Die WBM seit 50 Jahren in Bewegung
Als am 1. Juni 1968 in einem baufälligen Holzschuppen in Madiswil fünf Personen ihre Arbeit aufnahmen, ahnte niemand, dass das Werk einst mehr als 170 Mitarbeitende beschäftigen würde. Mit verschiedenen internen und externen Anlässen feiert die WBM im Laufe dieses Jahres ihr 50-Jahr-Jubiläum.
Madiswil · In den vorhandenen Schriften steht wenig über den Gründer Ernst Rebmann, der es auf den 1. Juni 1968 hin fünf Menschen mit einer Beeinträchtigung ermöglichte, in einem baufälligen Holzschuppen an der Melchnaustrasse 46E in Madiswil ihre Arbeit aufzunehmen.
Dank seinem Engagement war es ihm gelungen, Arbeitsaufträge für die kleine Gruppe zu erhalten.
Menschen mit Weitblick, welche die Notwendigkeit von geschützten Arbeitsplätzen in der Region ebenfalls erkannten, unterstützten ihn tatkräftig. Knapp eineinhalb Jahre später, am 14. November 1969, gründeten sie unter Ernst Rebmann den Verein «Oberaargauische Invaliden-Werkstätte» in Madiswil. Der Vorstand zählte damals neun Mitglieder; erster Präsident war Dino Trüssel. Der Präsident war massgebend verantwortlich für die Führung der Institution und für die Planung einer neuen, grösseren Werkstatt. Durch seine Beziehungen schaffte er es, mehr Arbeitsaufträge aus dem metallverarbeitenden Bereich zu erhalten.
Zukunftsgerichteter Neubau
Während der Tagesbetrieb alle Kräfte der Verantwortlichen forderte, arbeitete im Hintergrund der Verein angestrengt am zukunftsgerichteten Neubau. Im September 1976 entstand aus dem Verein die Stiftung Werkstätte für Behinderte WBM Madiswil. Diese wird von über 130 Stifterinnen und Stiftern getragen, welche die regionalen Einwohnergemeinden, Kirchgemeinden, Industriebetriebe und Privatpersonen vertreten.
Im Zentrum Madiswils konnte am 1. Juli 1979 die neue Werkstatt bezogen werden. Weil Madiswil damals für zusätzlichen Schutzraum besorgt sein musste, konnte das Grossprojekt gemeinsam mit der Einwohnergemeinde realisiert werden. Der Neubau an der Melchnaustrasse bot nun Platz zur Beschäftigung von rund 50 Menschen mit einer Beeinträchtigung.
Erweitertes Angebot
Seit längerem hatte sich allerdings auch der Bedarf abgezeichnet, einem Teil von ihnen Wohnmöglichkeiten anzubieten. So entschloss sich der damalige Stiftungsrat, das alte Schulhaus in Mättenbach, welches nicht mehr für Schulzwecke benötigt wurde, zu kaufen und zweckmässig umzubauen. Zur Finanzierung organisierten die Stiftung und die Gemeinde gemeinsam ein Dorffest. Das Fest im Sommer 1981 wurde ein voller Erfolg; für das Wohnheim Mättenbach kam ein Reingewinn von über 81 000 Franken zusammen. Noch aber forderte die Realisierung des Projekts über Jahre hinweg alle Kräfte. Nach einer Umbauzeit von sechs Monaten konnte es am 1. Juni 1988, genau 20 Jahre nach der Gründung der Werkstätte, in Betrieb genommen werden. Es hatte sich gelohnt ... schnell nahm die Nachfrage nach Wohnheimplätzen zu, und schon 1997 wurden Projektstudien zu Planung eines weiteren, grösseren Wohnheims durchgeführt.
