«Die Zusammenarbeit mit Frauen ist offener»
Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Simon Kurt, Unihockeytrainer aus Huttwil – Der 41-jährige Huttwiler Simon Kurt reitet als Assistenztrainer der NLA-Damenunihockeyequipe Skorpion Emmental auf der Erfolgswelle. Das Team steht kurz vor dem erstmaligen Einzug in den Playoff-Final. Kurt ist auch beruflich mit dem Unihockey verbunden. Er engagiert sich stark für das Projekt «Unihockey für Strassenkinder».
Unihockey · Nur noch ein Sieg fehlt und die NLA-Frauenequipe Skorpion Emmental hat erstmals überhaupt den Superfinal der höchsten Spielklasse erreicht.
Es sieht gut aus. Seit zwei Jahren arbeiten wir bei den «Skorps» auf dieses Ziel hin. Sowohl im Staff wie auch bei den Spielerinnen wurde ein enormer Mehraufwand betrieben, um einen Schritt vorwärts zu machen. Diese grosse Investition scheint zu fruchten. Wenn wir unsere aktuelle Spielstärke halten, sollte der Finaleinzug bereits im morgigen dritten Halbfinalspiel realisierbar sein.
Am 10. April wird die Schweizermeisterschaft 2020/21 in einem einzigen Spiel entschieden. Wie stehen die Chancen der «Skorps» gegen den Titelfavoriten Kloten-Dietlikon, der mit grösster Warscheinlichkeit den anderen Halbfinal gewinnt?
Sollten wir den Final effektiv schaffen, dürfte uns der Modus entgegenkommen. Es wird einfacher sein, das starke Kloten-Dietlikon in einem Einzelspiel als in einer Serie zu bezwingen. Motiviert sind wir sowieso, denn zwei der letzten drei Meisterschaftsbegegnungen konnten wir siegreich gestalten.
Wäre ein allfälliger Superfinal der Höhepunkt Ihrer langjährigen Unihockeytätigkeit?
In der Saison 2011/12 konnte ich als Assistenztrainer der U21-Junioren von Wiler-Ersigen den Vizeschweizermeistertitel feiern. Ein Superfinal in der NLA der Damen würde diesen Erfolg aber übertreffen. Egal, wie das Spiel endet.
Und Ihre Highlights als Spieler?
Das waren die drei 1. Liga-Aufstiege mit dem UHC Black Creek Schwarzenbach sowie der Aufstieg in die NLB mit dem UHT Eggiwil.
Seit zwei Saisons amten Sie als Assistenztrainer von Lukas Schüepp bei den «Skorps». Was konnten Sie zum Erfolg beisteuern?
Ich bin der Gegenpol zu Lukas, der beim Coaching emotional und laut sein kann. Wir ergänzen uns super. Jeder versteht, was der andere zu tun hat – auch ohne Worte. Während einem Spiel schaue ich, was auf dem Feld passiert, wenn Lukas auf der Bank ein Gespräch führt oder Anweisungen gibt – und umgekehrt.
Sie haben früher bereits das Damenteam des UHC Black Creek als Trainer in die 1. Liga geführt. Vor Ihrem Amtsantritt als NLA-Assistenztrainer der Damenequipe Skorpion Emmental waren sie zwei Saisons lang Teamchef beim 2. Liga-Herrenteam von Black Creek und etwas vorher drei Saisons lang Headcoach der NLB-Herrenequipe von Eggiwil. Wo liegen die Unterschiede beim Trainieren von Frauen- und Männer-Unihockeyteams?
Die Kommunikation ist bei den Frauen sehr wichtig, eine überlegte Wortwahl sinnvoll. Die Frauen setzen die verlangte Taktik auf dem Feld direkter um als Männer, die immer auch noch einen Plan B oder Plan C im Kopf haben, was die Sache erschwert. Ich empfinde die Zusammenarbeit mit Frauen offener. Ausserdem ist die Hierarchie im Team viel flacher als bei den Männern.
Was fasziniert Sie mehr?
Momentan könnte ich mir nicht vorstellen, wieder eine Männerequipe zu trainieren.
Wo heben sich die «Skorps» gegenüber Ihren bisherigen Trainerstationen ab?
Skorpion Emmental ist in der Schweiz eine der Topadressen im Frauenunihockey. Es herrscht ein absoluter Leistungsgedanke. Obwohl die Spielerinnen alle einer Arbeit nachgehen, wird dem Unihockey alles untergeordnet. Die Trainingsbeteiligung ist absolut vorbildlich.
