«Die Zeit bleibt mir als Geschenk in Erinnerung»
Fast drei Jahrzehnte lang hat Walter Haldimann das Altersheim Leimatt in Eriswil geleitet. Nun wurde er in den frühzeitigen Ruhestand verabschiedet. Trotz stetig zunehmender administrativer Arbeiten blickt er auf eine sehr schöne und bereichernde Zeit zurück.
Eriswil · «Die Zeit als Heimleiter bleibt mir als Geschenk in Erinnerung», erzählt Walter Haldimann. Ein Geschenk, weil er so viele Jahre einen solch schönen Betrieb zusammen mit einem guten Team aus Mitarbeitenden und freiwilligen Helferinnen und Helfern führen und mitgestalten konnte.
In Erinnerung bleibt ihm eine grosse Anzahl lieber Bewohnerinnen und Bewohner, welche mit ihrer Lebensgeschichte, ihrer Originalität, Dankbarkeit und Zufriedenheit ein Vorbild bleiben.
Dabei waren seine Aufgaben als Heimleiter sehr vielfältig. «Man ist als Heimleiter kein Spezialist, sondern Generalist», erklärt Haldimann. Über viele Bereiche musste er ein Grundwissen aufweisen, daneben ein gutes Team von Mitarbeitenden in der Pflege, der Küche oder der Hauswirtschaft haben, welche über das vertiefte Fachwissen und Fachkönnen verfügen. Interessant und oft auch herausfordernd war die Tatsache, mit verschiedenen Gruppen von Menschen mit unterschiedlichen Interessen und Ansprüchen zu arbeiten. Besonders wichtig war es für Walter Haldimann, über all die Jahre bei allen Mitarbeitenden und auch bei sich selbst das Bewusstsein zu wecken, dass sie die Atmosphäre im Haus massgebend beeinflussen konnten. «Ist die Stimmung im Team gut, ist dies zwar keine Garantie, aber eine gute Voraussetzung, dass sich die Bewohnenden im Heim wohlfühlen», ist der unterdessen fünffache Grossvater überzeugt.
Vom Möbelschreiner zum Heimleiter
Walter Haldimann war ein Quereinsteiger, als er vor 28 Jahren die Leitung des Altersheims Leimatt übernahm. Als gelernter Möbelschreiner und anschliessender Ausbildung als Holzbetriebstechniker war er zuletzt in einer Werkstatt für beeinträchtigte Menschen tätig. «Das hat mir damals den Wechsel in die Altersarbeit bezüglich Ausbildungsanforderungen erleichtert», erinnert sich Haldimann.
Von Beginn an bis zu seinem letzten Arbeitstag ging es ihm darum, den betagten Menschen einen würdigen und lebenswerten Lebensabend in einer möglichst familiären Atmosphäre zu ermöglichen. «Wie gut mir das gelungen ist, müssen natürlich die Bewohnenden und ihre Angehörigen beurteilen», sagt Haldimann mit einem Lächeln.
Gutes und Schönes überwiegt
In seiner Zeit als Heimleiter gab es neben Höhen auch Tiefen. «Das gehört einfach zu jedem Beruf und zu jeder Funktion dazu», weiss Haldimann. Rückblickend kann er sagen, dass Probleme und Schwierigkeiten immer gemeinsam gelöst werden konnten. Das Gute und Schöne habe dabei jedes Mal bei Weitem überwogen. Auch hat das Heim, welches 32 Betten umfasst, oft Bewahrung erlebt und ist all die Jahre von Ereignissen wie Brand, Einbruch oder Personenunfällen verschont geblieben. Dagegen blieben ihm die stetig zunehmenden administrativen Aufgaben nicht erspart. Wie in vielen anderen Bereichen und Branchen hat sich auch in den Altersheimen in den letzten Jahren viel verändert.
So wurden von den Behörden und Krankenkassen weitreichende Kontroll- und Steuerungsmechanismen eingebaut, welche die Verwaltung zunehmend belastete. Wo früher die Pflegeeinstufung eines Bewohnenden in wenigen Minuten erledigt werden konnte, ist dies heute ein Arbeitsprozess, welcher das Vielfache an Zeit beansprucht. «Über Politik, Gesetzgebung und den daraus folgenden Auswirkungen kann man geteilter Meinung sein. Ich habe jedoch die Aufsichtsbehörde besonders in den letzten Jahren als hilfsbereit und unterstützend erlebt», relativiert Haldimann. Vertrauen und Unterstützung erfuhr er auch durch den Verwaltungsrat. Dennoch bedauert er, dass durch die aufwendige Büroarbeit Zeit verloren geht, welche eigentlich den Bewohnenden gehören sollte.
Zwei Meilensteine
Während den 28 Jahren als Heimleiter durfte Walter Haldimann zwei grössere Bauprojekte begleiten. Eine grosse Hürde musste genommen werden, um nach langer Planungszeit die Zustimmung für die Erneuerung und Erweiterung des Altersheims zu erhalten, die in den Jahren 2003 und 2004 realisiert werden konnten. «Die damalige Heim- und Baukommission hatte alles darangesetzt, sonst hätte Eriswil heute vermutlich kein Altersheim mehr», zeigt sich Haldimann dankbar.
Ein weiterer Meilenstein während seiner Zeit als Heimleiter war der Bau des Generationenhauses im Jahr 2016. Durch Mitwirkung konnte er sich in der Baugruppe einbringen. Erfreulich sei dabei das Zusammenspiel und das Engagement der gesamten Gruppe gewesen. Das Ergebnis sind 14 attraktive Wohnungen am Standort Leimatt und damit ein grosser Gewinn für das Dorf Eriswil.
Corona als besondere Herausforderung
Die vergangenen Monate haben den Heimleiter durch das Coronavirus nochmals besonders herausgefordert.
«Vor allem die zweite Krankheitswelle, welche das Heim kürzlich überrollte, war anspruchsvoll. Viele Angehörige haben aber Verständnis und Wertschätzung unserer Arbeit entgegengebracht, das war ermutigend», so Haldimann. Rückblickend gehe das Heim gestärkt aus den beiden Krisensituationen heraus. Nicht zuletzt dank der guten und unermüdlichen Arbeit des gesamten Teams, das aus 44 meist in Teilzeit angestellten Mitarbeitenden inklusiver dreier Lernenden besteht, haben die Bewohnenden die Krankheit im Allgemeinen gut überstanden.
Doch nun sind die Tage von Walter Haldimann als Heimleiter gezählt. «Um meine Gesundheit zu erhalten, habe ich mich für eine frühzeitige Pensionierung entschieden», verrät Haldimann. Zudem würde es dem Heim guttun, wenn nach so vielen Jahren frischer Wind in den Betrieb komme. In Zukunft möchte er mehr Zeit haben für die Menschen um sich herum, die Natur geniessen und immer offen für Neues sein.
Ab 1. Juni übernimmt René Jaussi als Geschäftsleiter die Leitung des Altersheims Leimatt. Am 21. Mai fand die offizielle Schlüsselübergabe statt. Als ehemaliger Leiter Rettungsdienst und Leiter Pflege der Notfallstation im Spital Emmental hat René Jaussi beste Voraussetzungen für einen guten Start bei seiner neuen Aufgabe (siehe Interview mit René Jaussi).
Von Marion Heiniger