Aber auch die Werkstatt geriet an die Grenzen ihrer Kapazität. Bereits anfangs der 1990er-Jahre wurde eine Erweiterung geplant. Zusätzlich zu den geschützten Arbeitsplätzen in der Produktion wollten die Verantwortlichen eine Beschäftigungsgruppe integrieren. In dieser Zeit wurde die Stiftung von personellen Verlusten hart gebeutelt. Anfangs Februar 1992 stürzte der Stiftungsratspräsident Werner Mächler auf dem Heimflug von einer Studienreise tödlich ab. Fritz Wälchli trat in die Bresche des engagierten Kämpfers und wurde im Juni 1992 von der Stifterversammlung zum neuen Präsidenten gewählt. Knapp ein Monat später verstarb der Gründer der WBM, Ernst Rebmann, bei einer Wanderung mit der Behindertensportgruppe an einem Herzinfarkt.
Allen schweren Zeiten zum Trotz, und obwohl einige starke Zugpferdchen aus den Reihen gerissen worden waren – am 1. Juni 1994 wurde der Neubau eröffnet und bezogen, und in den neuen Räumlichkeiten konnte im Herbst 1995 die Beschäftigungsgruppe eröffnet werden. Lange konnte sich die Werkstatt allerdings der grösseren Raumverhältnisse nicht erfreuen, schon bald wurden auch diese wieder zu klein. Die Nachfrage nach geschützten Arbeitsplätzen stieg nach wie vor kontinuierlich an. Am bisherigen Standort aber war kein Ausbau mehr möglich.
Rückblickend kann es als Glücksfall bezeichnet werden, dass die Familie Stegemann der Stiftung WBM den Kauf der ehemaligen grossen Fabrikliegenschaft ermöglichte. Was aber nicht hiess, dass nicht wieder ein Neubau geplant wurde …
Neuer Standort, neues Wohnheim
Parallel zum Entscheid, die Fabrikliegenschaft der Stega AG zu erwerben, wurde im Rahmen einer Gesamtplanung auch der Bau des neuen Wohnheims angegangen. Damit wurde die angrenzende Parzelle Brunnmatt zu einem wichtigen Teil des Gesamtprojekts, welches zur Erweiterung der geschützten Arbeitsplätze auch die Realisierung eines neuen Wohn- und Freizeitbereichs vorsah. Baubeginn war der 26. Oktober 2006, kurz nach der Aufnahme der Arbeiten am Werkstattgebäude. Im Januar 2009 durften die Bewohnerinnen und Bewohner ihr neues, schönes Zuhause beziehen.
Mit der Eröffnung des Werk- und Verkaufslokals Kuriosum mit Bistro ging im Herbst 2016 ein weiteres Herzensanliegen in Erfüllung. Der Laden ermöglicht die Präsentation der Werkarbeiten und Geschenkartikel, die Zusammenarbeit auch mit regionalen Kunstschaffenden und Produzenten von Tee- und Kräutermischungen, vor allem aber die Begegnung der Mitarbeitenden mit der Kundschaft. Die Wertschätzung für ihre Arbeiten wird für sie damit besonders spürbar.
Moderner Dienstleistungsbetrieb
Seit 2013 steht die Stiftung WBM unter der Geschäftsführung von Stephan Weber. Als modernes Dienstleistungs- und Produktionsunternehmen beschäftigt sie über 170 Personen in den Fachgebieten mechanische Fertigung, Montage und Verpacken, Hotellerie und Werkatelier. Im Wohnbereich leben 25 Personen möglichst eigenständig, jedoch in einem für sie individuell angepassten, betreuten Umfeld.
Die Stiftung WBM engagiert sich zudem mit grosser Kompetenz im Bereich der beruflichen Ausbildungen. Sie verfügt über ein vielseitiges, wirtschaftsorientiertes Ausbildungsangebot in ganz unterschiedlichen Berufsgruppen und mit auf die jeweiligen Personen abgestimmten Lernzielen. Begleitet durch qualifiziertes Fachpersonal können hier das Eidgenössische Fähigkeitszeugnis EFZ, die zweijährige berufliche Grundbildung mit Eidgenössischem Berufsattest EBA oder die praktische Ausbildung nach INSOS PrA abgeschlossen werden.
Von Liselotte Jost-Zürcher