Sie haben 1998 beim damaligen UHC Flying Pigs Huttwil mit dem Unihockeyspiel begonnen und damit sowohl als Spieler wie auch Trainer einiges erlebt. Doch ein Fernsehspiel wie kürzlich gegen Berner Oberland im Playoff-Viertelfinal war selbst für Sie Neuland.
Absolut. Und es war sehr speziell und eindrücklich. Mit einem Videowürfel zu spielen oder während den Time-outs das Mikrofon vor den Kopf gehalten zu bekommen, ist unüblich. Die fehlenden Zuschauer hätten die Eindrücke natürlich noch massiv verstärkt. Ich denke aber, dass es für uns gar nicht so schlecht war so. Die Nervosität und der Druck vor 2000 lautstarken Zuschauern wären vielleicht zu gross gewesen.
Sie haben Ihren Vertrag als Assistenztrainer bei Skorpion Emmental um eine weitere Saison verlängert. Liebäugeln Sie nicht damit, einmal als Headcoach ein NLA-Damenteam zu führen?
Momentan nicht, weil ich den Zeit- und Energieaufwand dafür nicht bewältigen könnte. Vier Wochentrainings, die grosse Vorbereitungsarbeit und die Partien an den Wochenenden – dies alles könnte ich neben Job und Familie nicht unter einen Hut bringen. Vielleicht sieht es in einigen Jahren anders aus.
Bis Ende der Saison 2016/17 haben Sie selber Unihockey gespielt, zuletzt zwei Saisons lang beim Unihockeyteam der Jungschar Wygorazzi in der Turnvereinsmeisterschaft «Straub Sport-Cup». Haben Sie aktuell eine Möglichkeit, selber ein bisschen zu «chneble»?
Die habe ich tatsächlich. Und zwar mit Quartier-Unihockey. Ich spiele gerne mit meinen Kindern, die beide beim UHC Black Creek Schwarzenbach aktiv sind, sowie den Nachbarskindern auf dem Platz vor unserem Daheim. Je nach Anzahl der Mitmachenden übernehme ich dann allerdings die Rolle des Schiedsrichters.
Ein späteres Comeback als Spieler, beispielsweise im Senioren-Plauschteam von Black Creek, können Sie sich nicht vorstellen?
Ich denke eher nicht. Ich habe beide Kreuzbänder gerissen und muss etwas vorsichtig sein. Momentan betätige ich mich mit Joggen und Skifahren sportlich.
Sie engagieren sich stark für den Unihockeysport. Zusammen mit dem in der Region bekannten Unihockeyspieler Beat Krähenbühl aus Rüegsauschachen arbeiten Sie für den «Verein Unihockey für Strassenkinder». Was bezweckt diese auch als «floorball4all» bekannte Organisation?
Die Organisation will Kindern und Jugendlichen in sozialen Brennpunkten mit dem ihnen zu Beginn unbekannten Unihockeyspiel Werte wie Fairness, Nächstenliebe und Solidarität vermitteln. Die Trainings geben den Jugendlichen und Kindern eine Struktur und Hoffnung. Damit wollen wir die Lebensqualität von jungen Menschen effektiv und nachhaltig verbessern.
Wie passiert das?
Wir besuchen die interessierten Länder und bilden dort Trainer aus, welche den Unihockeysport den Strassenkindern weitergeben. Dies bewirkt mit der Zeit eine kleine Unihockeybewegung.
Bei diesen Teameinsätzen wird den Kindern der Unihockeysport vor Ort vorgestellt. Wie erfolgt die Länderwahl?
Interessierte Organisationen melden sich bei uns. Ihre Aufgabe im Vorfeld ist es, sicherzustellen, dass genügend interessierte Leute vorhanden sind, die als Trainer ausgebildet werden können, wenn wir anreisen. Koordinatoren und Projektverantwortliche vor Ort sind die Voraussetzung dafür, dass wir aktiv werden.
Haben Sie auch schon Auslandeinsätze geleistet?
Bis jetzt noch nicht. 2020 war dies wegen der Pandemie nicht möglich. Im Oktober 2021 plane ich einen einwöchigen Ausbildungseinsatz in Moldawien.
Können den Strassenkindern auch Stöcke und Bälle abgegeben werden?
