Diplomat der Schweiz an Themse und Spree
Als Verteidigungsattaché war der Langenthaler Martin Lerch im diplomatischen Dienst der Eidgenossenschaft. Während neun Jahren leisteten er und seine Frau Armida in Berlin und London mit grossem Engagement viel für die Sicherheit der Schweiz und knüpften wertvolle Kontakte in die ganze Welt.
Diese besondere Chance, mit Wissen, Verständnis und Empathie in einem Gastland für die Bevölkerung der Schweiz diplomatisch tätig zu sein, nutzten Martin Lerch und Armida Bianchi Lerch sehr gerne. Mit den Erinnerungen unzähliger Erlebnisse und einem guten Netzwerk sind sie nach der Pensionierung wieder in ihr Daheim nach Langenthal zurückgekehrt.
Kontakte sind alles
«Als Verteidigungsattaché ist es wichtig, die Leute vor Ort zu kennen. Wenn man die Schlüsselpersonen persönlich kennt, kann man sie jederzeit direkt anfragen. Durch so ein zielgerichtetes Engagement konnte beispielsweise erreicht werden, dass die Schweizer Luftwaffe seit 2017 die wichtigen Nachtflug-Trainings mit den F/A-18 Jets nun in Grossbritannien absolvieren kann», weiss Martin Lerch im Gespräch mit dem «Unter-Emmentaler».
Dies ist nur ein gelungenes Projekt von vielen anderen Engagements, die in den vergangen neuen Jahren das Berufsleben von Verteidigungsattaché Martin Lerch prägten.
In der Schweiz seit 1876
Verteidigungsattaché oder Militärattaché, wie sie früher hiessen, gibt es in der Schweiz seit 1876. Die Schweiz selber entsandte 1937 die erste Vertretung nach Italien und ein Jahr später wurde der Posten in Deutschland besetzt. Viel ist in dieser Zeit geschehen, aber geblieben ist die Wichtigkeit einer guten Sicherheitspolitik in der Schweiz. Dafür braucht es das Verständnis der Welt jenseits der eigenen Grenze. Sicherheitspolitik ist keine grosse Schau, es bedeutet zu verstehen und zu wissen, was in den anderen Ländern passiert, Entwicklungen zu verfolgen und Vergleiche zu ziehen. «Ein Verteidigungsattaché muss ein guter, sensibler Empfänger sein und ein guter Sender. Er ist ein sicherheitspolitischer Informationsbeschaffer vor Ort sowie ein Botschafter für das VBS und die Schweiz nach aussen. Er braucht Wissen, Verständnis und Empathie für sein Gastland», stellt Bundesrätin Viola Amherd, Chefin im Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport, im Geleitwort zum Buch «Im Einsatz für Sicherheit und Frieden – Der Verteidigungsattaché als Instrument der schweizerischen Militärdiplomatie» fest.
Spannend, aber sehr intensiv
In der Zeit der Unsicherheit wird die politische Vertretung und die Militärdiplomatie wichtig. «Die Arbeit war spannend, hochinteressant, aber auch fordernd und intensiv. Es gab viele Termine und zahlreiche Reisen, dabei stand immer die Frage im Zentrum, was bringt dieses Engagement der Schweiz», sagt Martin Lerch.
Der ehemalige Statthalter des Amtsbezirkes Aarwangen und seine Frau Armida nahmen nach der damaligen Bezirksreform 2010 die neue Herausforderung an und schätzen sich glücklich im Leben diese einmaligen Chancen zu haben. Der letzte Kommandant des Infanterie Regiments 16 und Oberst im Generalstab war nach der Ausbildung ab Juni 2011 zuerst als Verteidigungsattaché für die Schweiz in Berlin tätig.
Die Hauptakkreditierung war für Deutschland, die Seitenakkreditierung für Polen. Lerchs stellten dort wie auch in England ein grosses Interesse für die Demokratie der Schweiz fest. Diplomaten anderer Länder staunen auch, dass sogar ein Zivilist wie Martin Lerch, also nicht ein Berufssoldat, Schweizer Militärattaché werden kann. Bis im November 2015 war das Wirkungsfeld an der Spree, und das Netzwerk war auch bei «Willkommen in Berlin», dem einzigen Diplomatenclub Deutschlands für Begleitpersonen, fest geknüpft. Rund vierhundert deutsche und ausländische Diplomaten aus weit über 100 Ländern sind dort Mitglied.
