mobilitätsentwicklungen zu sprechen, die allerdings meistens noch im Versuchsstadium sind. Selbstfahrende Fahrzeuge wurden ja bereits auch in der Schweiz getestet. Für die grossen Agglomerationen könnte das sicher ein Lösungsansatz sein, für das Emmental wohl eher nicht. Die Ideen, die der Referent präsentierte, betrafen jedoch nicht unbedingt Situationen wie sie vor allem oberhalb von Burgdorf anzutreffen sind. In der Diskussion brachte es ein Versammlungsteilnehmer auf den Punkt: «Wir sind hier im Emmental wo es zahlreiche kleine Orte in abgelegenen Krächen gibt. Wir müssen den Tatsachen ins Auge schauen, denn Banken, Poststellen und Geschäfte aller Art werden zunehmend geschlossen. Am Abend nach 20 Uhr ist – sofern überhaupt vorhanden – meistens auch mit dem öffentlichen Verkehr Schluss. Nach wie vor werden wir auf das Auto angewiesen sein.» Für den Präsidenten der Regionalkonferenz Emmental war zum Schluss eines klar: «Wenn wir unsere Arbeitsplätze erhalten und auch Neue schaffen wollen, sind wir im Emmental auf gute Verkehrsverbindungen angewiesen.»

Von Ernst Marti