Es ist sogar ein Muss, denn in diesen Ländern ist Unihockey unbekannt und das dafür notwendige Material nicht vorhanden. Wir reisen immer mit kompletten Material-Sets an. Dabei verwenden wir Tore zum zusammenstecken, um den Transport zu vereinfachen.
Das kostet alles Geld. Wie finanziert sich der Verein?
Die Ausgaben werden durch Spenden, Mitglieder- und Gönnerbeiträge, Schenkungen und Sponsoring gedeckt. Wir sind ständig auf der Suche nach interessierten Firmen, die unser viel bewirkendes Unihockeyprojekt finanziell stärken.
Fühlen Sie den Support?
Sehr sogar. Neben den genannten Sponsoren kommt es immer wieder vor, dass Unihockeyvereine Aktionen durchführen, deren Erlös den Strassenkindern zugeführt wird. Oder die Vereine schenken uns gebrauchte Stöcke oder Spielleibchen. Dies freut mich immer besonders.
In Ländern wie Kenia, Haiti oder Mosambik wird es nie ambitionierten Unihockeysport geben. Aber dies dürfte auch nicht das Ziel des Vereins sein?
Unser Ziel ist es, dass die Kinder von der schiefen Bahn ferngehalten werden können. Dass sie durch das Unihockeyspiel eine sportliche Betätigung und damit zugleich Spass am in unseren Wirkungsgegenden nicht unbedingt einfachen Leben haben. Dass durchaus etwas aus dem Projekt wachsen kann, zeigt das Beispiel Ukraine. Die Ukraine verfügt heute über eine eigene Meisterschaft sowie Nationalteams. Oder das angesprochene Kenia. Dort ist viel passiert. 2019 konnte Kenia sogar den extra kreierten Afrika-Cup, an dem ein paar Länder mitmachen, gewinnen. Überall, wo wir mit unserem Projekt Starthilfe zu etwas Wachsendem leisten können, ist ein Erfolg.
Wie gross ist Ihr Pensum für «floorball4all»?
Die Geschäftsstelle umfasst vier Personen. Ich bin zu 40 Prozent angestellt, bin für das Ressort «Public Relations» zuständig. Einmal pro Woche arbeite ich in der Geschäftsstelle in Thierachern, den Rest erledige ich von daheim aus.
Ihre Faszination für das Projekt?
Ich bin zu 50 Prozent als Lehrer an der Sekundarschule Grosswangen tätig. Es ist für mich ein Geschenk, dass ich die restliche berufliche Tätigkeit mit dem Unihockeysport ausfüllen darf. Die Motivation, Entwicklungshilfe zu leisten, um mit deinem Schaffen zu einem sinnvollen Projekt beizusteuern, ist enorm.
Spenden Strassenkinder-Unihockey: www.floorball4all.ch/de/Spenden
Kurz gefragt
Bester Unihockeyspieler ever: Matthias Hofbauer. Er spielte über 20 Jahre lang national und international auf höchstem Niveau Unihockey.
Gerade so gut wie Unihockey: Eishockey. Diesen Sport verfolge ich neben dem Unihockey am meisten. Ich übe ihn aber nicht selber aus.
Lieblingsfarbe Unihockeyball: Dieser muss weiss sein.
WhatsApp: Verwende ich täglich.
Instagram: Habe ich und bin auch regelmässig darauf aktiv.
TikTok: Diese App habe ich nicht. Sie ist für junge Leute.
Kreuzworträtsel: Nicht meins.
Süssigkeiten: Glace, am liebsten Caramel.
Jahreszeit: Sommer. Ich mag die Wärme.
Feriendestination: Elba. Ich bin mit meiner Familie, sofern möglich, jährlich da. Klares Wasser, schöne Strände und gutes Essen sind die Hauptvorzüge dieser Insel.
Instrument: Spiele ich keines. In der Schule noch Blockflöte. Dann hat mich aber der Sport mehr interessiert.
Covid-19: In der Familie und im nächsten
Umfeld ist niemand daran erkrankt. Natürlich ist die Situation schwierig. Allerdings denke ich, dass wir es in der Schweiz diesbezüglich nicht so schlecht haben.
Haarfarbe: Ich habe schon mit 20 Jahren die ersten grauen Haare bekommen. Es dürfte sich um eine Vererbung
handeln. Die grauen Haare sind ein bisschen zu meinem Markenzeichen geworden. Sie stören mich nicht. Ich kenne nichts anderes.
Putzen: In der Küche, in der Garage und rund um das Haus bin ich dafür zuständig.