Die Zukunft hat schon begonnen
Zukunftsforscher Georges T. Roos gewährte beim Managementforum Oberaargau der Clientis Bank spannende Einblicke in das Leben von Morgen. «Die Zukunft hat schon begonnen», wies er die Anwesenden darauf hin, dass die fortschreitende Digitalisierung unser Leben in den nächsten 20 Jahren komplett verändern werde.
Das Managementforum der Clientis Bank Oberaargau hat sich zum beliebten Event für Geschäfts- und Kaderleute entwickelt. Deshalb erstaunt es nicht, dass auch bei der 12. Auflage am Firmensitz der Clientis Bank in Langenthal über 150 Personen erschienen sind. Bevor Gastredner und Zukunftsforscher Georges T. Roos einen Blick in Zukunft warf, schaute Clientis-Direktor Heinz Trösch noch einmal zurück auf das letzte Jahr. «Mit grosser Freude dürfen wir auf das Ergebnis im vergangenen Geschäftsjahr blicken. Die Bank erwirtschaftete das beste Ergebnis in der über 140-jährigen Firmengeschichte», verkündete er stolz.
Passend zum Thema des diesjährigen Managementforums warf Trösch danach noch einen Blick auf das laufende Jahr. Dabei zeigte er sich optimistisch und erwähnte, dass Konjunkturbeobachter mit einem beschleunigten Wachstum für die Schweizer Wirtschaft rechnen würden. Auch für die Bank erwarte er für 2017 aufgrund des grossen Kundenvertrauens und der starken Verankerung der Clientis Bank in der Region erneut ein gutes Ergebnis. Der Start ins neue Jahr sei entsprechend gut gelungen. Ein grosses und viel diskutiertes Thema seien die Negativzinsen der Nationalbank. Einige Banken hätten bereits begonnen, Negativzinsen an die Kunden weiter zu verrechnen. «Unsere Bank hat bisher keine Negativzinsen verrechnet. Und solange die Nationalbank ihre Negativzinsen nicht verschärft und solange der Kundengeldzufluss nicht drastisch ansteigt, gehe ich davon aus, weiterhin auf die Weitergabe von Negativzinsen an unsere Kunden verzichten zu können», gab Direktor Heinz Trösch diesbezüglich Entwarnung.
Internet der Dinge im Vormarsch
Danach tauchten die Anwesenden in die Zukunft ein. Dahin entführt wurden sie von Georges T. Roos, Gründer eines Zukunftsforschungsinstituts und führender Zukunftsforscher der Schweiz. Seit 1997 analysiert der 1963 in Basel geborene Roos die treibenden Kräfte des gesellschaftlichen Wandels. Der Mensch tue sich seit jeher schwer, sich die Zukunft vorzustellen, begann Georges T. Roos seinen Vortrag. Das liege daran, dass wir in den gegenwärtigen Denkschemen gefangen seien. Die Zukunft jedoch befinde sich ausserhalb unseres Vorstellungsvermögens. «Der libanesische Philosoph Nassim Taleb vertritt in seinem Buch ‹Der Schwarze Schwan› die These, dass alle wichtigen Ereignisse in der Geschichte der Menschheit unvorhergesehen waren. Sie haben uns überrascht. Niemand hat damit gerechnet», betonte Roos.
Der Zukunftsforscher wies dabei auf das Internet hin. Nichts habe in den letzten Jahren die Welt derart verändert wie das Internet, bemerkte Roos. Diese Entwicklung werde in Zukunft rasant weiter gehen, das Internet der Dinge werde künftig unseren Alltag mitbestimmen. Bislang habe das Internet daraus bestanden, Computer miteinander zu vernetzen, die Verbindung mit der realen Welt habe lediglich mit dem Menschen hinter dem Computer bestanden, der ihm Befehle erteilt. Das werde sich nun ändern, ist der Zukunftsforscher überzeugt. «Das Internet wird heute bereits laufend in die realen Gegenstände hinein verlängert. Immer mehr Dinge der realen Welt, wie beispielsweise die Klimatechnik eines Hauses, das Auto, ja selbst der Blumentopf sind im Internet selbst präsent. Damit können sie über das Internet ferngesteuert werden, von jedem denkbaren Eingabegerät aus», gab Georges T. Roos zu verstehen. Smartness nennt sich dieser Vorgang.
Die intelligente Tischsäge
Anhand eines Beispieles zeigte Roos, wie Smartness in Zukunft in unser Leben integriert wird. Steve Gass aus Oregon (USA) erfand eine intelligente Tischsäge. Weil diese Maschine beim Sägen zugleich die elektrische Leitfähigkeit des zu bearbeitenden Materials misst, erkennt die Säge, wenn statt des Holzes ein Finger kommt, denn ein Finger ist deutlich leitfähiger als ein Stück Holz. Wenn dies geschehe, stoppe die Säge in weniger als einer Millisekunde und rücke unter den Tisch.
Künstliche Intelligenz werde in absehbarer Zeit die menschliche Intelligenz überflügeln, ist Roos überzeugt. Für den Zukunftsforscher sind das nicht in erster Linie Schreckensszenarien, sondern neue Chancen. So rechnet er, dass durch die fortschreitende Robotik in unseren Unternehmen bis 2025 die Produktivität um bis zu 30 Prozent steigen und gleichzeitig die Arbeitskosten um 18 Prozent fallen werden. Natürlich werde mit der Digitalisierung ein genereller Wandel in der Arbeitswelt stattfinden. Man gehe davon aus, dass die Automatisierung in der Wirtschaft in den kommenden 20 Jahren bis zu 47 Prozent der heutigen Jobs verdrängen könnte. «Computer werden in naher Zukunft 80 Prozent der Funktionen erfüllen, die heute Ärzte erbringen», machte Roos eine mutige Aussage. Gleichzeitig würden eine heute kaum bezifferbare Anzahl an neuen Jobs und Tätigkeiten geschaffen werden.
Keine armen Länder mehr
Aber nicht nur die technische Entwicklung schreite voran, auch die menschliche Entwicklung geht laut Roos in rasanten Schritten weiter. Zwar hätten viele Leute das Gefühl, dass wir in der schlechtesten aller bisherigen Welten leben würden, doch in Wahrheit sei diese Welt in den letzten Jahrzehnten dramatisch besser geworden. Er erwähnte, dass sich seit 1950 die überwiegende Mehrheit der Länder in Richtung mehr Wohlstand und höhere Lebenserwartung bewegen. 1950 lag die durchschnittliche Lebenserwartung weltweit bei 47 Jahren, heute liege sie bereits bei 69 Jahren. Zudem hätten sich im letzten halben Jahrhundert die meisten Länder aus der extremen Armut lösen können.
Der schwedische Experte für Gesundheit, Professor Hans Rosling, hat 120 000 Daten für 200 Länder über die vergangenen 200 Jahre in einer animierten Grafik zusammengestellt. Und er stellte einen klaren Trend fest: «Alle können es schaffen, gesund und wohlhabend zu sein.» Er habe damit schon früher gesagt, was Bill Gates im Januar 2014 sagte: «Bis 2035 wird es fast keine armen Länder mehr in der Welt geben.»
Für Georges T. Roos ist deshalb klar: «Die Zukunft hat bereits begonnen. Es ist nicht so erheblich, wie diese aussehen wird, entscheidend ist, dass wir als Unternehmer oder Privatperson darauf vorbereitet sind, dann können wir davon profitieren.»
Von Walter Ryser