Auch Geschichte und Kultur gab es in Berlin viel zu erleben. Auf den 1. Januar 2016 wurde Martin Lerch an die Themse versetzt und Verteidigungsattaché im Vereinigten Königreich mit Seitenakkreditierung der Republik Irland und dem Königreich der Niederlande. «Es war eine Herausforderung, in London zu starten, während acht Monaten vorher war keine militärische Vertretung vor Ort. Da galt es, das ganze Netzwerk komplett neu aufzubauen.
In London Kontakte geknüpft
«Sicherheits- und verteidigungspolitisch ist das Vereinigte Königreich Grossbritannien zusammen mit Nordirland das stärkste Land in Europa», weiss Martin Lerch. Er schuf Kontakte mit der Britsh Army, der Royal Navy und der Royal Air Force. Daraus entstand auch die Vereinbarung, dass die Schweizer Luftwaffe Nachtflugtrainings in Nordschottland und Yorkshire durchführen darf. In der Schweiz ist es wegen der Lärmbelastung nachts nicht möglich, Trainingsflüge durchzuführen. Die Piloten müssen aber auch in der Nacht fliegen können, wenn beispielsweise ein Attentat im Schweizer Luftraum stattfinden würde. Auch die vermehrte Zusammenarbeit in der Cyber-Abwehr beschäftigte Martin Lerch sehr intensiv, so etwa seit 2017 beim Symposium, das an der Schweizer Botschaft in London stattfindet. In Denkfabriken waren der Terrorismus, Pandemien oder die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft ein Thema.
Die Schweiz repräsentieren
Die aussenpolitische Schweiz ist sich der Wichtigkeit der Diplomaten-Frauen bewusst. Sie werden ebenfalls in die Ausbildung einbezogen und müssen Prüfungen ablegen. In einem Damenprogramm finden jeweils Treffen unter den Gattinnen der Attachés statt. Armida Bianchi Lerch repräsentierte ihr Heimatland und stellte den Gästen gerne die Schweizer Küche vor. Dabei wurde bereits bei der Tischdekoration auf jede Kleinigkeit geachtet. So schufen oft die Frauen wertvolle Kontakte und bildeten so mit ihren Männern das Teamwork in vielen Bereichen. «Es ist enorm, was wir alles erlebt haben. So war etwa der Memorial Gottesdienst der Schlacht von England eindrücklich, wo die Royals dabei waren, die Frauen natürlich alle mit Hut», hält Armida Bianchi Lerch fest.
An vielen Anlässen, an denen Truppen dabei waren, mussten Lerchs auch im «Vollschmuck» auftreten. Galt für Martin Lerch die Unformen-Pflicht, war für seine Frau die Kleiderwahl vielfach ebenfalls vorgeben. Jedoch gab es da zwischen Deutschland und Grossbritannien bereits grosse Unterschiede. Kaum zählen lassen sich die vielen hochrangigen Besuche, welche in allen akkreditierten Ländern und der Schweiz begleitet wurden.
Eine andere Sicht auf die Welt
Im April 2020 wurde Martin Lerch als Verteidigungsattaché pensioniert und hat sein Amt übergeben. Wegen der «Corona»-Krise hat er seinen Nachfolger während fünf Tagen in Langenthal in seine Aufgaben eingeführt. «Uns bleibt eine andere Sicht auf die Welt. Die neun Jahre waren ein Augenöffner für andere Länder, es war für uns eine persönliche Bereicherung. Es war eine gute Zeit mit sehr viel Eindrücklichem», sind sich Martin Lerch und Armida Bianchi Lerch einig.
Sie haben auch wahrgenommen, wie wertvoll und gut die Schweiz organisiert ist. Geblieben sind ihnen auch unzählige wertvolle Kontakte und Freundschaften in der ganzen Welt, welche sie nun weiterhin pflegen wollen. Lerchs waren in ihren Aufgaben sehr glücklich, jedoch haben sie nie vergessen, wo ihre Wurzeln und Werte liegen.
Von Barbara Heiniger